Uummer 24 Saarbrücken, den 17. Juni 1922
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Oraan des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
Jar wirtschaftliche a. geistige Vebuns ecaiuue du e —
des Bergarbeiterstandes Fernsprech⸗Anschlutz: Amt Saarbrüden, Nummer 1860.
VSahrgang 3
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Ekrscheint jeden Samstag, für die Mitglieder zratis. —
Preis: für Zahlstellenabonnenten 2,000 Mẽ. monatlich ohne
Botenlohn, für Postabonnenten 6,00 Mi. vierteriährlich.
A
Bemerkungen zur neuen
Beitragsregelung
Wer mit dem Gewerkschaftsleben verwachsen ist,
weiß. daß dieses große Anforderungen an den
Opfersinn stellt. Ohne Opfersinn, der in den
verschiedensten Formen sich praktisch auswirken muß,
ist Gewerkschaftsleben einfach unmöglich. Diese
runderkenntnis und die Grundforderung, daß jeder
Severkschaftler praktisch den Opfersinn in den ver⸗
schiedensten Formen bekunden muß. steht am An—
sang des Gewerkschaftskatechismus. Die Gewerkschaft⸗
er müssen sich bereit finden, Zeit und Können zur
Werbung neuer Mitglieder zu verwenden zwecks
Ausdehnung der Organisation. Sie müssen sich
dazu hergeben, die gewonnenen Mitglieder zu über⸗
zeugten Gewerkschaftlern zu erziehen, zweds innerer
Festigung der Organisation. Auch müssen sie die
Jugend erfassen, in Jugendabteilungen zusammen—
Aihren und ihnen allezeit ein guter Führer sein, zwecks
Sicherung des Nachwuchses der Organisation. So—
dann dürfen sie in Versammlungen, Konferenzen usw.
uicht fehlen, zwecks Vertretung der Grundsätze der
Organisation. Weiter müssen sie üch schulen und
bilden zwecks guter erfolgreicher Vertretung ihrer ge⸗
verkschaͤftlichen und wirtichaftlichen Interessen. Alles
das und noch manches andere, was das gewerkschaft⸗
liche Leben infolge unbedingt durchzuführender Auf-
Jaben von den Gewerkschaftlern heischt, fällt unter
zen Begriff Opfersinn. Wer diesen nicht in genügen—
dem Maße besitt, wird auch nicht bei der Durchfüh—
rung vorstehender Aufgaben zu finden sein. Wir
—
schafisleben von wahrem Opfersinn abhängig ist und
daß ohne genügenden Opfersinn die Gewerkschaft
bderkommen muß. Wenn er nicht in reinster Form
in den früheren Jahren in den Gewerkschaften leben—
dig gewesen wäre, dann stände die deutsche Arbeiter-
schaft heute nicht da, wo sie steht. Nur er hat die
deuifche Arbeiterschaft aufwäris geführt und ihr die!
heutige Position im Wirtichafts- und, Volksleben er⸗
rungen. Ohne ihn wird es auch kein Fortschreiten
in der Zukunft geben, im Gegenteil, versiegt er, dann
stürzt die Arbeiterschöft wieder in die Tiefe, aus der
es dann so bald kein Hocharbeiten mehr gibt.
Besonders muß oer Opfersinn sich in der Beie
tragsleistung bewähren. Diese ist der äußere
Gradmesser für ihn. Niedrige Beiträge sind ein Be—
weis für mangelnden Opfersinn and verdammen cine
zewerkschaftliche Organisation zur Unfruchtbarkeit und
in den Augen der Unternenner zur Löcherlichkeit.
Ohne die notwendigen Geldmittei kann eine gewerk⸗
schaftliche Organisation niemals als Bahnhrecher für
die Arbeiterschaft wirken, kann sich keinen Einfluß im
virtschaftlichen und staatlichen Leben erringen, kann
eine Schulung und Bildung der Arbeiterschaft durch—
führen, wodurch dieser auch die ihr zustehende Anteil-
nahme an der Bestimmung des Staates und der Ord—⸗
nung der Wirtschaft versperrt bleibt. Sie nötigt auch
nicht dem kleinsten Unternebmer irgend welchen Re—
pelt ab, weil das Blut fehlt, das die gewerkschaft-
iche Organisation erst in den Stand seszt, überall er⸗
solgreich zu wirken. Diese Erkenntnis bewog die Ge⸗
werkschaftler schon in der Vorkriegszeit. das Beitrags-
wesen der Durchführung der zu leistenden Aufgaben
und dem Kampfcharakter der Gewerkschaft anzupassen.
