Ammer 23
Zaarbrücken, den 10. Juni 1922
Sahrgang 8
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— 9 — S 90 59 9⸗ 3* 9 I —30 9—
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Organ des Gewerkvereins chriͤstl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
FJar wirtschaftliche u. gejstige g — c 7
des Bergarbeiterstandes zernsbrech Anschluß: Amt Saarbrüden, Nummer isdo.
—F———
Preis: für Zahlstellenabonnenten 2,00 Mt. monatlich ohne
Botenlohn, für Postabonnenten 6,00 Mk. vierteljährlich.
—
⸗ In der Praxis hat sich aber die ethisch gerichtete
Die Ethik im Wirtschafts⸗lvhhi noch längst nicht durchgesetzt. Da gibt
s immer noch Leute genug, die nur nach ihrem g
leben enstandpuntt wirtschaften wollen und jode Moral im
Kirtschaftswesen als Gift oder, wie der frühere
Scharfnacher, der bekannte Saarbrücker Syndikus
llexander Tille, als Moralin betrachten.
Das System des ökonomischen Liberalismus, das
eine sittliche Einschränkung im Wirtschaftsleben dul—
en wollte, geht von falschen Voraussetzungen aus, ist
n sich widerspruchsvoll, und kann daher- wie H. Pesch
1 seinem Buche: „Ethik und Volkswirtichaft“ Seite
B sagt, in die Praris übersetzt, auch nur zu absfurder
—
Gruß an Saarbrücken
Ich hielt in deutschen Lauden
An manchem Orte Rast,
ys haben Dom und Burgen
ꝛ mich erfaßt,
Doch schlug mir voll Entzücken
das Herz ein einzig Mal:
Sei mir gegrüßet, Saarbrücken
Mit deinem Ehrental—
Zukunfsaufgaben
unserer zugendbewegung
Von Hermain Ghren
Seit mehr als hundert Jahren kämpfen hervor⸗
cagende Vertreter der Volkswirtschaftslehre für volle
Freiheit im Wirtschaftsleben. Jegliche Bindung, mag
sie nun vom Stoate oder von der christlichen Moral
kommen, lehnt man als einen Hemmschuh der wirt⸗
chaftlichen Entwicklung ab. Das konmit daher, daß
die Volkswirtschaftslehre schon in ihren Anfaͤngen
der damals herrschenden philosophischen Richtung zum
Dofer fiel. Oberster Grundsasß des ökononischen
beralisimus wurde die volle uneingeengte Freiheit
der Konkurrenz. Man wollte die Welt glauben ma⸗
hen, daß jeder durch den eigenen Vorteil von selbst
dasa getrieben würde, so zu handeln, wie es auch für
die Allgemseinbeit am besten wäre. Selten hat wohl
eine Ansicht den wahren Charakter des Menschen
mehr verkannt, wie gerade diese und desbalb ist
wohl auch selten eine Lehre durch die praktische Er—
ahrung mehr Lügen gestraft worden. Wir haben
heute die Erfahrung von einem Jabhrhundert. Und
was lehrt sie? Die uneingeschränkte Fretheit bedeutet
für die wirtschaftlich Starken die Möglichkeit, die
wirtschaftlich Schwachen — und das waren
durchgehend die Arbeiter — auszubeuten und
zu verstlaven. Der Arbeiter wurde in den Großbe⸗
rieben zur reinen Nummer, die man ohne weilere
Umstände ersetzen konnte, ohne sich umn das Lebens-
chicksal eines Menschen und seiner Familie zu küm⸗
mern. Was die rücksichtslose Wirtschaft in der Praxis
füür Millionen von wirtschaftlich Schwachen bedentete,
das weiß am besten die Arbeiterschaft selbst.
Deshalb waren es auch gerade Arbeiterkreise und
Hristlich gesirnte Führer des Volkes, die gegen diese
rücksichtslose Wirkschaft im Namen der Memchlichleit
und der christlichen Ethik vorgingen. Durch die Kri⸗
kik, das ist ungerecht, das ist unmenschlich vom ethi⸗
chen Begriffe kam man durch die Not getrieben
azu, eine durch sittliche Schranken eingeschränkte
Virtschaft zu verlangen. Dies taten alle Gewerkschaf
en, wenn sie es auch micht alle offen aussprachen uͤnd
elbst theoretisch vielleicht noch die Ethik aus dem
Wirtschaftsleben erkennen wollten; denn der innere
Entstehungsgrund aller Gewerkschaften war ein sitt⸗
icher, Gedanke, nämlich der Gedanke, durch die Mocht
»es Zusammenschlusses die Rechte der Mitglieder zu
vahren und sie vor Ungerechtigkeit zu schuhen. Wer
nit der kalten Gerechtigkeit gllein kommt man im
wirtschaftlichen Loben auch nicht aus. Es muß gauch
gegenseitige Liebe, gegenseitiges Verstehen, gegenseiti
jes Wohlwollen dagu kommen. Deshalb ist der Ge⸗
Nnte der Arbeitsgemeinschaft richtig verstanden, ein
minent sittlicher. Auch in der wissenschaftlichen Ra—
rienals konomie hat sich mit Ro scher, Adolf Wang—
ner H. Pesch, um nur einige zu nennen, eine neue
ethische Richtung in der Nationalskonomie entwickelt
deren Hauptsorge nicht die Wirtschaft, d. d. das rüd
ichtslose Geldverdienen. sondern der wirtschaftende
Mensch ist.
