ANummer 27
Saarbrücken, den 3. Juli 1926
7. Sahrgang
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet
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Etscheint jeden Samstag für die Mitglleder gratis. —
prels füt die Zahlstellenabonnenten 5.— Fr. monatl. ohne
Zotenlobn, für die Postabonnenten 15— Fr. vierkteliährl.
zur Schlagwettererploson auf dem
RNathilde hacht
Wie wir in der letzten Nummer nur noch ganz kurz
mitteilen konnten, wurde am 19. Juni um 11,30 Uhr
vormittags die Grube Mathildeschacht, Berginspek—:
tion II. von einer Schlagwetterexplosion heimgesucht
Dabei wurden neun Kameraden verletzt. Von den
Verletzten sind inzwischen drei Kameraden gestorben?
Josef Speicher-Knausholz, Adolf Brotkhaus
derlen und Matthias Eisenbarth-Elm. Obschon
ein glücklicher Umstand größere Verheerungen der
Erplosion unterband, sind ihr drei blühende Menschen⸗
leben bisher zum Opfer gefallen. Wir sprechen an
dieser Stelle den betrofsenen Angehörigen unser tief⸗
stes Mitgefühl aus für den schweren Verlust. Aller
Kameraden aber machen wir erneut das Gelöbnis,
mit aller Kraft an einer Verminderung der Unfall⸗
zefahr zu arbeiten, damit solche Unglücke möglicht
vermieden bleiben. Auch der Hoffnung geben wir
Ausdruck, daz die übrigen verletzten Kameraden sich
zald erholen und ihren Familien erhalten bleiben.
Ueber das Unglück selbst gibt das Sgaar⸗Ober
rergamt, das Herrn Minister Morice unterstell⸗
it, jolgende amtliche Darstellung:
„Am 19. Juni 1926, mittags 12 Uhr, ereignete sich
uf Grube Viktoria-West (Mathildeschacht. Die Red.
in der einsalleuden Strecke. Nr. 9, Flöz Heinrxich,
interhalb der neunten Sohle eine Schlagwetterent—
uündung ohne feststellbare Explosionswirkuug. Soweit
ich bis jetzt übersehen läht, entstand die Entzündung
im Streb 15, von wo die Flamme vom Stoß entlaug
bis Streb 11 abwärts lief. In Streb 15 wurden
wei Mann ziemlich erheblich verbrannt, während
ieben andere Leute in den Streben 14, 13, 12 und 11
aur leichtere Vrandwunden davon trugen. In Lebens
gejahr scheint sich keiner der Verletzten zu befinden.
die Untersuchung wurde sofort eingeleitet und wird
in den nüchsten Tagen abgeschlossen werden können
Ueber die Entstebungsursache der Schlagwetterent⸗
zündung kann Bestimmtes noch nicht gesagt werden.“
Eine private Meldung besagt, daß nur neun Berg—
leute — die Verletzten bezw. inzwischen Verstorbenen
—im Bereiche der Explosion beschüftigt waren. Die
krplossen sei gegen den einziehenden Wetterstrom
gegangen, wodurch ihre Kraft erheblich gemindert
worden wäre.
Es war somit noch Glück beim Unglück. Einmal in—⸗
ofern, daßz die betroffenen Streben nicht stärker be⸗
legt waren, sodann, daß durch den einzieuenden Wet—⸗
eritrom die Kraft gebrochen wurde.
Die private Meldung besagt weiter, daß sofort nach
Vekauntwerden des Unglücksfalles Generaldirektor
defline, Direltor St. Ciaire-Deville, Gruppenchef
Siollot und dor zustündige Bergbeamte an Ort und
dtele sich bezeben hätten, um „von Amts wegen den
Tatbestand aufzunehmen.“ In dieser Meldung ist mit
einem Worte davon die Sede, ob auch der zustän—
ge Sicherheitsmaunu an der ersten Tatbe—
enasaufnahme beteiligt war.
Da die Unter'uchung bei Ricderschrift dieser Zeilen
toch nicht beendet ist, werden wir auf die ganze Au⸗
jelegenheit nochnals zurücktommen. Heute aber er—⸗
auben wir uns schon die Fragen:
1. War es bekannt, daij Schlagwetter vorhanden
varen und was wurde getan, um die bestehende Un
allgefar zu beseitigen?
Wurde der zuständige Sicherheits:naun sosori
ait zur ersten Untersuchung an den Explasionsort
nitgenommen?
af Wann. gedenkt die Bersbehörde ähnlich wie in
enhen ein Geubensicherheirsamt einzuricissten, an
aus die Arbeiter bezw. deren Gewectimaiten be—
eiligt sind?
ean gedentt die Regierungskammiision der
rung der Rergarbeite gewertschafeent uud des
8 esrates nach Einführung von Grritentontol
ren aus dem Beramanusstande nachzufommen?