Das war richtig gehandelt, sonst wären die gewerk
scchaftlichen Organisationen nicht ernft genommen wor⸗
den und der Aufstieg des Arbeiterstandes, das sei
nochmals betont, wäre nicht gekommen. Daher muß
uns in der heutigen Zeit das Beitragswesen der Vor—
kriegszeit als Maßstab dienen zwecks Erkennens des
auth heute in dieser Beziehung Notwendigen.
Im ersten Vierteliehr 1914 betruga der Duxch-
Gnittslobn oller Bergarbeiler der Soargruben 443
Mark je Schicht. Bei unserm, Gewerkverein be—
irug der Pflichtbeilrag für die über 2 Jahre
alten Kameraden 0660 Mark, aleich 135
Proten! des durdischniftisichen Toroewardienst Eine
zroße Anzahl Kamergden zahlten aber den freiwil⸗
ligen Beitrag von 1,00 4. also 225 Prozent des
durchschnittsichen Tagesverdienstes. Holten wir unsere
Beitragsleistung bis zum 1. Juni d. J. daneben, dann
muß ums die Schamebte Üerkommen. Wir qgreifen
zen niedrigsten Durchschnittslohn vom ersten Vier⸗
eljahr dieses Jahres und zwar den aller Arbeiter
iber Tage heraus, der 15,49 Frank betrug. Das
ergibt bei Zugrundelegung eines Kurses von nur 2
809,80 A. Der höchste Beitrag betrug 800 AM
ind 0330 Frank, ienen an Mark (bei 20.AM Durch-
chnitiskurs) 14,00 A, gleich 45 Prozent des durch⸗
chnittlichen Tagesverdienstes. In Wirklichkeit war
n dieser Zeit der Durchschnittslohn aller Arbeiter
söher, wodurch der prozentnuale Anteil des Beitrages
ich noch verringert. Die Gegenüberstellung sagt uns
nehr als viele Worte, daß dieser Zustand zum Ver—
erben des Gewerkverkeins hätte führen
nüssen und damit zu einer unabsehbaren Schädi-
jung des Bergmannsstandes. Sie sagt uns weiter,
‚aß der gewerkschaftliche Opfersinn nicht mehr in der
ichtigen Weise bekundet wurde. Darum war es die
allerhöchte Zeit, daß die Delegierten das Beitrags-
vesen wieder einigermaßen mit den durchzuführenden
Aufgaben in Einklang brachten. Die ab 1. Juni d. J.
geltenden Beiträge betragen durchschnittlich 10 Proz.
des Tagesverdienstes, kommen alsonoch nicht an
die Beiträge heran, die in der Vor—
kriegszeit geleistet wurden. Wir sehen
Aso, daß es höchst ungerecht ist, unmehr von „hohen“
Beiträgen zu reden. Was die Delegierten festgesetzt
haben, ist das Minimum des Notwendigen.
Kameraden! Frauen! Jungmannen! Die Zeit ist
»a, wo wir praktisch beweisen müssen, ob der alte
Opfersinn noch in uns allen lebt. Dieser Opfersinn
war unser Helfer und Aufwärtsführer. So muß ⸗8
nuch zukünftig bleiben. Es wäre Feigheit, wenn sich
jetzt einer der praktischen Opferleistung entziehen
vollte.
Die Grubensicherheits⸗
Kommission
Von Abg. Heinrich Rürup (Essen).