Der Arbeiter darf nicht Objekt der Wirtschaft sein,
wie etwa das Material, sondern er muß nee der
Virtschaft sein, denn alle Wirkschaft hat doch nur den
Zweck der Menschheit zu dienen aber allen Menschen
und vor allem den wirtschaftlich Schwochen ind micht
etwa bloßs den Großfapitatisten.
Wer heute mit offenen Augen durch die Reihen
inserer Jugend geht, der wird sich eines Gefühles
»er Besorgnis nicht erwehren können. Es ist Tat⸗
ache und muß einmal offen ausgesprochen werden:
x8 gibt unter ihnen viele, die glauben. in gauerk-
chaftlicher Hinsicht auf den Lorbeeren der alten
dameraden ausruhen zu können. Diese Selbst—
äuschung wird zu einer Gefahr der Arbeiterschafit
zes Saorgebietes werden, wenn wir es nicht ver⸗
stehen, die Jugend restlos für unsere Sache zu ge—
winnen, vor allen Dingen aber wieder zu erfüllen
mit dem Kampfesgeist der unseren Gründern eigen
var.
Noch nie hat die Zukunft des Saarberabaues und
Bergmannes so trübe vor unseren Augen gelegen,
wie augenblicklich. Und wenn es je notwendig war
durch die Gewerkschaft eine starke Front zu bilden,
dann heute. Wenn wir trotzdem sehen, daß unter der
heurigen Jugend so wenig Verständnis für die Not der
Zeit vorhanden ist, wenn wir beobachten können, wie
man gerade unter der Jugend wirbt und durch Spiel
und übermäßig betriebenen Sport versucht, sie von
ihren ureigensten Zielen abzubringen, so muß uns
das ein Ansporn sein, der Art unserer Väter treu zu
hleiben und ebenso wie sie mitauarbeiten an der ideel⸗
en und materiellen Hebung imseres Standes.
Vor allen Dingen ist es notwendig, noch mehr wie
in der Vergangenheit uns in den Jugendabteilungen
»es Gewerkvereins zu betätigen. Unsere Jugendab⸗
seilungen bilden die Schulen, in denen unsere jungen
Knappen vorbereitet werden sollen für ihre Zukunfts⸗
uifgaben.
Ich möchte hier noch einmal in kurzen Worken die
Zauptziele der Jugendabteilungen des Gewerkvereins
zarlegen:
Und da nenne ich als ersten Punkt:
Die fjungen Kameraden 8 guten
Mitaliedern des Gewerkvereins
zumachen.
Ein unscheinbarer Satz, und doch ist er für die
lTufwärtsentwickelung unserer Bewegung von aller⸗
zrößter Bedeutung, denn leider haben wir auch in un⸗—
eren Reihen Kameraden, die nicht das Recht haben
auf den Titel Gewerkschaftler. Es sind nur zahlende,
nanchmal nur widerwillig zahlende Mitglieder, die
richt wisisen, daß sie die Gewerkschaftsbewegung selber
zarstellen, und daß, wenn sie nicht mitarbeiten, auch
richts erreicht werden kann.
Diese ewigen Nörgler und Kritisierer aus unseren
Reihen zu verbannen, die jungen Kameraden zu er⸗
iehen, daß sie die Gewerkschaft als ein Stück ihrer
elbst betrachten, ist die erste Pflicht der Jugendabtei⸗
ung. Die zweite Aufgabe der Jugendabteilung ist:
Aus den jungen Kameraden küchtige,
pflichttreue Männer zu machen, die zum
Wohle des Arbeiterstandes wirken und damit ihre
eigene Zukunft fördern, ferner neben der beruflichen
Fortbildung die Allgemeinbhildung der jungen Knap-
zen zu ee damit sie in der Lage sind, im spä⸗
eren Leben ihre Rechte und Pflichten auch ausau⸗-
üllen.
