Full text: Der Saarbergknappe (3 [1922])

Samstag, den 14. Oktober 1022. 
hen hinaus liegen vollständige Angaben auch für die 
ses Jahr nicht vor. 
Bergmeister Moser muß eine Steigerung der Un— 
älle zugeben. Sie seien gestiegen, „weil zur Ver— 
meidung unberechtigter Ansprüche, auf die Anzeige 
auch jedem weniger bedentenden Unfalles gehalten 
wurde“. Damit will Herr Moser behaupten, daß im 
vorhergehenden Jahr die Zahl der Unfälle in Wirk— 
lichkeit größer gewesen sei. (Wir raten unseren Ka— 
meraden, aus eigenem Interesse, jeden Unfall, auch 
den kleinsten, anzumelden, damit sich bei später aus 
dem Unfall ergebenden Schädigungen keine Schwie— 
rigkeiten bei der Stellung eines Entschädigungsan— 
spruches ergeben.) Auch für das Jahr 10921 berichtet 
Moser von 19 gerichtlichen Bestrafungen wegen Ueber— 
tretung der bergpolizeilichen Verordnungen. Die Höhe 
der insgesamt gestellten Strafanträge ist auch in die— 
sem Jahresbericht nicht angegeben. Obschon nach der 
gesamten Angabe 1311 Unfälle polizeilich untersucht 
wurden, haben die übrigen Beaniten Mitteilupgen 
über gerichtliche Bestrafung von Arbeitern nicht zu 
machen. Einzelne Berichte enthalten auch Angaben 
über die Zahl der vorhandenen Reitungsapparate. Eine 
Uebersicht zu geben, ist infolge der fehlenden Angaben 
einiger Reviere nicht möglich. (Ist hier alles in Ord⸗ 
nung? Diese Frage müßte auch beantortet sein. Man 
ist ja ziemlich fix, Arbeiter wegen angeblicher Ver— 
sehlungen mit dem Strafrichter in Berührung zu 
bringen. Dieser Eifer müßte auch nach der anderen 
Seite hin an den Tag gelegt werden.) 
Tätigkeit der Sicherheitsmänner und Arbeiter— 
ausschüsse. 
Interessant sind die Angaben über die Tätigkeit der 
Sicherheitsmänner und Arbeiterausschüsse. Fene 
ster Moser berichtet für 1920 über deren Tätigkeil 
nichts. Sehr bezeichnend. Kirst meldet für 1820 
„Die Sicherheitsmänner haben, wenn sie durch Krank. 
heit nicht verhindert waren, ihre Befahrungen regel⸗ 
mäßig ausgeführt und die entsprechenden Eintragun— 
gen in die Fahrbücher gemacht. Ihre Tätigkeit gab 
im Allgemeinen zu Klagen keinen Anlaß.“ Für 1821 
herichtet der gleiche Beamte: „Mit der Einrichtung 
der Sicherheitsmänner wurden auch im Errichtsjahi 
keine besonderen Erfahrungen gemacht. Sie haben 
wenn sie nicht durch Krankheit verhindert waren 
monatlich zweimal ihre Abteilungen befahren. Ein— 
tragungen in die Fahrbücher, welche zu Beanstandun⸗ 
gen und besonderen Befahrungen Anlaß geben konn— 
ten, sind nicht erfolgt.“ Aehnliches berichtet auch 
Bergmeister Herb für die beiden Jahre. Wq in sei— 
nem Revier sind Eintragungen seitens der Sicher— 
heitsmänner, die ein Einschreiten der Bergbehörde 
erfordert hätten, nicht erfolgt. 
Bergmeister Kern teilt für 1920 mit: „Der Ar 
deiterausschuß hatte im Berichtsjahre auf Berginspek 
tion Vneine (H) Sitzung, auf Grube St. Ingbert 
deren zwei. Den vorgebrachten Wünschen wurde nack 
Möglichkeit entsprochen. Die Tätigkeit der Sicher— 
heitsmänner bestand hauptsächlich in zweimaliger Be 
fahrung der einzelnen Steigerabteilungen, sowie Be— 
fahren von Unfallstellen und gab zu Klagen keiner— 
tbei Anlaß. Die Eintraagungen in die Fabrbücher er 
In unsere Jugend 
Von Hermann Stillemunkes, Wiebelskirchen. 