Trotz aller Mühe und Sorgfalt, die von jeher von den
Arganisationen, gzanz besonders aber von dem Gewerk—
erein christlicher Bergarbeiler, sowie von den gesetzgeben⸗
»en Körperschaften usp. auf die Erweiterung des Berg—
Abeiterschutzes verwandt worden ist, und trotz der man⸗
rigfachen technischen Verbesserungen, war es bisher leider
icht möglich, bie Bergwerkskatastrophen gänzlich zu ver—
undern. Neben den zahlreichen Einzelunfällen haben sich
in den letzten Jahren immer wieder von Zeit zu Zeit be—
auerliche Massenunglücke ereignet. Gesund und
ebensfroh, in der Vollkraft ihrer Jahre, waren die Kame—
aden in die Tiefe hinabgefahren, um das Tageslicht und
hre liebenden Angehörigen, die auf so schreckliche Weise
hre Stütze und ihren Trost verloren, niemals mehr wie—
erzusehen. Eine Grubenexplosion hatte sie plötz-
ich dahingerafft, sie, die gemeinsam gearbeitet, gerungen
ind gelitten hatten, und die gemeinsam gestorben sind,
im dann auch zemeinsam ihre letzte Seilfahrkt in
in Massengrab anzutreten.
Fuürwahr, wer nur ꝛinmal an einem solchen Massengrabe
estanden und die herzzerreißenden Szenen miterlebt hat,
ie sich dort abspielen, wird für sein ganges ferneres Leben
won einen tiefen Eindruck bebalten. Er wird stets und
nentwegt dafür eintreten, deß der Bergarbeiter⸗
schutz immer weiter ausgebaut und vervoll—
ommnet, wird, und das alte, leider nur zu wahre
zprichwort: »Der Bergmannhatjeden Tagsein
otenhemd an', mit der Zeit der Geschichte angehört.
Das letzte schwere Grubenunglück ereignete sich bedannt⸗
ich am 8W. Juni 1921 auf der Zeche Mont Cenis“
ꝛei Sodingen in Westfalen. 83 Vergleute wurden hierbe
zetötet; 70 schwer verletzt. (Inzwischen ist wieder, wie an
anderer Stelle ersichtlich, ein weiteres Massenunglück vor⸗
zekomnien. Die Red.) Sofort nach dem Bekanntwer—
en der furchtbaren Kataftrophe brachten die unserm Ge—
verkverein angehörenden Kameraden Rürup, Steger
darsch. Brust, im preußischen Landtage einen Antrag ein
er neben einer Unzahl anderer Bergarbeiterschutz-Forde
rungen auch die Errichtung einer ständigen Grubensicher
eitsklommission verlangte. Der Antrag stand in einer
echsstündigen Sitzung der Handels⸗ und Gewerbeaus.
vusses am O. Juli 1921 und bald darauf am 18. Jul—
uch im Plenum bes Landtags zur Verhandlung. Bericht
erstatter war in beiden Fällen der Verfasser dieses Artitels
zämbliche Partelen stimmten dem Antrage und ben vomn
iusschuß gemachten Vorschlãägen zu.
In erster Linie ging der nunmehr vorliegende Land⸗
agsbeschluß dahin, im Ministerium für Handel und Ge—
werbe, dem ja der prenßzische Bergbau untersteht, ein be⸗
sonderes Grubensicherheitsamt einzurichten. In
Lerbindung miit diesem Amt sollte dann eine Gruben⸗
icherheitskommission eingesetzt werden, die aus
dertretern des Landtags sowie aus Vertretern der Arbeit—
iehmer, der Arbeiigeber und der Bergbehörde besteht. Die
dommission hat auf dem Gebiete der Bergpolizei und
Infallverhütung mitzuwirken und geeignete Vorschläge
ruf diesen Gobieten der Staatsregierung zu unterbreiten.
Der Kommission sind die auf den Gebieten der Vergpolizei
2nd Unfallberhütung gemachten Erfahrungen regelmäßig
orzulegen. Die Staatsregierung kann aus der Krommis⸗
ion Vertreber ernennen, welche die Unfallverhütungs⸗
uaßnahmen im ausländischen Bergbau: Enaland, Frank-
eich usw. studieren.
