Full text: Der Saarbergknappe (3 [1922])

Samstag, den 9. September 19232. 
heute, daß große gewerkschaftliche, arbeitsrechtliche 
und sogialpolitische Fragen nur in gemeinsamer 
Koampfitellung dem Unternehmertum gegenüber zur 
——— gebracht werden können. 
In Seutschland sind durch diese gemeinsame Arbei— 
len bedeutende Erfolge erzielt worden, die auch für uns 
im Saargebiet Ansporn sein müßten, in gleich energi— 
scher Weise dieselben Bahnen zu betreten; denn mehr 
wie sonstwo wäre hier gemeinsames Handeln notwen— 
dig. Ein Hinweis auf die völlig vernachlässigte Gesetz— 
gebung in sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Bezie 
hung durch die Regierungskommission dürfte genügen. 
Ddie Führerschaft der einzelnen Berufsverbände hat 
auch bereits die Zeitforderung erfaßt und versucht, im 
Sinne gemeinsamer Zusammenrarbeit und gemeinsamer 
Verständigung zu wirken. Auch in weiten Kreisen der 
Arbeiterschaft, besonders der intelligenten, wurde schon 
oft darauf hingewiesen, wie notwendig eine gemein— 
same Handlungsplattform sei. 
Dieses aus richtiger Erkenntnis heraus geborene Be 
streben findet jedoch noch Widerstand und teilweise sehr 
heftigen, in Kreisen, die größtenteils zwar Arbeitneh— 
mer, aber nicht dem Arbeiterstand angehören wollen 
Falsch verstandener und unrichtig angewandter Berufs 
fiolz läͤßt diese Kreise nicht den Weg finden, der ge— 
angen werden muß, falls die gesamte Arbeitnehmer— 
—* die Ziele, die sie sich gesteckt hat, erreichen will 
Jeder will doch frei sein, jeder will mitbestimmen, mit— 
raten und mittaten dürfen. Dann müssen aber die 
Keime von Helotengesinnung aus der Brusi heraus 
Man darf nicht den Standpunkt einnehmen, laß andere 
kömpfen, wenn die etwas erreichen, ists auch für mich 
— Nein, dieser Standpunkt ist direkt verwerflich, weil 
schadlich für die gesamte Arbeitnehmerbewegung. Wenn 
biele so denken, wird die Stoß- und Schlagkraft der 
Drganisationen gehemmt. 
Leider kann man die Beobachtung machen, daß in 
Saarbergbau noch sehr viele Beamte sind, die oben ge 
kenngzeichneten Standpunkt hervorheben; sie stellen sick 
nicht nur negativ zu den Bestrebungen ihrer Berufs 
ꝛrganisation, sondern fie bekämpfen auch die Organi— 
ationen, mit denen sie eigentlich in gemeinsamer 
ampffront stehen müßten. Die Wirkung solcher Hand⸗ 
ungsweise bleibt nicht aus. Wo Einigkeit herrschen 
ollte, findet man Zwietracht, wo man Freundschaft zu 
ehen wünscht, sieht man Haß, statt gemeinsame Kampf— 
ront gegenseitige Bekämpfung. Man kann ruhig die 
behauptung aufstellen, daß die Schuld an diesen Zu— 
iden zum wenigsten Teile an der Bergarbeiterschaft 
egt. Die Bergarbeiterorganisationen und ihre Mit— 
i haben schon oft versucht, eine Aenderung 
diesen Verhältnissen herbeizuführen, leider oft ver 
gebens. Unverstand und böser Wille von der Gegen 
seite haben die Bemühungen erfolglos werden lassen. 
Wer hat den Vorteil von solchen Zuständen? Dock 
nur der Arbeitgeber! Dieser allein zieht den Nutzen 
von der gegenseitigen Bekämpfung und Befehdung 
Dies müßte doch eingesehen werden und versöhnent 
und einigend wirken. 
Von Seiten der Vergbeamtenschaft wirft man den 
Arbeitern immer vor, sie hätten kein Verständnis oder 
—— 
F * 2 2 340 * 
Schuffung eines Tarisuusschusses und einer 
9— 93 . 
Schuchnngsinstanz 
Wie wir bereits mitgeteilt haben, soll bis zum 
1. Oktober ein Tarifausschuß im Saargebiet geschaffen 
werden. Die Organisationen haben folgenden Ent— 
wurf eingereicht. Die Bergwerksdirektion nimmt 
augenblicklich dazu Stellung und wird ihrerseits eben 
falls einen Entwurf ausarbeiten. 
