Saarorilcken, den 18. Nobember 1923
* —
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
een jeden —* ft die Mitalieder gratis — FJar wirtschaftliche u. geistige HSebung Geschaftsstelle des — 5 Saarbrũden *
—*— di dj — des Bergarbeiterstandes — * Runemer 1630.
Nunmer 46
Sadyrgang *
Von Heinrich Rürup.
Vielfach begegnet man in den Kreisen, die der
Gewerkschaftsbewegung etwas ferner stehen, der
Ansicht, die einzige Aufgabe und der alleinige Zweck
der Gewerkschaften sei die materielle Lage des
Arbeiterstandes zu verbessern. Auch bei manchen
werktätigen Kameraden ist diese Meinung vorhan—
ben. Und doch ist eine solche Anschauung unzutref
fend. Gewiß haben sich die christlichen Gewerkschaften
in erster Linie die wirtschaftliche Hebung der Berufs
genossen zum Ziel gesetzt. Aber nicht als Selbst
zweck, sondern als Mittel zum Zweck. Der End-
zweck liegt in der gesamten kalturellen
Höherstellung der arbeitenden Bevölkerung.
Die materielle Hebung soll erfolgen, damit sich der
Arbeiterstand eine soziale und gleichberechtigte Pofi-
tion im Wirtschaftsleben schaffen kann, für die er
gleichzeitig geistig herangebildet wird. Dieses ist in
unserem heutigen demokratischen Zeitalter mit
einen Arbeitsgemeinschaften, Selbstverwaltungs⸗
körpern usw., und den dadurch bedingten vielen und
großen Aufgaben, notwendiger als je.
Zudem ist eine materielle Hebung auf die Dauer
ohne geistige Hebung nicht möglich. Letztere ist erfor—
derlich um die mannigfaltigen Vorteile, welche die
Gewerkschaftsbewegung auf wirtschaftlichem Gebiet
erringt, nutzbringend und segensreich zu verwerten
Das materielle Streben gewährt nur dann Vefrie—⸗
digung, wenn daneben auch eine Pflege der geistigen
Interessen und eine Veredelung der inneren Men—
schen erfolgt. Materielle und geistige Hebung müssen
daher Hand in Hand gehen. Ein Mensch, der aus
Not und Sorgen nicht herauskommt, wird an seiner
Geistes- und Gemütsbildung nicht so arbeiten können,
wie dieses notwendig ist. Sobald aber einigermaßen
zufriedenstellende Löhne und Arbeitsverhältnisse vor-
handen sind und durch eine entsprechende Arbeitszeit
—
würde zu besinnen, findet er auch mehr Zeit zu hohen
und edleren Bestrebungen
rung, besonders der neuangelegten, sog. „berg
fremden“ Arbeiter über die Schlagwetter und Koh
tenstaubgefahren verlangte und hierzu praktisch
Vorschläge machte, die von den maßgebenden Instan⸗
zen der Gesetzgebung aufgegriffen und verwirklich!
worden sind. Auch auf dem sonstigen Gebiet de
Brubensicherheit war das Organ des Gewerk
vereins bahnbrechend. Viele zweckmäßige und segens
reiche Einrichtungen und Maßnahmen sind seine:;
Anregung zu verdanken.
Es bleibt daher nicht aus, daß der „Bergknappe
auch in Nichtbergarbeiterkreisen weitgehendste Beach
tung findet und man auf sein Urteil großen Wer!
legt. Diese Tatsache muß die christliche Bergarbeiter
schaft anweisen, noch nachdrücklicher als bisher fin
die weitere Verbreitung des „Bergknappen“ einzu
treten. Dieses ist auch deshalb notwendig, weil der
elbe ferner stets den Mißständen auf den Ar—.
ꝛeitsstätten der Kameraden energisch und sachlich zu
deibe ging; eine Tätigkeit, die besonders unter dem
alten Regime der Redaktion mehr wie ein Dutzend—
nal mit dem Strafrichter in Berührung brachte
Auch heute noch ist der „Bergknappe“ bei der Ver—
zesserung der Bergarbeiterinteressen nach jeder Rich
ung hin stets in der ersten Linie zu finden.
