Nummer 34 Saarbrücken, den 26. August 1922 Sahrgang
— A eι Q-ÜX
6 I eI—erensnn I
— J LIIIVIe— d —
Organ des Gewenvoreins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiei
Erscheint jeden Samskag, für die Mitglieder zratis. — Geschäftsstelle des Saar⸗Bergknappen“, Saarbrücken
Preis: für Zahlstellenabonnenten 0.80 Ir. monatlich ohne Jür wirtschastue 8 vSebung St. Johannerstraße 40.
Volenlohn, für Posftabonnenten 1500 M, vierteljaͤhrlich des Bergarbeiterstande⸗ Fernsprech Anschluß: ¶Amt Saarbrucken, Nammer 1630
— — ——
Geist des revolutionären Klassenkampfes wirkt über—
all wie Sprengpulver, er kann nur zerstörend, 4
nicht aufbauend wirken. Deshalb lehnen wi
diesen Klassenkampfab.
NKongreß des Allgemeinen inter⸗
nutionalen Vergarbeiter⸗Verbande⸗
Wir leben im Zeitalter der nationalen und inter⸗
nationglen Gewerkschaftskongresse. Ein Zeichen, daß dir
gewerlschaftlich organisierte Arbeiterschaft recht rege ist
die sie bewegenden Fragne national wie internationa
zur Lösung zu bringen. Vor allem sind es die zwe
bedeutendsten Gewerkschaftsrichtungen, die christ lic
orientierte und die sozialistisch orientierte, die da
hervortreten. National wie international suchen si
die soziale und wirtschaftliche Frage vom Boden ihre
GBrundeinstellung aus und im Geiste derselben
vorwärts zu treiben und zu lösen.
Die s christlisch orientierte Geiverkschaftsbewegung
verschiedener Länder ist im Internationalen Bund der
christlichen Gewerkschaften vereinigt, dem die Lösung
geimeinsanter Aufgaben auf internationalem Gebiette
obliegt. Der letzte Kongreß dieses Bundes fand Ende
Juni d. J. in Innsbruck statt, dessen hewworragendste
Tat die Schaffung eines Weltwirtschaftsprogrammes
war. Neben dieser allgemeinen christlichen Gewerk⸗
schaftsinternationale bestehen noch solche der verschie—
denen christlichen Berufs- und Fachorganisationen. Der
Internationale schristliche Bergarbei—
terverband hielt seinen ersten Kongreß ebenfalls
Mitte Juni d. J. in Innsbruck ab, unt zu wichtigen
Fragen Stellung zu nehmen, über die, sowie die
gefaßten Beschlüisse, in der Nunmmer 2 unseres
Organs berichtet ist.
Die sozialistisch orientierte Gewerkschafts—
bewegung ist international zum überwiegenden Teil
in der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale zu—
sammengeschloffen, die ihren letzten Kongreß im
April d. J. in Rom abhielt. Eine kommunistische
Internationale besteht in Moskau, der auch schon ein
Teil der e Gewerkschaften, genannt C. G
T. U. angeschlossen ist. Der Amsterdamer sozialistischen
Gewerkschaftsinternationale ist auch der Allge—
mieine internationale Bergarbeiter—
verband angeschlossen, der seinen jüngster
Kongreß in den Tagen vom 6. bis einschließlich
11. August d. J. in Frankfurt a. M. abhielt, mit dem
wmeiter unten folgender Bericht sich beschäftiaf
Die Sozialdemokratie und die dieser wesensver⸗
wandte freie Gewerkschaftsbewegung stehen auf dem
Boden des Klassenkampfes. Mitdiesem Mitte!
soll die heutige Gesellschaftsordnung überwunden und
der Sozialismus in Reinkultur herbeigeführt werden
selassenkampf ist Gewalt. Diese wird zum obersten
Grundsatz des Handelns erklärt, was der Lehre des
sozialistischen Altmeisters, Karl Marx, entspricht
Welches Ergebnis solches Handeln herbeiführtf
zeigt mit erschreckender Deutlichkeit der Zustand des
heutigen Rußland.
Wir, die christliche Gewerkschaftsbewegung, lehnen
den Klassenkampf, weil brutale Gewalt niemals zum
Segen eines Volkes ausschlägt, glatt ab. Unser Ziel
ist nicht die Ueberwindung einer Klasse durch eine
andere Klasse, sondern die organische Volksge—
meinschaft, weil alle Stände eines Volkes auf
einander angewiesen sind. Warum wir diesen einzig
richtigen Standpunkt einnehmen und auf die Verwirk—
lichung einer wahren Volksgemeinschaft hinarbeiten,
sagen uns nachstehende Ausführungen, die der Leiter
unserer Jugendbewegung Kamerad Wiedfeld vor
kurzem auf einer Tagung in Bochum machte.