Um die Notwendigkeit' des Bestehens der gewerkschaft⸗ 
lichen Organisation einzusehen, muß man immer wieder 
an jene Zeit erinnern, wo keine Arbeiterorganisation 
vorhanden war. In dieser Zeit standen die Arbeiter im 
Wirtschafisgetriebe rechtlos und machtlos da, waren der 
kAusbeute des Kapitalismus ausgesetzt. Die Rufe nach 
Freiheit im Wirtschaftsleben, die im Anfange des vorigen 
Jahrhunderts erhoben wurden, hatten ihre Wirlung im 
praktischen Wirtschaftsleben nicht berfehlt. Man ließ Macht 
vor Recht gehen und mußte das ein blühendes Voiksleben 
vergiften. Großer Egoismus griff in Kreisen der Wirt— 
schaftsbesitzer Platz. Daraus ergab sich die Urfache aur 
Arbeiterbewegung. 
Unter der steigenden Bedeutung des Arbeiters für die 
Wirtschaft und die Gesamtheit, tal sich die Masse der Ar⸗ 
beiter zusammen, um so ihre Interessen wirksamer vertre 
en zu können. Mancher Arbelter glaubt heute, die Arbei 
terschaft käme auch ohne eine derartige Bewegung aus 
Aber dies bann nur ein Blinder sagen, der die Geschichte 
der Arbeiterbewegung nicht kenrnt und die Ursachen, die zu 
hrer Entstehung geführt haben. Sobald er sich Einblick 
zu die Geschichte der Arbe iterbewegung verschafft, so muß 
er zu der Ueberzeugung lkommen, daß ohne gewerkschaft. 
sichen Zusammenschluß der Arbeiter heute gar nich 
mehr außskommen kann. Ich erinnere dabei nun 
an die Vorgänge der RMer Jahre. Sobald der Rechts schutz 
perein in Triunmer ging, eine Arbeiterbewegung nich 
mehr bestand, sank die Arbeiterschaft in ein noch schlntme 
res Abhängigkeitsverhältnis wie früher zurück, mußte 
sahrelang unsägliche Not und vieles Elend hinnehmen. So 
ãhnlich geht es auch heute noch in Ländern, wo eine ge 
werkschaftliche Organisation fich noch nicht durchgesetzt ha⸗ 
oder wo durch politisch verwirrte und sanatisierte Menschen 
eine Zersplitterung der Gewerkschaftbewegung erfolgt. Un 
rählige Tatsachen nnde man cniühren um dies 4zu be— 
Der SaarBergknapper 
folgten regelmäßig und lauten immer: „Alles in Ord 
rung und nichts besonderes vorgefunden.“ (1) Ein— 
deberwachung der Förderung durch Vertrauens 
nänner hat nur an 6 Tagen auf Grube St. Ingber! 
tattgefunden.“ Für 1921 lautet der Bericht diese⸗ 
Beqamiten ähnlich, nur daß hier neu berichtet wird, daß 
die beruns durch Wagenkontrolleure überwach 
wurde. 
Die Bergmeister Groß und Busse wissen von den 
Arbeiterausschüssen und Sicherheitsmänner gleich Mo 
ser nichts zu berichten. Dagegen meldet Groß für 
1921: „Der größte Teil der Belegschaft gehört dem 
Bewerkverein christlicher Bergarbeiter und dem Ver * 
dande der Bergarbeiter Deutschlands an. Beide Or 
eeg hen he * —8 —A n 
erversammlungen fanden mehrfach statt.“ Na ufft ft rage 
„‚sind die Belegschaften hauptsächlich in den beiden Or Regelung wadregthher 3 gen 
janisationen Bergarbeiterverband und christlicher Ge n der 3 
verkverein organisiert. Die von diesen abgehaltener Auf Anregung des Bezirksvorsitzenden Herrn Berg 
Mitgliederversammlungen verliefen in Ruhe und Ord assessor Müller aus Glanmünchweiler, versammelten 
nung und waren nicht von besonderer Wichtigkeit. sich am Sonntag, den 24. September fämtliche Ar⸗ 
Ist denn Herr Busse Mitglied beider Verbände, daß heitgeber der pfalzischen Gruben und unterirdischen 
er sogar über Mitgläeder versammlungen gut un Kaltsteinbrüche zweds Beratung betr Gründune 
terrichtet sein will? Oder hat er das vom —— Knäppschaftstrankenkasse. 
agen“? Waos versteht er unter „besonderer Wichtig. Es nahmen an der fraglichen Sitzung auch Vertreter 
eit ‚SBergmeister Winterscheidt hat „über die Ta der gehcertschalttlzhen Bigan saneen sne nüch, 
tigkeit der Arbeiterausschüsse und Sicherheitsmänne Knappfchaftsaltesten von Grube Sieinbach deil. 
