Full text: Der Saarbergknappe (7 [1926])

HRummer * 
Saarbrücken, den 16. Januar 1926 
7. Sahrgang 
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Organ des Gerweins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebien 
** teden Samstag küt die Mitglieder garatis. — 
Preis für Zablstelenobennenten 3.— Fts. monatlich obne 
Botenlohn. ftür Pcstabonnenten 9. — Frs vierteliährlich. 
3 Geschäftsstelle des Saat-Bergknappen“: Saarbrücken — 
Für wetichaftlucve u. geistige Hebuno St. Jobanneritraße 49. — Fernsorech⸗Anschluß: Am 
es Bergarbeiterstandes Saarbrücken, Nummer 1530. 1062, 2008. 8184. 
zu zahlen. Angesichts solcher Tatsachen soll man dann Plenum die Annahme zu hintertreiben oder zu ver— 
Offene Worte un die Negierungs⸗4 noch ni der Regierungstommission Suüß⸗ zögern, indem sie namentliche Abstimmung und noch— 
holz raspeln Wo bleiben die de utschernn mälige Ueberweisung an den oben bezeichneten Aus— 
ß 33 i sion Ve'rtreter im Regierungsorgan, die schuß beantragten. Die Mehrheit des Landtages har 
—X s malmitder Faust aufden Tischschlagen aber anders entschieden und dem Antrag die not— 
Als wieder ein Jahr ins Meer der Ewigkeit vere ob solchem Sktandal, ins Volthinaus— wendige Unterstitzung gesichert. Da nun zivischen der 
ant, bemühten wir uns redlich, bei unserm Rückblick reten und offensagen,wo die Wider— Mehrheit des Landtages und der Regierung Einstim— 
wäs zu entbeaen, was wir“als Arbeiter der zacher sitzen?! DdDaänn müßte der Volkerbund migkeit besteht, durfte in der nächsten Zeit mit der 
Regierungskommission hätten gutschreiben können. zoch Remedur schaffen. Und das Voltk atmete auf, da Einführung von Grubenkonttolleuren im preußi; 
Wir suchten leider vergebens. Sas Jahr 1925 kann es dann erkennen könnte, daß es nicht von allen ver schen Bergbau zu rechnen sein. Obschon man in den 
nit dem besten Willen nicht als das „Soziale Jahr“ lassen ist, die an verantwortlicher Stelle in der Re— Werturteil dieser Einrichtung verschiedener Ansich 
ezeichnet werden. Täten wir das, dann müßten das gierung sihen. Was nußen all⸗ Palliativmittelchen sein kann, wäre es bedauerlich, wenn die Frage der 
die hungernden Rentenempfänger draußen im wenn dem Volke seine Rechte vorenthalten werden Grubenkontrolleure zu einer parteipo laͤticher 
tande als blutige Verhöhnung empfinden. Es ist und es dem Verderben ausgesetzt ist. Wo man auch in Saargebiet gemacht würde, ohne auf, die Wünsch 
chon so, daß es Menschen gidt, die aus diesem oder hinschäut, rein gor nichts ut zu entdecken an groß der Bergarbeiter und deren Otganiiationen Rud 
cnem Grunde haben wollen, daß wir der Regie- ügger Tat fürs schaffende Volk. Das ist das krau sicht zu nehmen 
rungskommission oder maßgebenden Personen der— ige Fazit, das man ziehen muß. 