Die sozialdemokratische Gewerk
schaftsbewegung steht auf dem Boden
des revolutionären Klassenkampfes
Ihr großes Ziel ist die Vergesellschaftung aller Pro
duktionsmittel. Das Mittel zum Ziel ist der revolu
tionäre Klassenkampf. Nach den Grundsätzen unseren
Brüder von links ist der Gegensatz zwischen der Arbei
terklasse und den oberen Klassen unüberbrückbar. Ir
dem deutschen Unternehmer sehen sie nur ihren Be—
drücker, in dem ausländischen Arbeiter ihren Klassen
X Daher auch ihre inkernationale Einstellung
ir dagegen sagen: Zwar bestehen Interessengegen⸗
sätze, aber diese Gegensätze sind überbrückbar. Es muß
umder großengemeinsamen Interessen
willen ein gesunder und gerechter Ausgleich zwischen
den einzelnen untergeordneten Sonderinteressen her
beigeführt werden. Wir Deutsche sind eine große
Volksfamilie, wir sitzen alle an dem großen Tische
der Volkswirtschaft. Das erste Bestreben aller Deut—
chen muß darauf gerichtet sein, viele Güter auf diesen
Tisch zu bringen. Dann kann die Güterverteilung
für die einzelnen um so besser werden. Die Vertei—
lungsfrage ist nicht die erste, sondern erst die zweite
drag Bei der Verteilung kommt es leicht zu Rei—
ungen. Je größer aber die Gewinnsucht und der
gegenseitige Haß unter den Tischgenossen ist, um so
schärfere Formen nimmt der Kampf an. Wenn sie
sfich mit der messerscharfen Losung: Du oder ich
gegenüberstehen, dann ist das Ganze gefährdet und
der Tisch für alle bald zertrümmert. Ueber dem Kampf
um die Warenverteilung wird die Warenherstellung
vergessen. Die Verteilung am Tisch unserer Volks
wirtschaft muß nach den Gesetzen der christlichen Ge—
rechtigkeit und der Liebe geschehen; dann kommt es
dei der Verteilung nicht zum feindseligen Du ode
ich, sondern zum drüderlichen Du und ich.
Der organische Lebensprozeß wird stets gestört
werden, wenn sich ein Glied sich auf Kosten eines
anderen ungebührlich aufbläht. Welche Folgen eine
rücksichtslose Haß- und Gewaltpolitik hat, sehen wir
auch an unserer großen Völkerfamilie. Der Leib
kuropas wird von schmerzhaften Wehen hin und her
reet Nicht nur wir Haßverfolgten sind die
idtragenden, auch die Träger der Haßpolitik leiden
unter ihrem blinden Wüten. Eine Polilik solcher Art
lehnen wir als christliche Gewerkschaftler ab.
Zwar wird eine herrschende Klasse ihre Vorrecht
nie oder nur in Ausnahmefällen freiwillig abtreten
Deshalb sind wir auch eine Kampforganisa-
thonund bleiben es. Aber unsere Kaͤmpfe sind frei
bom Geiste des revolutionären Klassenkampfes. Man
dersucht uns deshalb mit den Gelben auf eine Stufe
zu stellen. Wir sind, aber nicht im Sinne der Gelben
wirtschaftsfriedlich, jedoch wollen wir nach Moglichkeit
den Frieden in der t. das heißt auch den
Frieden für die Arbeiterschaft.
Fand der rücksichtslose Kampf im autokratischer
Staate noch Nerständniäé so mits ⸗r heitte im Same
kratischen Staate nur noch Kopfschütteln hervorrufen
Eine kleine Mehrheit kann heute die Arbeiterschaft
nicht mehr so vergewaltigen wie früher. Und je mehr
wir Arbeiter durch fleißige Schulung in den Betrieb
und in die Verwaltung unserer Wirtschaft hinein⸗
wachsen, um so besser werden wir uns behaupten
können. Es ist aber ein Unding, einerfeits in uwwer
antwortlicher Weise die Wirtschaft von rücksichtslosen
Klassenkämpfern durch wilde und sinnlose Streiks zu
sabotieren und zu ruinieren und anderseits einen
großen Gewinnanteil und möglichst viele Rechte von
der Wirtschaft zu verlangen. Hier gibt es tatsächlich
nur ein Entweder — Oder.
