ummer 14
ßaarbrücken, den 8. April 1922
8 Sahrgang
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Oraan des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
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cescen jeden Samsrog, für die Mitglieder aratis. — Geschäftsstelle des Saar ⸗Vergknappen.. Saarbruc
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Botenlohn, für Postabonnenten 6,00 Ml. viertetiährlich. des Bergorbeiterstandes Fernsprech⸗Anschluß: Amt Saarbrücken, Nummer 1800.
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Kultur
Das Wort Kultur begegnet uns heute sehr oft.
Besonders wir christl. Gewerkschaftler finden es viel
in unseren Zeitschriften und der Literatur unserer Be—⸗
wegung. Es wird da in Zusammenhang gebracht mit
»en Aufgaben, die die christlich-nationale Arbeiterbe—⸗
vegung zu erfüllen trachtet. Immer wieder finden
wir die Betonung, daß die christlich-nationale Arbei—
terbewegung nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch
ꝛine Kultur bewegung sein will. Demgemäß trach—
tet sie auch, Aufgaben zu erfüllen. Auch wir haben
in unserem Organ schon oft auf die Gigenschaft un—
serer Bewegung als Kulturbewegung hingewiesen.
Noch in der Nr. 110 ist vermerkt, daß ein der Vergnüge—
rei verfallener Volksteil nicht imstaände sei, eine ne ue
Venschheitskultur mitheraufzuführen. Mit Recht
schreibt uns ein guter Freund, daß wir es bei der
Prägung von Kernsätzen nicht genügen lassen dürften.
Zu diesen müßten auch die notwendigen Erläuterun—
—
has Wesen solcher Kernsätze besser erfaßten. Diesen
zraktischen Wink wollen wir so weit wie möglich be—
olgen. — Also beginnen wir mit der Erläuterung
»es Vortes Kultur.
ismus alles Geistige zum Sinnlichen, also das Höhere
um Niedrigen herabwürdigt. Wahre Kultur hebt
»urch ihre Pflege den Menschen über das Materielle,
Tierische und Sinnfällige hinaus und stärkt in allem
nateriellen und empfindlichen Elend den Geist des
Menschen, erhebt und verklärt seine Bestrebungen nach
»em Wahren, Guten und Schönen.
Kultur ist also Vervollkommnung der menschlichen
atur. Alles, was die menschliche Natur zerrüttet
ind verdirbt, verdirbt auch die Kultur. Oede Ver—
znügerei, Schundliteratur, Gottlosigkeit, Geldgier, die
n unserem Zeitalter so häßlich in die Erscheinung tritt
1. a. m. verderben die menschliche Natur und damit
ruch die Kultur. Was die Natur des Menschen ver—
delt, führt zur Kultur, fördert das Wachstum der—
elben und ist schon Kultur. Die sittlichen Naturge
ztze sind daher zugleich Kulturgeseke.
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Einige Worte zur
Schulentlassung
Mit dem Enklassungszeugnis in der Hand treten
uuch in diesem Jahre viele Kinder ins werktätige
eben. Heiter, ja oft übermütig, tkun sie die ersten
Schritte ins neue Leben, das anscheinend so schön und
röhlich, in Wirklichkeit aber rauh und ernst ist. Die⸗
es gilt besonders für die Kinder der unbegüterten
Eltern. Die Schulentlassenen sind noch sorglos, umso—
nehr sorgen sich aber die Eltern, besonders wenn es
zilt, einem Jungen das Geleit ins neue Leben zu
jeben. Die Berufswahl wird zur Qual, weil die Aus—
vahl der zu ergreifenden Berufe sehr gering ist. Nicht
ntscheidet meistens die Beantwortung der Frage:
„Junge, was willst du werden?“, sondern: „Junge,
vas kannst du, was mußt du werden?“ Es ist nicht
eicht, heute eine Lehrstelle oder eine Lohnarbeit für
einen Schulentlassenen zu bekommen. Viele Eltern
verden auch versuchen, ihre Söhne auf dem Bergwertk
zu beschäftigen. Nicht alle diese Versuche werden er—
olgreich sein, obschon sich der Gewerkverein dafür ein⸗
Jesetzt hat, daß in erster Linie dite Schulentlassenen
heschäfligung bekomen, deren Väter schon auf den
Iruben arbéeiten. Hoffentlich gelingt es recht vielen,
daß ihre Söhne auf dem Vergwerk angenommen
verden. Doch haben die Eltern ihre Pflicht noch nicht
danut erfüllt, wen sie ihrem Sohne Arbeit verschaffen,
venn sie ihm Arbeitskleider und eine Kaffeepulle kau
en. Es ift auch noch anderes zu beachten und auszu
ühren: Der Sohn muß auch Mitgalited un⸗
eres Gewerkbereins werden. Die Mit—
liedschaft im Gewerkverein ist aus viesen GKrindon
iotwendig.