Aus der Hauptkommission werden für jeden Ober—
zergamtsbezirk Bezirksausschüsse gebildet. Diese
Lusschüsse haben auch die möglichst genaue und rest⸗
wose Aufklärung der Entstehungsursachen, sowie auf
die Verhütung und Einschränkung von Grubenerplosionen
uind Bergwerksatatastrophen hinzuwirken. Die Betriebs-
äte und Verwaltungen der betreffenden Zechen sind je—
veilig zu den Untersuchungen hinzuzuziehen. Die Kom—
nission und die Begzirksausschüsse haben das Recht, nach
eigenem Ermessen Grubenbefahrungen vorzunehmen. Die
Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter werden auf Vor⸗
chlag der betreffenden Organisationen (Arbeitsgemein—
chaft) durch den Minister berufen.
Auch den übrigen von den Gewoerlvereinsvertretern be—⸗
züglich der Grubensicherheit gestellten Forderungen, wurde
om Landtag zugestimmt. Danach sind die praktischen Er—
fahrungen der Betrieberäte mehr als bisher zu ver—
verten, sei es bei der Erörterung von Maßnahmen zur
Verhinderung von Unfällen (z. Bsp. beim Erlaß von Berg⸗
ol izeiverordnungen, Genehmigungen, Berieselungs⸗ und
Zprengstoffragen) oder von Schuldfragen. Die Leit-
fättz e, wonach künftig die Betriebsvertretungen (Betriebs⸗
at, Betriebsausschuß, Betriebsobmann), seitens der Berg⸗
evierbeamten in denjenigen Fragen, die für die Sicher—⸗
seit des Lebens und der Gesundheit der Bergleute von
zelang sind, herangezogen werden, hat der Minister für
zandel und Gewerbe vor kurzem bekannt gegeben
Ein weiterer Beschuß, der im Zusammenhang noch
urz erwähnt sei, gzing dahin, den Betriebssräten und Be—⸗
egschaftsmiigliedern, besonders den neu eingestellten
zergfremden Arbeitern in geeigneten Kursen weitgehendste
Aufklärung und Belehrung über die Schlagwet⸗
ter- und Kohlenstaubgefahren, sowie über die anderen
Bergbaugefahren zu geben, und die betr. Bergleute mit
den Naßnahmen zur Bekämpfung dieser Gefahren ver—
traut zu machen. Dieser Beschluß ist ebenfalls schon zum
zroßen Teil in die Tat umgesetzt, wenn ja auch die Ein—
richtungen noch weiter auzgebaut werden müssen.
Was dann die Grubensicherheitskommission betrifft, so
hat der Minister für Handel und Gewerbe, in Ausführung
zes eben erwähnten Landtagsbeschlussez, unter dem 18.
Januar 1922 die „Bestimmungen über die Errichtung
eines Gintenficherheitsamtes und die Bildung einer
Brubensicherheitskommission“ herausgegeben. Die Be—
timmungen decken sich mit den im Parlament angenom⸗
nenen und oben näher dargelegten Anträgen. Sowohl
'in der Hauptkonimission, wie in den Beozirkskommissionen
st unser Gewerkoerein christlicher Bergarbeiter entshre-
dend vertreten.
Zum Schluse sei noch der Hoffnung Ausdruck gegeben,
daß die auf Anregung und unter hervorragender Mit⸗
virkung der Gewerkvere Sverkreter geschaffene außzer⸗
dentlich bedeutungsvolle Einrichtung der Grubensicher⸗
—
des Bergbanes, wenn nicht gang zu beseitigen, so doch
pesentlich einauschränken und au mildern
Wie wir Kameraden des Saargebietes aus vorstehendem
Urtikel wieder ersehen, wächst die WMitarbeit der Vergleute
deutschlands in alle Gebiete hinein, die sie berühren. Das
enotratische Wirtschaftspringzip bricht sich dort organisch
BZahn, während wir hier gegen unsern Willen in Ver—⸗
altnissen gehalten werden, die in leiner Weise dem ent⸗
prechen, was einer geistig regsamen und kultwierten Ar⸗
velterschaft zusteht. Unbeirrt aber auf die Gleichstel⸗
lung mit den wuneraden im Reiche hinzuarbeiten, soß
uinser Botrdeben sein.