In Ausführung des ð 60 der Arbeiisordnung und dees 
3.10 des Manteltarisvertrages für die Saargruben wird 
die Schaffung eines Tarifausschusses und einer Schlich 
kungsitelle wie folgt vereinbart 
S1. 
Als Tarifausschuß und Schlichtungsstelle für den ört— 
lichen und beruflichen Geltungsbereich des Tarifes vom 
8. 10. 1921 werden gebildet: 
1. Ein Tarifausschuß bei der Bergberwaltung in Saar— 
brüchen. Zur Entlastung des Tarifausschusses kann eine 
Unterstelle desselben bei jedem Gruppenchef errichte 
werden. 
2. Ein Schlichtungsausschuß bei dem Berggewe 
richt in a ens uß aoewerbege 
. Teil: Zusammensetzung der Instanzen. 
82. 
J. Die Unterstelle beim Gruppenchef lann fsich zu sam 
men eben aus dem Gruppenchef und einem Ingenieur 
ernerseits und einem Vertreter der die Tarifgemeinschaft 
bildenden Gewerkschaften und ein Sicherheitsmann. 
— Der Tarifausschuß wird von den die Tarifgenein 
schaft bildenden Vertretern des Arbeitgebers und der Ge 
werkschaften gebildet. Jede Seite entsondet in den Tarif 
anschißs — Versouen 
— 
J. Der beim Berggewerbegericht zu bildende Schlich 
ungcausschuß wird gemäß F682 ff des Gewerbegerichts 
gesetzes für den VBeresch der Saargruben gebildet. 
3. Der Echlichtungsausschufz setzt sich zusammen aus 
dem Vorsißenden oder dessen Eiellbertreter und aus je 8 
Beisitzer aus den Reihten der Vertragsparteien Zur Er— 
Der Saar⸗Bergknapbe“ 
wollten kein Verständnis zeigen für die den Beamten 
vonseiten des Arbeitgebers auferlegten Verpflichtun 
gen. Dies ist jedoch durchaus nicht der Fall. Der Ar 
deiter weiß sehr wohl zu unterscheiden zwischen Pflicht 
und Verantwortungshandeln und freiwilliger Chicane 
Fir eine Handlungsweise, die durch die Pflicht ge 
boren ist, wird der Arbeiter nie dem Beamten einer 
Vorwurf machen, im Gegenteil, der Arbeiter bring 
hierfür stets Verständnis auf. Jedoch bezeichnet man 
cher Beamte seine unschöne Handlungsweise als Pflicht 
ausübing, was man ohne weiteres bestreiten kann 
Eine Abteilung soll z. B. ein Tagessoll liefern 
von 100 Tonnen Kohlen. Der Abteilungssteiger is 
verpflichtet, mit allen seinen Kräften dafür zu wirken 
daß dieses Soll erreicht wird. Nun fällt in der Förder 
strecke ein Bruch, das Bosetttgen dauert »4. Stunden 
Der Steiger hat in seiner Angst vor u Ingenien 
demselben gemeldet, in spätestens einer Stunde ist das 
Hindernis beseitigt, die Förderung kann beginnen. Ir 
Wirklichkeit schufften die Nachreißer und Verbane— 
drei Stunden mit größtem Fleiß und größter Anstren 
gung bis zur Förderung notdürftig in Gang kommt 
Das Fördersoll wird natürlich an diesem Tage nich 
mehr erreicht; der Ingenieur macht den Steiger ver 
antwortlich, und dieser wieder lädt, um sich freizuhal 
ten, alle Schuld auf die Nachreißer, welche schließlid 
hnoch wegen nicht genügender Leistung bestraft werden 
— Tas ist keine Pflichterfüllung seitens der Beamten 
sondern Feigheit. Solche Fälle, besonders aus letzter 
Zeit, ließen sich mehrere anführen. Sie bekunden wei— 
ler nichts als Mangel an Rückgratfestigkeit. Oder ist 
es z. B. anständig, wenn der Beamte morgens bei der 
Befahrung sofort über die Kameraodschaft herfällt und 
zu ihnen sagt: „Ihr seid Jaulenzer. Ihr habt gestern 
Euer Soll nicht gefördert“, trotzdem er tags zuvor sich 
süberzeugt haben konnte, daß sich die Verhältnisse we 
sentlich verschlechtert hatten. 