4 Geschaftsstelle des . Saar-Vecgknappenꝰ: Saarbrücken 2
Für wirtschaftuche gelstige Hebuna St. Johanner Strahße 49. — Fernsprech-Anschluß: Amt
es Bergarbeiterstandes Saurbiten Rummer 1530. 1002. 2003. 3104.
5. Warum hat die Bergbehörde zur Untersuchung smann. Obschon man anerkennt, daß die Teue rung
uicht auch Vertreter der Sergarbeiterorganijationen seit April bis 10 Prozent gestiegen ist, fertigt man
hinzugezogen? eeeengnng mit 3 8* —
je id, wi allhäufig, erhöhung ab. Wir glauben, daß es Pfli er Berg⸗
neFornn wahegade wchragend wu vit lanhein watetn eentäm ue den Tatsorgan
detane o SEintragungen des Sicherherns, sationen in pori⸗ zu eden damit
mannes, daß Schlaͤgwetter vorhanden seien und trotz den hien geg nen Verhältnissen urn r De
der Meidungen der Vergleute, diese an den betr wird. Ministerworte on feier deen a F
ODrten weiter arbeiten muhten. In unserm Orgat mß gegebenen Augen wpe paie Inge öost. Das sig:
daben wir schon Fülle dieser Art angeführt. Insbe un haltbare Zustände. Auch, die Saartegierung soute
ondere vieie Klagen über Schlagwetter liegen vor nicht immer warten, bis die Erbitterung die Berg⸗
Frube Clarenthal vor, die dem berühmten“ Juge ute zuni Aeußersten ernahen hat, onden I—
nieur Rossenbeck untersteht und schon mehrmals von is Mes e Ieeeen um den danen
Erplosionen bezw. Bronben heinmgesucht wurde. Un uten zur zustehenden Lohnaufbesserung au verhelfen.
seres Erachtens ist betr. Sicherheit der Saargruben
gar manches faul im Staate Dänemark. Es ist und
bleibt eben ein unhaltbarer Zustand, daß die Verg
polizei einem französischen Staaisbeamten unterstellt
ist. Hier muß Nemedur geschaffen werden. Die Ge—
werlschaften müssen bei der Bergaufsicht zur Geltuns
kommen. Die Bergleute müssen größere Rechte zur
Ueberwachung der Betriebe eingeräumt erhalten. Da—
ind Aufgaben der Regierungskommission. die sie balt
erfüllen muß.
Eine wichtige Seite wollen wir dabei nicht ver—
gessen. An der Unfallhäufigkeit ist unseres Erachtens
sehr viel schuld das üble Antreibesystem auf den Saar⸗
gruben. Es geht zurück auf unzureichende Gedinge
bemessung und das schändliche Prämiensystem. Mii
diesen unwürdigen Verhältnissen muß endlich aufge
räumt werden. Leben und Gesundheit unserer Ka
meraden erfordern das drindend.
Augen auf!
Die Wahl der kommunalpolitischen Vertretungen
steht vor der Tür. Allenthalben entfalten die Par—
deien ein reges Leben. Die parteipolitischen Leiden⸗
schaften treten zu Tage. Auch unsere Mitglieder sind
in den Meinungsstreit ein bezogen. Angesichts dieser
Lage ist es notwendig, einiges zur Beheraigung hier
zu sagen.
Der Gewerkverein christlicher Bergarbeider hat mit
politischen Wahlen (wie schon in der vorletzten Rum⸗
mer dargetan) auch nicht das Geringste zu schaffen.
Versammlungen des Gewerkvereins dürfen daher
nicht benutzt werden, um politischen Meinungsstreit
auszutragen. Politischer Meinungsstreit stört und
untergräbt die Einigkeit innerhalb unserer Organi—
sation. Uneinigkeit schädigt die Organisation und die
Mitglieder. Wer sich und seiner Organisation dienen
will, muß unter allen Umständen auf Veranstaltun—
gen des Gewerkvereins politische Auseinandersetzun⸗
gen unterlassen. Die Zahlstellenvorstände müssen sich
in dieser Hinsicht genau an die Satzungen halten.
Geschieht das, dann werden unsere Veranstaltungen
vom politischen Tagesstreit verschont bleiben.