Der Junge komnit fremd zur Arbeitsstelle. Banz
illein steht er in einem großen Betriebe und sieht nur
inbekannte Gesichter. Nur der Aufseher treibt ihn
ur fleißigen Arbeit; sonst kümmert sich keiner um ihn.
dann er dAber sein Mitgliedsbuch vorzeigen, dann ist
er nicht der Fremde, sondern der BPerbandskame—
a'd. Mit einem Schlage ist so die engste Verbindung
jergestellt. Alle anderen, im Gewerkverein organi—⸗
jerten Arbeiter sagen sich, der Junge gehört zu uns
ind dann wird es ihm an Hilfe und Unterstützung, die
er ganz besonders in der ersten Zeit sehr notwendig
jat nicht fsehlen. Der Unorganisierte aber wird aui
er Zeche mit Recht verachtet.
Doch nicht nur die Arbeitskameraden stellen ihr Ver⸗
jalten danach ein, ob einer organisiert ist oder, nicht.
juch die Vorgesetzt ein üben einem Organisierten
sgegenüber viel mehr Zurückhaltung. Sie wissen, wenn
je ihre Befugnisse dem organisierten jugendlichen Ar—
eiter gegenüber überschreiten, daß die Gewerkvereins⸗
ertreter den Jungen schüten werden, ja, daß unter
Imständen eine öffentliche Zurechtweisung der Beam⸗
en im Sgar⸗Bergknaphen“ erfolgen, kann. Sie
cheuen also, einem Organifierten Unrecht zu tun. Der
fnorganisierte aber wird für vogelfrei angesehen.
Der Beitritt zum Gewerkverein ist weiterhin not—
vendig, damit der junge Arbeiter auch rechtlich
Aufpräüche geltend machen kann. Ist er organi⸗
jert. dann hat er, wenn ihm Rechte beschnitlen werden,
m Gewerkverein den Anwalt, der ihm zuni Rechte ver—
jilt. Dem Unorganisierten steht ein belfender Anwalt
richt zur Seite. Er ist der Willkür de Unternehmer
uusgeliefert.
Der organisierte jugendliche Arbeite genießt aber
uuch noch andere Vorteile. Er wird in Jugendver—
amlungen, Unterrichtskursen und durch die Jugend⸗
chriften des Gewerkvereins mit der Gefährlichkeit sei—
rer Arbeit vertraut gemacht, und wer die Gefahren
des Bergbaues kennt, kann sie auch sehr oft umgehen.
Wenn ihm aber wirklich einmal ein Unfall zustoßen
sollte, dann sorat die vortreffliche Rechtsschuseinrich-
ung des Gewerkvereins dafür, daß dann auch seine
Interessen gewahrt bleiben. Hat doch der Gewerkver⸗
in im vergangenen Jahre ollein Unfallinvaliden in
ehr vielen Fällen eine Unfallrente erstritten, oder eine
Berkürzung der Rente verhindert. Ueber 430 134,49
Mk. mußten im vergangenen Jahre Unfallinvaliden
oder Hinterbliebenen auf Betreiben des Gewerkvereins
in bar nachbezahlt werden, Kann nicht auch dem Sohne
, di Unfall passieren? Dem Unoraonisierten aber
dilf einer
—
80 'u sagst, der Himmel ist trüb und grau,
7 Schaust du zu den dunklen Wolken empor —
* Der In we ist ewig rein und blau,
8 Dein Auge umhüllet der trübe Flor.
du sagest, daß Glück und Segensmilde
zon deinem armen Herzen zog 5—
Vie gleicht dein Herz dem Wolkenbilde,
Das Sonn' und Sterue hinweg dir log!
Wir finden vielfach, daß die Begriffe Kultur und
Zivilisation oder Kultur und Bildung als Gleich—
rtiges gebraucht werden. Das ist falsch. Das We—
en der Kultur unterscheidet sich grundsätzlich von dem
der Zivilisation. Beispielsweise ist ein zivilisierter
Mensch nicht immer auch ein kultivierter Mensch. Es
degegnen einem oft Menschen, besonders in dem jetzi—
gen Hochzeitalter der Zivilisation, die äußerlich
aAlle Merkmale eines zivilisierten Menschen zeigen, d.
h., nach der neuesten Mode gekleidet sind, die Finger
»oller Ringe tragen, ein geschliffenes und glattes Be—
rehmen zeigen — mit einem Worte „gebildet“ erschei—
nen, und doch keinen Hauch von Kultur in sich haben.
scohe, unflätige Redensarten, grausame Rücksichtslosig—
keit gegenüber den Mitmenschen, Herabwürdigung des
Frauenktums zum bloßen Befriedigungsmittel, das sind
Merkmale der inneren Verfassung, die nur zu oft
bei der Menschensorte sich äußern, die von außen be—
sehen den „zivilisiertesten“ Eindruck machen. Solche
Beispiele ließen sich viele anführen, die den Wesens—
unterschieb von Kultur und BVipilisation drastisch dar—
un.