elben anerkennende Worte zollen oder keine Kritik Auch keine Steuererleichterung bescherte 
üben sollen. Wir kargten mit unserem Lobe gar n vergangenen Jahre die Regierungstommifsion 
nicht. wenn die Regierungskommission uns dazu Ver- In arbetenden Menschen. Damit Fraͤntreich seine 
zulassung gäbe. So aber, sind wir verpflichtet, die Zlner an der westlichen Saargrenze spart, mußt 
Wahrheit zu sagen und bittere Wahrheit aist, daß s Saarvoll neue udirette Steuern auf sich nehmen 
zegenüber der Arbeiterschaft des Saar⸗— Dazu noch die Belastungen, die sich aus der Zoll— 
zebeedede un g ton mi son dekrung degenüber den sch ergeben. Im Reiche 
hre Pflichht mih,eterftürlt tat. Das mag tn hen arbeitenden Menschen durch soziale 
mangenehm in den Ohren klingen, bleibt aber harte Ausgestaltung der Lohnsteuer weit entgegen; hier im 
Tatsache. Wir wollen es beweisen: Zaargebiet blieb die Lohnsteuer in der“alten Höhe 
Das Elend der Menschen, die aus der Unfall- und daju hat man noch die neue indirekte Steuen 
pensacherung Renten beziehen, ist schon seit Jah dem Volle aufgedalst. 
en unerträglich. Witwen mit zwei und mehr unver⸗ In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist auch nichts 
orgten Kindern, deren Ernährer, vor der Besitzüber⸗ geschehen. Eo wie es auf diesem Gebtete Anfang 1918 
iahme der Gruüben durch die Franzosen zu Tode war, ist es noch heute. Ein gewiß trauriges Ergeb⸗ 
'amen, erhalten pro PMonat ganze 112,550 Irs an ii für eine Völkerbundsregierung. Aber halt, die 
Rente eine Witwe mit einem Kind ganze 75, — und Arbeikanmet onntt nicht des „Unrechtes 
ine alleinstehende Witwe ganze 3750 Frs. Kann ezichtet zu werden, wollen wir diese Tat noch regi— 
wit soichen Beträgen jemand leben? Schreit das rieten. Se stet nämlich Frankrerch 
Elend dieser Menschen nicht zum Himmel? Macht die farni chts Und wird der Grube nverwal— 
Regierungskommission sich“ nicht himmelschreien- unn gnicht wehtun. Das Saarvolk erhält ledig⸗ 
der, Sünden schuldig durch ihre Tatenlosigkeit? Nicht ich eine Gutachterinstanz mehr. Und wie die 
aiel besser sind die anderen Gruppen gestellt, die aus negierungskommission die Gutachten der Volksver— 
»er Unfallversicherung Rente beziehen. Für die eine reser respektiert, darüber besitzt das Saarvolk nun— 
vruppe gilt heute noch ein Drittelungssatz von 2400 nehr eine fünfiährige Erfahrung. Diese Ersahrung 
und für die letzte ein solcher von Zöh Irs. Im Reiche lehet, daß die Gulaen der Volksoertreter zu 998 
vird ein Jahresarbeitsverdienst bis zu 8000 Mark glatt mißachtet wurden. Soll die Arbeitskammer für 
»oll der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Was ie Saararbeiterschaft und das Saarvolk von Vedeu— 
»em Reiche möglich ist, das dürch Reparationsver— ung, werden, dann muß erst ein beschlußfas— 
Fflichtungen stark belastet ist, müßte hier im Saar— endes Parlament vorhanden sein. Was hat die 
jebiet doch auch möglich sein. Warum läßt die Re— Kegierunaskommission in der Frage bisher detan“ 
zierungskommission diese Menschen hungern? Wein sichts. 
ie zurüdweicht vor den franzöfischen Nicchts, das ist das Ergebnis, zu dem wir kom— 
Inteesen. Dürch nichts wird die Regierungs nen at Ueberschauen der Regierungstätigkeit im 
ommission das widerlegen können. Ihr Schuldbe— ergangenen, Jahre. So darf es nicht weiter geben 
vußtsein will sie zwar durch die sogenannte Fran- die Arbeiterschaft muß darauf besteben, daß die Re— 
enspemnde“ entlasten. Was soll das hetßen wenn nerungskommission ihre Pflicht erfüllt. Die framz. 
ine darbende Witwe oder ein völlig Erwerbslojer ische Interessenwirtschaft des Regierunasordans de— 
nal 100 Frs. im Jahre an Alm oseen er⸗ Saatgebieies muß endrich aufbören. 
zält! MNehr ist es doch nicht. Die 100 Frs. werden 
nit dem bitteren Gefühl entgegengenommen, das 
in hungernder und gebrechlicher armer Teufel hat 
venn ihm ein gut genährter und situserter Mensch 
inige Centimes in die hingehaltene Muütze wirft. 