Unsere Mitglieder müssen sich auch scharf dagegen
wenden, daß Belegschaftsversammlungen benutzt wec⸗
den, um zu Gunsften dieser oder jener Partei Propa⸗
ganda zu machen. Belegschaftsversammlungen sollen
nur dann veranstaltet und von unseren Mitgliedern
besucht werden, wenn das Interesse der Belegschaft
das unbedingt erfordert. Belegschaftsversammlungen
sind nur dazu da, um dem Grubenausschuß Gelegen⸗
heit zu geben, über wichtige Sitzungen Bericht zu er—⸗
statten oder um Verhältnisse der Grube zur Sprache
zu bringen und die notrwendigen Maßnahmen ge—
meinsam mit den Tariforganisationen zu besprechen
und zu trefsen. Nun lehrt aber die Erfahrung ge—
rade der leßten Zeit, daß Belegschaftsversammlungen
meist zu zweierlei benutzt werden; einmal wird von
Seiten der Kommunisten insbesondere gegen den Ge—
werkverein gehetzt, sodann wird in etwas verhüllter
oder offener Form für eine der beiden sozialiftischen
Parteien Propaganda gemacht. Die Folge ist, daß
solche Belegschaftsversammlungen völlig unfruͤchtbat
verlaufen, daß es zu oft recht scharfen Zusammen-
stößen kommt, insbesondere zwischen den beiden seind⸗
lichen Brüdern von links. Der lachende Dritte
ist natürlich die Grubenverwaltung, die nur
ihre helle Freude daran haben kann, wenn kommu—
nistischen Parteifanatikern oder sozialdemokratischen
Reklameschlägern auf Belegschaftsversammlungen die
Pröglichkeit gelassen wird, die Einigkeit der Beleg—
schaft zu stören und fruchtbare Arbeit zu vereiteln.
Unsere Mitglieder müssen — gewitzigt durch die Er—
fahrungen der Jahre — es sich verbitten, daß not⸗
wendige Belegschaftsversammlungen zu parteipoliti—
schen Agitationsgeschäften benußt werden. Dringt
ihr Protest nicht durch, müssen sie in jedem Falle ge—
schlossen solche Versammlungen verlassen und solange
Belegschaftsversammlungen meiden, als nicht die Ga—
rantie geboten wird, daß parteipolitische Ptopaganda
unterbleibt. Auf alle Fälle müssen sie darauf be—
stehen, daß notwendige Belegschaftsnersammlungen
nur nach Rücksprache und im Einvernohmen mit den
Tariforganisationen veronstaltet werden.
Auch sonftige Versammlungen, wie solche der Sozial—
rentner, Uniallrentner uswe, werden heute vielfach
dazu benunt. Srtimmumq dgegen die Gewertschafsen zä
*
* *
Es gibt nichts!
Das ist das Ergebnis der Verhandlungen, die am
18. Juni auf der Bergwerksdirektion betr. Lohnfrag
stattfanden. Diese Tatsache löst überall größten Un
willen aus. So wie die Lohnverhältnisse der Berg
leute gelagert sind, rechnete man mit Bestimmtheit
damit, daß noch für den Monat Juni eine weitere
Lohnaufbesserung gewährt würde. Die Hoffnungen
wurden jedoch durch die Mitteilungen des Herrr
Generaldirektors Defline zunichte gemacht. Woh'
sagte er, er habe sich in der Verwaltungsratssitzung
in Paris für die Forderungen der Bergleute einge
jetzt; er sei aber nicht durchgedrungen, weil der Ver
waltungsrat eine Lohnerhöhung nur gewähren könm⸗
wenn die Kohlenpreise erhöht werden könnten. Da
aber scheiterte daran, daß die Bergbauunternehme;
Frankreichs nicht geneigt seien, zur Zeit eine Kohlen
preiserhöhung vorzunehmen. So die Darstellung
während der Verhandlungen am 18. Juni. Wir sind
mehr geneigt anzunehmen, daß der französische
Staat aus Gründen, die von uns schon oft angeführ
wurden, gegen eine notwendige Erhöhung de'
Kohlenpreise ist. Wollte er die Löhne der Saarberg
leute entsprechend den hier gegebenen Teuerungsver
hältnissen aufbessern und könnte das wirklich nu:
durch eine der Lohnerhöhung zumindest entsprechende
Kohlenpreiserhöhung geschehen, dann läge es wohl in
seiner Macht, die französischen Grubenbesitzer zu eine:
Kohlenpreiserhöhung zu bestimmen, die eine Er
schwerung der Konkurrenz für die Saargruben ir
Frankreich verhinderte. Zur Zeit liegt der englische
Bergbau infolge des Streites vollständig still, sodaß
in Frankreich die Konkurrenz der englischen Kohle
seit zwei Monaten schon nicht mehr gegeben ist. Ein«
dotwendige Kohlenpreiserhöhung würde — zuma
unter Würdigung des Frankenwertes — der fran
zösischen Kohle in Frankreich selbst gar keine Kon—
kurrenzschwierigkeiten bereiten. So kann man nur
die Auffassung bekommen, daß der framzösische Staal
wegen der Währungsschwierigkeiten und wegen der
Preisgestaltung im Innern seines Landes, also aus
waährungs- und innenpolitischen Gründen, gegen ein—
ndotwendige Kohlenpreiserhohung ist. Fuür den Saar—
bergmann ist es eine überaus bittere Tatsache, daß
seine Entlohnung von solchen ihm völlig fern liegen
den Momenten beeinflußt wird. Er wohnt in einem
Hebiete mit einer höheren Teuérung, als sie in
Frankreich selbst zu derzeichnen ist. Er ist infolgedasse
enager taufkräftig als dor innerftanzöstipe Berg—