Gerade die Behandlungsweise der Beamten den Ar— 
beinern gegenüber schafft ungeheure Verbitterung 
Viele Arbeiter sagen, so schlimm wie heute war die 
Behandlung früher unter dem alten Arbeitgeber nie 
Bei Betrachtung der heutigen Verhältnisse kann man 
en Leuten, die so sprechen, wirklich nicht Unrech 
geben. 
Dies muß aber unbedingt anders werden. Arbeitern 
und Beamte gehören zusammen in eine Linie. Die 
Erkenntnis von der Notwendigkeit dessen muß sick 
durchringen, auch in Beamtenkreisen. Nur dann kann 
der Konzentrationsprozeß der Berufsverbände in 
Saargebiet prakt isch sich verwirklichen. Mit schöner 
Worten oder Sand in den Augen kommen wir nich 
weiter im gewerkschaftlichen Leben. Die Anspannun( 
aller Kräfte ist, das Gebot der Stunde. Vereint di— 
Front, vereint im Kampf, vereint gesiegt muß die ve 
iung sein für Arbeiter, Angestellte und Beamte. 
Nartoffelvorschüsse 
Die Bergwerfsdirektion hat betreffend Kartofselvor 
— 
*9 
sledigung von kleineren Streitigkeiten wird ein kleine— 
Ausschuß (8 16) gebildet. 
84. 
1. Vorsitzender des Schlichtungsausschusses ist der je 
weilige Vorsitzende des Berggewerbegerichts oder desser 
Stellvertreter. Die Beifitzer werden aus den Verireter 
der Tarifgemeinschaft entnommen 
2. Zum Beisitzer aus den Reihen der Arbeitnehmer kann 
dewählt oder berufen werden, wer mindestens 25 Jahre 
alt ist, die Hauerprüfung abgelegt hat oder mindettenz? 
Jahre im Berabau tätig war. 
8 6. 
1. Die Zahl der Beisißer beträgt auf jeder Scite minde— 
stens —. Sie werden durch Vorschlagslisten de:n Vor— 
itzenden des Schlichtungsausschusses eingereicht. Auf jede 
Zeite der Vertragsparteien entfällt die gleiche Anzahl Bei— 
itzer. Ihre Amtsdauer beträgt — — — — — * 
2. Die Entschädigung der Beisitzer erfolat nach Maßgabe 
der Bestimmungen, wie sie für die Beisitzer am Berage 
verbegericht gelten. 
2. Teil: Auständigkeit der Instanzen. 
8 6. 
Die Unterjtellen des Tarifausschusses sind zuständig 
a. für alle Streitigkeiten, in denen gemäß 88 85, 131 uni 
52 der Arbeitsordnung eine Entschädigung erging, mi 
der sich der betrojfene Arbeiter oder die Kaureratschai 
nicht zufrieden gibt; 
b. für alle Streitfälle, die sich aus der Durchführung de⸗ 
4. Titels der Arbeitsordnung ergeben. 
Soweit es sich um grund sätzlüche Fragen und um— 
olche handelt, die gleichmäßig den gangen Grubenbelriel 
ind dessen Nebenanlagen betreffen, ist die Angelegenhei 
in den Haupttar'fausschuß zu verweisen. 
87. 
Der Tarifausschuß ist zuständig 
a. für alle Fragen grundsätzlicher Art und fur solch 
Fragen, die in gleichmäßiger Weise den gesamten Gru— 
benbetrieb betreffen; 
b. in allen Fällen, in denen bei einer Unterstelle der 
Tarifaus schussea keine Nebereinstimmung zustand— 
Geite 8. Nr. 86. 
spektionen erlassen und uns eine Abschrift zur Ver— 
fügung gestellt, die wir hiermit veröffentlichen. Wie 
daraus hervorgeht, wird im Dezember von diesen Vor— 
schüssen seitens der Direktion keine Rückzahlung ver— 
langt. 
Administration 
des Mines Domaniales Francaises 
du Boassin de la Sarre 
Eervice Cuvrier 
O /a9 
Saarbrücken, den 25. August 1922 
Dien stanweisung 
betr. Kartoffelvorschüsse für Bergleute 
Denjenigen Bergleuten, welche Familienangehörige zu 
ernähren haben, kann auf Wunsch zum Ankauf von Kar⸗ 
toffeln ein Vorschuß unter folgenden Bedingungen gewähri 
verden: 
Der Höchsisatz des Vorschusses beträgt: 
100 FIrs. für verheiratete Arbeiter und Witwer 
deren Familie aus 2 oder 8 Personen besteht. 