Regierungskommission, deine erste Pflicht ist es, die 
RFenten so zu gestalten. daß die darauf angewiesenen 
Denschen die Frankenspende entbehren können. Wir 
verden dich und den Völkerbund solange ankladen 
zis hier Remedur geschaffen ist. 
Nicht viel besser ist es mit der Invaliden— 
ind Hinterbliebenentente? Wäs brachte 
a das alte Jahr? Eine belauglose Erhöhung. Im 
seiche stehen die Sähe um weit mehr als das Dop— 
pelte höher wie hier. Und die Erwef bslosen- 
unterstützung? Zunm Sterben zu viel und zum 
Leben zu wenig. Jammer und Elend drücken die Er— 
werbslosen nieder und die Regierungskommission be— 
zügt sich mit einer .Pfennigserhöhung“. Auch die 
dnappschaftsrentnert läßt sie weiter darben. 
Im eigenen Gesetzentwurfe zut Neuregelung des 
ãnappschaftswesens hatte sie als Mindestbeitrag 
5,5 Prozent je Seite vom durchschnittlichen Hauer— 
ohn festgesetzt. Im späteren Gesetze, das in Kraft 
uun ist, nur mehr 5.2 Prozent. Vor dem französischen 
sßrubenbesiher ist die Regierungskommission glatt 
urückgewichen. Und den franz. Grubenbesiker haͤt sie 
urch ih, Oberbergamt noch nicht mal gezwungen. 
niese Prozent vom Geinmthauerdirchichrieeinn 
Die Mitwirkung der Bergarbeiter 
bei der Grubenkontrolle in irgend einer Form ist be 
uns und besonders in anderen Kohlenbergbau trei— 
benden Ländern, schon alt. Es wird mit der Verwirt— 
lichung des oben angeführten Antrages des Preußi— 
schen Landtages nichts Neues von Grund auf geschaf— 
fen, sondern nur das Bestehende erwoitert bezw. ver 
bessert. 
Das englische Kohlenbergwerksgesetz vom 10 
August 18572 enthielt schon Vorschriften, wonach den 
Arbeitern die Mitkontrolle auf den Gruben einge 
röumt wurde. Entsprechend der liberalen Wiet— 
schaftsauffassung in England wurde es den Berg—⸗ 
leuten freigestellt, zwei Delegierte für die Gruben— 
kontrolle zu bestellen. Nähere Vorschriften bestanden 
nicht, nur mußten diese aktive Betgleute sein; die 
Bezahlung geschah auf Kosten der Belegschaft. Wäh— 
rend die Belegschaften in den gefährlichen Gruben 
ausgiebigen Gebrauch von der Einrichtung machten, 
jfanden sie in den weniger gefährdeten Gruven wen ig 
Gegenliebe. Im allgemeinen wurde die Mitwirkungs 
der englischen Bergleute bei der Grubenkontrolle naa 
dem Bericht einer Studienkommission, die im Juhr 
1898 auf Veranlassung des damaligen preußischer 
Handelsministers Brefeld nach England, Frankreid 
ind Bolgien entsandt war, günstig beurteilt. 