Die Arbeiterschaft stellt zirka 80925 der Gesamtbe—⸗
ölkerung dar, und sie ist deshalb auch in hervor⸗-
ragendem Maße berufen, überall in Staat und Ge—
meinde, in Verwaltungs- und Wirtschaftsköryern, zum
Wohle des Volksganzen mitzuarbeiten. In Versamm—
ungen, Vorträgen und Unkerrichtsfkursen der Ingend—
ebteilung werden die jungen Kameraden für alle dies
vichtigen Aufgaben geschult und erzogen.
Als weiteres großes Ziel der Jugendabteisung
nenne ich: 3. mitzuarbeiten an der Er—
neuerung unseres unglücklichen Volkes
ind Vaterlandes aufchristlich nationo—
er Grundlage.
Es gibt immes noch Kameraden, die glauben, die
hrijtlicie Gewertschafleiuegung sei mur eine große
Lobnbewegung, die nichts anderes au tun hätte, als
AIn weltberühmten Bauten
d o Stadt, nicht viel
3s drängt dich mehr zux Arbeit,
lUls hin zu Tanz und Spiel,
Ddoch birgst du, beglücken⸗
Fin Heim*) so sozial.
Sei mir gegrüßt, Saarbrücken
Mit deinem Ebrental.
50 nah aun welscher Grenze,
533 du deutschen Laut.
Vie fühlt in deinen Stätten
Man heimisch sich und kraut
Mag schwer die Zeit bedrücken,
du trägst ein heilig Mal.
Sei muir gegrüßt, Saarbrücken
Mit deinem Ehrental.
D wahr'! in alter Treue
Das heilig deutsche Gut,
Stadt, so reich umflossen
Von deuischem Heldenblut!
Fin Zweiglein will ich pflücken
Iu dir zu Lust und Qual.
Sei mir gegrühßt, Saarbrücken
Mit deinem Ehreutal.
L2. Kessinqg.
t) Gewerbschaftshaus der christlichen Gewerkschaften.
X X σœ Vσα X
konsequenzen führen. Und diese Konsequengen, die
dinder des Liberalismus, heißen Kopitalismus und
ʒgialismus.
Beide Systeme müssen innerlich durch eine Stär-
ung des sistlichen Bewußtseins und äußerlich durch
ittlich fundierte, sogialpolitische Reformen übersvrin⸗
en werden. Hierin liogt hauptsächlich die Mufgobe
der ethisch orientierten Natidnalökononnie der 31
sunft und die sittliche Erziehungsaufgabe der Ge⸗
vevkschaften, denn sittliche Pflichten hat im Wirt
chaftsleben nicht nur der Unternehmer, sondern auch
er Angestellte und Arbeiter.
Wenn aber das sittliche Leben eines Volkes itart
»edingt ist durch seine Religiosikät, dann hat der ver⸗
torbene protestantische Nationclökonont Wilheim
doscher recht, wenn er in seinem Buche: „Geistliche
ʒedauben eines Nationalökonomen“ Seite 16
chreibt: „Wie jede echte und allgemein verbreitele Re—
igiosität uns vor jeder unerträglichen Ausartun
er bestehenden Wirbichaftsverhältnisse bewahrt haben
vürde. so ist auch unter allen bisher vorgeschlagenen
deformen feine eingige, die nicht zu ihrer“ gedeih
ichen ja überhaupt mir haltbaren Durchführirng eint
neseintliche Steigerung und Verallgomeineruma ecte
deliaissität ium Volke vorausselte
Dr. J. K.
In der wissenschaftlichen Nationalökonomie hat denn
nich die ethische Richtung immer mehr an Boden ge—
wonnen und die ethisch orientierte Volkswirtichaft maß
die Wirtschaft der Zukumft sein wenn die deussche
Birtschaft und das deutsche Volk unter den ungeheu—
ren Schwierigkeiten der Gegenwart nwicht zugmnde
gehen soll. Die Gründe für den immer lauter werden—
den Ruf nach einer ethisch gerichteten Volkzwirtschaft
liegen darin, daß uwerkennbar durch den Krieg und
seine Folgen das Verantwortlichkeitsgefübbl und die
Religiösität in weiten Schichten der Bevölkerung starr
rschütlert wurden, daß das Streben der modernen
Aweiterschaft nach erhöhtem Schutz ihrer Freibeit imnd
Periöntichteit geht und daß das inimer kampligierter
verdorde Wirtjschaft sleben auch ein arblteres Verante
vortlidfeitsgefirhi vorausseut