— Ans dem Bericht des Vorsitzenden war zu entneh 
An diesem Teil der Berichte frappiert uns der von me daß die Vorbereitungen soweit gediehen find 
den Sicherheitsmännern bei allen Befahrungen ins doß mit dem 1. Oktober do Is. die pfälgische Knapf- 
Fahrbuch eingetragene Vermerk: „Alles in Ordnung sschafistrantenkasse errichtel werbentönne,Er 
und nichts besonderes vorgefallen.“ Damit sind die geht dadurch ein langgehegier Wunsch der pfalzischen 
wien saen ee eben Me —* Vvergarbeiter in Ersultung. 
ang zu bringen. Wir erinnern nur an die stehende er 
Klage betreffend Holzmangel. Uns bleibt dieser stän— sadn ueeede Verdeer 3 Inin 
dige Vermerk, gelinde gesagt, unverständilich durh 9* 8 34 —t5 
T 44 erklärten sich die Arbeitgeber, soweit sie eine größere 
Es wäre tatsächlich notwendig, wenn die Sicherheits Zahl von ibeitern beschafsgen berein den Schunege 
männer sich mal allen Ernstes etwas eingehend auf —— ——— Ma 
ihre verantwortungsvollen Pflichten besinnen würden Iin ans Pensionaren, Witwen und Waisen die 
Arbeiterangebot und Nachfrage. schwierige Lage etwas zu erleichter, wurde beschlossen, 
„Das Angebot an Arbeitern war größer als die einen weiteren Betrag von 2.50 Mark pro Woche an 
Nachfrage.“ Diese gleichlautende Formel hrachtendie Knappschaftskasse zu zahlen. 
alle Revierbeamten hinsichtlich des Andranges —*5*4 Es agiet sich dennoch die Möglichkeit, eine monat 
ener und Jugendlicher zur Bergarbeit. Vor allem! liche Zulage sür Invaliden in Höhe von 180 Wark, 
vurde für 1921 ein großer Rückgang in der Veschäf, für Witwen von 125 Mark, für Halbwaisen 70 Mari 
tigung Jugendlicher festgestellt. Der Rückgang in und für Ganzwaisen von 100 Mark neben der ordent⸗ 
der Zahl der jugendlichen Arbeiter ist hauptsächlick lichen Pension zu zahlen. 
darauf zurückzuführen, daß Neuanlegungen einge,, Wenn auch diese Zulage keinen Ausgleich gegenühen 
schränkt und daß ein Teil der bereits in Arbeit stehen der Teuerung schafft, so ersehen wir doch wie die hie 
den Jugendlichen bei, Vollendung des 16. Lebensjah in Frage kommenden Kreise sich bemühen, das Los 
res in die Schlepperklasse aufrücken“, wird überein. der Altpenfionäre zu erleichtern. 
stimmend berichtet. Gerade diese Angelegenheit bedarf gang besonderen 
Die Gewährung von unverzinslichen Darlehn zum Bearbeitung von Seiten der Organisation und wird 
Bau von Vergmannswohnungen isi in Wegfall ge 8, durch Zusammenarbeit von Oryanisation, Ar— 
kommen. Dafür haben aber die Grubenverwaältungen beiterschaft und, Werksverwaltung möglich wenden 
selbst den Bau von Arbeiterwohnungen in Angarif hier manche Verbesserungen noch zu ersielen. 
genommen. 
Kirst gibt die Zahl der wegen Absatzmangel einge 
egten Feierschichten für 1921 mit 23 an. 
Unterstützungskassen und Wohlfahrtseinrichtungen. 
„Auf allen Gruben bestehen Unterstützungskassen 
in welche die Ueberschüsse aus der Kasseeküche, nich 
Aus dem Bericht der deutschen Knapp⸗ 
schafts⸗Berufsgenossenschaft 
Nach dem Verwaltungsbericht der deutschen Knapp— 
ichafts⸗Berufsgenossenschaft, der Trägerin der reichs— 
räfltigen. Schon die Motive, die die Arbeiter zusammen- 
geführt haben, sagen es klar und deutlich, daß ohne gewerk 
chaftliche Organisation der Arbeiter seine Interessen nich 
vertreten kann, wie es sein muß. Niemals wird eine Ar— 
beiterbewegung an dem Ziele angelangt sein, 
inimer neue Aufgaben werden sich ihr erschlietzen. Es 
ist aber unbedingte Notwendigkeit, die Arbeiterbewegung 
ihrem Ziele entgegen zu führen, andernfalls die Be— 
wegung in sich gehemmt, wenn nicht sogar zurückgeworfen 
wird. Hat der Arbeiter von heute nicht so unendlich vieles 
der gewerßschastlichen Organisation, die doch die Trägerin 
der Arbeiterbewegung ist, zu danken? Die Arbeiter woll 
ten aus dem materiellen Elend hevaus, wollten freie poli 
sche Betätigung und Teilnahme am Kulturleben. Sie 
vollten sogiale Gleichberechtigung gegenüber anderen 
Siänden. Die erstrebtden seit Jahren die gewerkschaftlichen 
Organisationen, vieles ist erreicht worden. Doch es gib 
heute noch Phantasten, die entgegen dieser klaven Tatfach 
agen, auch eine Organifation würde an der Befferstellung 
owie Höherbewertung des Arbeiterz nichts ändern. 