Auch in Frankreich sind die Bestrebungen für 
Arbeiterdelgierte (Grubenkontrolleure) schon alt 
Die ersten Anregungen gab ein Bergarbeiterbiatt in 
St. Etienne im Jahre 1882, worauf die Abgeord 
neten Waldeck-Rousseau, Reyneau und Gilliat am 
23. Noventber 1882 in der Deputiertenkammer einen 
Gesetzentwurf auf Schaffung von Arbeiterdelegierten 
bei der Grubenkontrolle einbrachten. Die VBergwerks. 
besitzer bekämpften den Entwurf mit aller Schärfe 
jedoch die Regierung erklärte sich grundsätzlich für die 
Annahme des Gesetzes und nahm den Entwurf an 
Im Senat fand er jedoch keine so günstige Aufnahme 
und es dauerte sieben Jahre (1889) bis das Geseth 
zustande kam. Nach diesem Gesetz sind in allen Berg⸗ 
werksbetrieben unter Tage Arbeiterdelegierte einzu⸗ 
fiihren. Sie werden unmittelbar von den Arbeitern 
gewählt. Wählbar sind aktive und inaktive Berg⸗ 
leute. Die Kosten trägt der Bergwerksbesiher. Wenn 
auch die Absicht, etwas Gutes zu schaffen, nicht be— 
stritten werden soll, so hat die Einrichtung im Laufe 
der Zeit infolge ihrer Mängel keine aunftine Re 
urteilung gefunden. 
Aehnliche Bestrebungen wie in Frankreich tauchten 
lim Jahre 1895 in Belgien auf, die am 11. Aproͤl 
1897 zur Verabschiedung eines Gesetzes bett. Ein— 
setzung von, Arbeiterdelegierten führten. Dieses Ge— 
setz hat wesentliche Vorzüge gegenüber dem franzö⸗ 
siichen. Die Delegierten werden nicht gewählt, son. 
dern vom Minister auf Vorschlag ernannt. Ihrt 
Amtstätigkeit nimmt sie ganz in Anspruch, weshalb 
sie aus der Belegschaft ausscheiden. Der Arbelter. 
grubenkontrolleur ist Hilfsorgan der staatlichen 
Hrubeningenieure und wird auch vom Staate be— 
zahlt. Beachtenswert ist, daß das Gesetz imWelgien 
geschaffen wurde, obschon in den Jahren vorbet“ di⸗ 
Unfallziffer ständig zurückging. 
Von den deutschen Ländern ist besonders Sachsen 
zu nennen, das auf dem Gebiete der Grubenkontrolle⸗ 
geradezu vorbildlich vorgegangen ist und desser 
Wahrnehmungen auch dürchaus günstig beurteilt 
werden. Sochsen hat Grubenkontrolleure im Sinn—⸗ 
des Antrages des Rreußiichen Landtages eingefüßr⸗ 
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Zur Ein üͤhrung 
onbönntrnsse j 
der Grubentortrolleure im Verghan 
Aus Anlaß der Grubenkatastrophe auf Zeche 
Minister Stein“ wurden eine ganze Anzahl An— 
räge betr. Grubensicherheit eingebracht, die im Aus— 
chuß für Handel und Gewerbe des Preußischen Land— 
tages beraten wurden. Darunter auch ein Antrag, 
der die Einführung von Grubenkonttolleuren fot— 
derte. Der ursprünglich eingebrachte Antrag wurde 
durch einen von drei Parteien gestellten Abände. 
ungsantrag ersetzt, der folgenden Wortlaut hat: 
„Das Staatsministerium wird ersucht, alsbald 
m Verwaltungswege für den Steinkohlenbergbau 
ßrubenkontrolleure bei den Vergrevierämtern aus 
den Reiheen der praktisch erprobten Hauer mil 
nindestens zehniähriger Hauertätigkeit zu besiel— 
en. Das Vorschlagsrecht wird den am Tarif be⸗ 
eiligten Bergarbeite rotganisationen übertragen 
Die fachliche Prüfung und Bestellung auf min— 
destens fjünf Jahre erfolat durch die Bergbehörde 
die die Besoldung übernimmt.“ 
Dieser Abänderungsantrag fand eine Mehrheit 
m Ausschußß und wurde auch später von der Regie⸗ 
ung gebisstat. Trokhem suchten einige Vartesen im
	        
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