Zei stark, wenn Wetter dich umdroh'n;
Zer trostlos an kein Glück mehr glaubt,
der ist ein Sklav', ihm beuget schon
zin Nebelstreif das feige Haupt.
zum Retz wird uns ein Spinngewebe,
zu nah' dem blöden Aug' gerückt —
ils freier Mann den Blid erhebe,
Zelbst noch in Not und Tod beglückt!
J. Hammer.
IV I An — J
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Kultur ist Vervollkommnung der Natur,
Aso Fortschritt und Wachssstum. Jede fortschreitende
ewegung muß Gesetze haben, genau so wie das her⸗
mwachsende Vienschenkind einen guten Führer, die
hor falschen Wegen bewahren, die richtigen Wege und
as richtige Ziel zeigen. Wegen der Vielstrebigkeit der
nenschlichen Natur müssen diese Gesetze a Uge;-
neine Geliung haben. Sodann müssen sie bin-
Zend sein, um Abirrungen durch Gebote und Verbote
u verhindern und müssen weg we isend sein in den
rei Grundbesziebungen der menschlichen Natur zu
voit, zum Nebenmenschen und zur materiellen Welt.
Zolche Gesetze kann kein noch so sprühender Menschen-
vitz oder eine Wissenschaft aufstellen, das Fundament
ür den Riesenbau der Menschenkultur kann nicht ein
srmer schwacher Mensich sein, sondern nur der, der
esprochen hai: „Ich bäͤnder Herr 10 Und dieses
Fundament der Menschenkultur, die Gesetze für« die
nenschliche Natur, hat er niedergelegt unter
zriß'und Donner in seinen den Men—
Hengegebenen 10 Geboten. —
Der hervorstechendste Wesensunterschied zwischen
Kultur und Zivilisation ist der, daß Kultur etwas Or—
ganisches, etwas Lebendiges ist, das aus den Her⸗
zen der Menschen wächst, während Zivilisation et—
vas Mechanisches, an sich Totes ist, das der mensch—
liche Verstand macht. Also Kultur kann man nicht
mir nichts dir nichts machen, sondern die muß orga—
nisch wachsen. Seinem tiefschürfenden Schriftchen:
„Der Dekalog, die Grundlage der Kultur“ (Herder⸗
Verlag), setzt P. Bernhard Duhr als Motto folgenden
Ausspruch des Erzbischofs Faulhaber voraus: „Die
Seele der Kultur ist die Kultur der Seele.“ Wer
also die Kultur fördern will, muß vor allem das In-
nenleben der Menschen zu pflegen trachten.
Das Wort Kultur besagt nach P. Duhr, dem wir in
Nachstehendem folgen wollen, begrifflich Pflege, und
zwar sorgsame Pflege, also Vervollkommnung. Die
Menschlichkeitskultur ist demgemäß sorgsame Pflege,
Vervollkommnung der menschlichen Natur, und zwar
der ganzen menschlichen Natur und aller ihrer Fähig-
teiten. Die erhebliche Pflege der Vervollkommnung
der menschlichen Natur ist Gegenstand (Objekt) und
zie soziale Vielheit, die Gemeinschaft oder Gesellschaft,
zie an dieser Vervollkommnung teilnimmt, Person
ESubijekt) der Kultur. Die soziale Vielheit verlangt
Vervollkommnung für alle Lebensgebiete ihrer
Slieder, der einzelnen Menschen, und zwar Vervoll⸗
kommnung in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, sozia—
ler und religiöser Beziehung. Wird eine dieser Stu—
fen einseitig ausgebant, so entsteht die Ueberkultur
die zur Unkultur werden kann, genau so wie Barba—
cei, die eine Verneinung der Kultur ist, was wir im
Kriege zur Genüge erfahren haben. So wie die Bar—
harei den Menschen auf die Stufe des Tieres herab—
drückt, so kann auch die Kultur des Materialismus,
der keinen Gott anerkennt, keinen der Menschennatur
enAnrechenden Fortschritt bringen. weil der Materio⸗
Jet werden die Kameraden begriffen haben, warum
in in Vergnügerei ödester Art versinkendes Volk
eine neune Menchheitskultur mit heraufführen kann.
Fawohl, eine ane ue Menschheitskultur mußz wie der
dachsean Und wir in der christlichen Arbeiterbewe.
sung Tätigen müssen das Wachstum för dern und
flegenhelfen.“ Eine im Materiellen aufgehende
zeitepoche hat die menschliche Natur verdor ben,
at war Palaste in ůppigstersufmachung erstehen, aber
leich daneben lebendige Menschen in Mietskasernen
beifter Art und ekelhaflen Kellergeschossen ver bom⸗
nen lassen. In dieser Zeit, in der die Zivilisation,
ie tote Neußerlichkeit, immer höher stieg, wurde mit
em Verderben der menschlichen Ratur, auch
ie lebendige Pflanze Kultur verdorben.
veil der Boden verschültet wurde, aus dem
zie Kullur zu ihrem Wachsen die nährenden Kräfte
iehen muß. Der Boden, von dem aus
bahre Külturwachsen kann, ist das Men—⸗
chenherz, das in all seinem Tun und
zaslsfen die Gebote des Ewigenbeachtet