Der Gewerkverein steht dann ferner auf dem
Standpunkt, daß die große Masse des Volkes, also
auch die Arbeiterschaft, ein Recht darauf hat, Zugang
zu den Stätten des Wissens und der Kultur zu be—
kommen, wie sie sich in Museen, Ausstellun«
gen und dergl. darbieten. Auch der Vesuch von
Plätzen und Naturschönheiten und der Besuch von
bedeutenden technischen Einrichtungen, muß hier
erwähnt werden. Letzteres ist besonders dann von
Wichtigkeit, wenn auf solche Weise den werktätigen
Kollegen das Verständnis eröffnet wird, hier große
Werke des menschlichen Geistes zu bewundern und
zu verstehen, die er im täglichen Leben stets oder doch
ͤfter voe Augen hat, die vielleicht in den Ktrreis des
Berufslebens fallen, an denen er aber sonst teil—
nahmslos vorübergeht. Erst wenn unsere öffentlichen
Kunstdenkmäler jeglicher Art durch sachverständige
Erklärung dem Volke nähergebracht sind, sprechen sie
zum Verstand und Gemült des Volkes und erreichen
erst dadurch ihren Zweck.
Zusammenfassend sei am Schlusse nochmals betont
daß sich der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter
steis verpflichtet gefühlt und mit Erfolg bemüht hat.
der Bergarbeiterschaft einen großen Anteil an den
Kulturgütern unserer Zeit zu verschaffen, eingedenl
der Tatsache, daß Kultur Veredlung der gei—
stigen und sittlichen Anlagen und Be—
dürfnisse, sowie Veredlung der Lebenshaltung
bedeutet.
Die mit Naturgewalt aufquellende Sehnsucht und
Zebung der wirtschaftlichen Lage und der gesellschaft—
üchen Lebensstellung im Arbeiterstande ist sehr zu
begrüßen, da ihr Siel eine höhere Anteilnahme der
breiten Schichten der Bevölkerung an den Errungen
schaften der Kultur bedeutet. Eine solche Anteilnahme
ist nur bei steigender geistiger Bildung möglich. Des
halb wird auch der Gewerkverein seinen in der Bil—
dungsarbeit beschrittenen, bewäöhrten und erfolg.
reichen Weg zielbewußt weitergehen.
Bei der Herausgabe des Vereinsorgans allein hat
ꝛs aber die Gewerkvereinsleitung nicht bewenden
assen. Ein Rückblick auf die letzten 25 Jahre zeigt
velch eine gewaltige Bildungsarbeit
wuch sonst noch geleistet wurde, murd wie
zer Gewerkverein immer bemüht war, seine Mit—
glieder geistig vorwärts zu bringen. Es sei deshalb
aur auf die äußerst reichhaltige Gewerkvereins—
literatur hingewiesen. Angefangen bei dem um—⸗
'assenden, 720 Seiten starken Werk des Kameraden
deinrich Imbusch „Arbeitsverhältnis und Arbeiter
organisationen im deutschen Bergbau“, bis zu den
anderen zahlreichen Broschüren, Schriften und Flug—
hlättern dez Gewerkvereins, begegnen wir überall
dem ernsthaften Bestreben der Leitung, den Mitglie—
dern Bildung und Wissen auf den ihnen naheliegen
den Gebieten zu vermitleln.
Nicht nur die einzelnen Zahlstellen sollen die
Fewerkvereinsliteratur zum eisernen Bestande ihrer
Bibliotheken machen, sondern auch in keinem
Bergarbeiterhaus halt dürfen diese Bücher und
Zchriften fehlen. Wie sich in der Zahlstelle durch eine
jut ausgestattete, fleißig benutzte Bibliothek ein reges
jeistiges Leben entwickeln kann, so ist auch für die
janze Familie die Hausbibliothek von großem Wert
Insbesondere sollen hierdurch die heranwachsenden
Söhne mit der Interessen- und Ideenwelt des Vaters
oertraut gemacht werden. Gewiß braucht der Arbeiten
nicht zu studieren als solle er ein Gelehrter werden
aber wie der Körper, wenn er gedeihen soll, regel
mäßig seine Nahrung fordert, so auch der Geist. Dar—
um darf keine Woche, kein Sonntag vorüber gehen
wo nicht für die Bereicherung der geistigen Kennt
nisse gesorgt wird. Eine gute Vereins- und Haus
bibliothek ist zudem auch das beste Mittel zur Be
kämpfung der Herz und Gemüt vergiftender
Schund- und Schmustzliteratur.