Welch große Aufgabe spielt fich ab, alle in schon in de 
Wahrnehmung des Lohninteresses der Arbeiter 
chaft?! In der Lohngestaltung prägt sich die Lage des Ar 
beiters aus. Arm und hilflos ist der moderne Industrie 
arbeiter in die Geschichte eingetveten. Um seine Freiheil 
kümmerie sich niemand. Wir armselig sah es in früheren 
Zeiten in der Arbeiterwohnung aus?! Die Industrie reckte 
sich enpor — auf Kosten des Arbeiters. Der Staat wurde 
groß, aber im Innern war er saul und morsch. Die Ar 
beitsfreude war bei solchen Zuständen gering. Der Arbei 
hatte man den sittlichen Wert genommen, sie ihres Adele 
entkleidet und zur Ware herabgedrückt. Die Indurstie ginc 
von dem verkehrten Grundsatze aus: „Je weniger der Ar 
beiter verdient, desto mehr arbeitet er.“ Es wuchs darauẽ 
xoße materielle Not, gesundes Familienleben wurde zer— 
stört und wurde so der Lohnfrage der soziale Stempe' 
aufgedrückt. 
Hier mußbden auch die Gewerkschaften zuerit einsetzen 
Mit einer bewundernswerten Zähigkeit arbeiteten di 
christlichen Geweveichaffken aquf eine dgesunde Medgelung des 
Lohnverhältnisses im Tarifvertrag hin. Damit wurde 
die Willkürherrschaft des Kapitalismus gebrochen. Das 
Bedeutungévolle des Tariftwesens liegt nicht nur in der 
Höherbemessung des Lohnes, in der Anerkennung der 
GSleichberechnigung, nein, es drückt sich darin die wirtschaft— 
liche und soziale Höherbewertung der Leistung des Ar— 
beiters aus, der nicht mehr bloß Mittel für die Zwecke 
anderer ist, sondern Ertragsschaffer aus freiwilliger Mit⸗ 
wirkung. Der Arbeiter ist also geworden, lieber, junger 
Freund, was unsere christliche Sozialauffassung stets wollte 
und erstrebte, Gehilfe des Unternehmers- Damit ist eine 
Grundlage geschaffen, von der aus die Arbeiisfreud⸗ 
wachsen muß 
Aber nicht bloß das, lieber, junger Freund, die Gewert. 
schaft hat damit auch Verpflichtungen und Ver— 
antwortung für die Arbeiterschaft übernommen. Es 
ergibt sich die Nowendigkeit der Gewerkschaft, mitzuwir⸗ 
ben, daß das Unternehmen den im Tarif festgesetzten ver⸗ 
teilbaren Ertrag für die Arbeiter auch abwirft. Das 
Unternehmen muß sich also ventieven. Hier liegt die 
Grenze, wo das Ertvagsbegehren der Gewerkschaft Rück- 
sicht nehmen muß. Unterläßt sie dieses, so untergräbt fie 
sich ihre eigene Stellung. Also wird die Gewerkschaft da—⸗ 
mit zu einem Organ der Vol?2wirtschaft. Sie hat 
dadurch das Recht erworben, in die großen Fragen des 
Gewerbes und der Wirtschaft gesvaltend einzugreifen. 
Siehst du also, junger Freund, jetzt wirst du nicht mehr 
behaupten lönnen, die Gewerkschaften hätben keinen Ein—⸗ 
fluß auf die Besserftellung des Arbeiterstandes. Zuersl 
siehst du den Arbeiter arm und verlasfen, der Willkür aus 
geliefert, jetzt aquf einmal Mitbeftimmungsrecht im gangen 
wirtschaftlichen Leben. Es erfolgt dadurch das Wieder 
erwachen der Arbeitsfreude, die wir doch heute so notwen, 
dig brauchen wir das liebe Brot. Sofern nun der Aw 
beiter sich als lebendiges Glied unserer Volkswirtschafl 
fühlt, ist er auch bestrebt, die Produktion zu heben, damiil 
vir Pesser deven fönnen, ohne den Körper unserer Volls 
virtschaft ausguzehren. Also hat die Gewerkschaft nock 
wei: mehr Aufachen als Erhöhuno, Negelung und Sich—
	        
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