200 Irs. für verheiratete Arbeiter und Witwer 
deven Familie aus 4 bis 6 Personen besteht. 
300 Irs. für verheivatete Arbeiter und Witwer 
deren Familie aus mehr als 6 Personen besteht 
Unverheirätete Arbeiter, die Haushaltungsvorstand sind 
haben ein Anrecht auf einen Vorschuß in derselben Höhe 
wie die verheirateten Arbeiter. 
vVorschüsse, die unter obigen Maximalzahlen bleiben 
werden auf volle 50 Irs. abgerundet. 
Die Meldungen der Arbeiter für die Erlangung der Vor— 
schüsse sind ohne besondere Nachprüfung der Angaben über 
die Zahl der Familienmitglieder entgegenzunehmen. 
Die Auszahlung der Kartoffelvorschüsse hat mit der Ab— 
schlagsgahlung am W. oder 830. September zu geschehen 
Die Areiter, die Anspruch auf Auszahlung des Kar—⸗ 
ioffelvorschusses erheben, haben sich vor dem 10. Septem⸗ 
br auf der Inspektion oder dem Büro ihres Services in 
die offen liegende Liste eintragen zu lassen. Die Gesamt⸗ 
sunmen der berlangien Vorschusffe ist spätestens zum 
18. September dem Service Ouvrier mitgza— 
teilem 
Die Rückzahlung der Kartoffelvorschüfse geschieht durch 
Abzug bei den Lohnzahlungen und zwar wird gleich— 
mäßig bei den Hauptlohnungen am 16. oder 17. November 
1922, 16. oder 17. Januar, 16. Febrnar und 15. März 
1923 je M des gewährten Vorschusses in Abgug gebracht 
Le Chef du Service Ouvrier: 
gez.: Cuvinot. 
Hierzu der jransösische Text 
88 
Der Schlichungsausschuß ist zuständig 
a. in allen Fällen grundsätzlicher Art über die Auslegunt 
der Arbeitsordnung und des Tarifvertrages, falls im 
Tarifausschuß leine Uebereinstimmung unter den Par⸗ 
teien erzielt wurde; 
b. bei Erneuerung des Manieltarifes, des Lohnabkom 
mens und der Arbeitsordnung, salls er von einer Par— 
tei angerufen wird. 
89. 
Droht eine Arbe'tsniederlegung oder eine Aussperrung 
so lann der Schlichtungsausschuß von Amtswegen Ver— 
shandlungen einleiten, Er kann in solchen Fällen betei— 
ligte Perionen vorladen und vernehmen. Für den Fal 
des Nichterscheinens oder des unentschuldigten Ausbleibent 
kann er eine Geldstrafe bis zu — — mit vorheriger 
Ankündigung sestsetzen. Gegen die Festsetzung der Straf— 
ist Besckwerde gemäß 8 667 3. B. O. zulässiag. 
8 10. 
Der Schlichtungsausschuß kann von den bevollmächtigter 
Vertretern der Parteien der Torifgemein'schaft angerufen 
werden, die auch berechtigt sind, die persönliche Vertretunc 
für ibre Vartei vor demselben au übernebmen 
815 
Der Schlichtungsausschuß prüft von amtswegen sein 
Zuständigkeit. Er hat durch Vernebmung beider Teile die 
Streiipunkte und die für die Beurteilung in Betracht kom 
menden Verhältnisse fejtzustelben. 
Er ist befugt, felbst oder durch seinen Vorfitzenden zur 
Aufklärung der in Betracht kommenden Verhältnisse aus— 
kunftlich Personen vorzuladen und zu vernehmen, sowie 
Suchverständigengutachten einzuholen. Jedem Mitglied 
des Schlichtungsausschusses steht das Recht zu, Fragen ar 
Vertrefter und Auskunftspersonen zu richten 
g 12. 
Nach erfolgter Klarstellung der Verhälinisse ist jedem 
Teil Gelegenheit gegeben, sich in gemeinsaemen Verhand 
lungen über das Vorbringen des anderen Teiles, fowit 
über die vorliegenden Aussagen der Ausfkunfishersonen g 
auhern. Dann ist zu versuchen. eine Einigung hberbeian
	        
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