Als Mittel der geistigen Weiterbildung bietet sich
aicht allein das geschriebene, sondern auch das
vesprochene Wort dar. Dieses letztgenannte
Mittel ist vom Gewerkverein ebenfalls stets ange
vandt worden. Es sei nur an die zahllosen bildenden
und belehrenden Vorträge, zum Teil mit Licht gameraden! Ein Bild aus dem Leben wie geschaffen
bildern, in Versammlungen und KHonferenzen erin für einen Vergleich mitunserer Gewerr
nert. Auch an der Frage der fachwissenschaftlichn haftsbewegung. Auch für uns ist es gut
Experimentalvorträge ist der Gewerkverein nicht venn wir im Herbst, wo wie uns für die Winer.
achtlos vorbeigegangen, wie dieses ja die Aachener arbeit rüsten, einen Kücblicx werfen und Umschau
Beneralversammlung bewiesen hat. halten, was wir geleistet und was wir geerntet haben
Ferner seien die gutausgebanten Unterrichts Der Winter steht vor der Tür, unsere Bewegung soh
kaurfe erwähnt, die den Unterrichtsgegenstand aus neu belebt werden. Tausende von neuen Veitarbeitern
führlich systematisch behandeln. Auch für die Teil müssen wir gewinnen und da ist es notwendig, daß
nahme der Mitalieder an Volksunterhal-swir uns nochmal vor Augen führen, was wir eigent.
tungsabenzde;, wo hauptföchlich die Werke der lich geleistet haben. Und merkwürdig, auch wir fin—
Zunst zur Gestung kommen, ist der Gewerkverein den, daß das eine Jahr uns mehr Erfolge wie ba
stets eingetreten Andere qebracht hat
Aus den vorstehend dargelegten Erwägungen her⸗
us ist in Gewerkverein christlicher
Bergarbeiter der Bildungsarbeit von Anfang
un große Aufmerksamkeit gewidmet worden. „Für
virtschaftliche und geisst ige Hebung des Bergarbei—
terstandes!“ das ist der Wahlspruch, der am Kopfe
»es Vereinsorgans den Kameraden Woche für Woche
mmer wieder vor Augen tritt. Er ist die Richtschnur
nach der bisher stets die Gewerkvereinsarbeit ziel⸗
bewußt vor sich ging und dieses auch in Zukunft tun
wird. Naturgemäß muß der Gewerkverein in der
Hauptsache die gewerkschaftliche Bildungs—
arbeit pflegen. Dabei kommt aber auch die berufliche
und fachtechnische, sowie die allgemeine Bildung nicht
zu kurz. Als hervorragendstes gewerkschaftliches
Bildungsmittel sei zunächst das Vereinsorgan Der
Bergknappe“ erwähnt. Dasselbe soll und bwill
ein getreues Spiegelbild des gewerkschaftlichen Lebens
in der Organisation sein; ein Organ, aus dem der
Pulsschlag der Bewegung auf das Genaueste zu ver—
nehmen ist. In dem Gewerksch, itsblatt wird die
Emnofindunaswelt des Arbeiters dargestelst. Es
wird von Leuten geschrieben, die selbst die Röte und
Beschwerden des Arbeiterstandes von der Pike auf
kennengelernt haben; die wissen, wo dem verufs.
kollegen und seinen Angehörigen der Schuh drückt
Das Aufgabengebiet des Vereinsorgans ist
ein außerordentlich großes. Es würde an dieser Stelle
zu weit führen, das des Näheren darzulegen. Kurz
betont sei Ser nur, welchen Anteil der Bergknappe“
an der BSusgestaltung des bergmännischen
Bildungswesens im allgemeinen und an der
Errichtung, der bergmännischen Fortbildungs?
schulen im besonderen hat. Auch die Fachtech
nik bhat dem Gewerkvereinsorgan infoige seiner
planmäßigen und verständnisvollen Forderung vieles
ut verdanken.
Von jeher trat der „Bergknappe“ für eine qute
Fach- und Berufsbildung der Bergarbeiter ein. Er
var der erste, der eine RUfkzläruna sund Beleb—