Der Weg des revolutionären Klassenkanpfes ist ein
falscher. Der Sieg des Hasses der einen Gruppe über
den Haß der anderen Gruppe wird nie einen gesell-
schaftlich erträglichen Zustand schaffen. Das Eis des
einen Winters wird nicht durch eines anderen Winters
Kälte zur Schmelze gebracht, sondern nur durch die
warme Sonne des Sommers. Wir stellen als christ⸗
liche Gewerkschaftler dem kalten Haß die warme Liebe
entgegen. Gerade neben dieser wird die Selbsterhal—
tung eines jeden Menschen ihren Platz finden.
.. Der rücksichtslose Klassenkampf ist nicht nur für
die Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch für den
demokratischen Staat verhängnisvoll. Der Weg
des revolutionären Klassenkampfes führt schnurgerade
über die Demokratie hinweg zur Diktatur des Prole
tariats. Eine solche Diktatur lehnen wir ab.
Tieftraurig ist auch die Wirkung der klafsenkämpfe—
rischen Ideen in bezug auf die seelische Verfassime
der Arbeiterschaft. Um gute Klassenkämpfer zu be—
kompien, wurde nach Kräften der Klassenhaß geschürt,
und Sie durch den herzlosen Kapitalisnus arg be—
drängten Arbeiter waren nur zu empfänglich dafür
Bald war kein Mangel mehr an revolutionären Klaß
senkämpfern. Die Sozialdemokratie in der Partei
und Gewerkschaftsbewegung hatte ihr Ziel erreicht
aber wesentlich dazu beigetragen, daß Millionen
Arbeiter ihres Lebens nicht mehr froh wurden. Alles
Gegenwärtige wurde verdammt, und alle Hoffnung
wurde auf die ungewisse sozialistische Zukunft gesetzt.
So floß die kleine Freudenquelle für den Arbeitsinann
nur noch spärlicher Der Lohnarbeiter und Parteimann
hat bei den revolutionären Klassenkämpfern den gesell⸗
schaftlichen Menschen und sehr oft auch den Gatten,
Vater und den Bruder erdrückt. Und so ist es gekom—
men, daß gerade die revolutionärsten dieser Klassen
kämpfer glauben, ganze Betriebe, Städte und Länder
regieren zu können, daß sie es aber nicht vermögen
ihre eigenen Familienverhältnisse zu ordnen.
Wir hüten uns vor dehösngen Uebertreibungen. Wir
wissen, daß es gute und edle Sozialisten gibt. Wir
wissen aber, daß auch in den anderen Klassen viele
gute und edle Männer sind. Wir mißtrauen nicht
allen, die einen weißen Stehkragen tragen. Das Maß
von Güte, Recht und Vernunft, das den anderen
Klassen eigen ist, erkennen wir an. Wir bekämpfen
das Böse nicht nur bei ihnen, sondern auch bei uns
Unsere Gegner von links aber kämpfen mit einer
ungeheuren Leidenschaft gegen das Böse in den oberen
Klassen, fanden es aber früher nur selten notwendig
nach der Qualität ihrer eigenen Anhänger zu sehen.
der volksausbeutende Geist ist nicht nur an bestimmte
slassen gebunden.
Der Geist des revolutionären Klassenkämpfers hait
aicht nur das seelische Leben des einzelnen Arbeiters
angünstig beeinflußzt, sondern auch das Organi—
sationsleben der Arbeiter. Die Unzufriedenheit
vieler unentwegten Klassenkämpfer ist im Laufe der
Jahrzehnte chronisch geworden. Sie waren, nach
Anweisung, mit jeder öffentlichen Organisation und
Einrichtung unzufrieden; wäre es da nicht wirklich
ein Wunder, wenn sie mit ihren Organisationen
dauernd zufrieden wären? Selbst wertvolle Zuge⸗
ständnisse an die Arbeiterschaft wurden früher sysie⸗
matisch verkleinert; ist es da ein Wunder, wenn sie
auch die größten Erfolge ihrer Organisation heute
richt mehr zu schätzen wissen und sich inuner betrogen
Lauben? Ist nicht früher das Mißtrauen gegen alle
Abenstehenden recht fleißig geschürt worden wurde
nicht alles getan, um je de Autorität zu untergraben?
Ist es in Anbetracht dessen ein Wunder, daß die
Führer in der sozialdemokratischen Gewerkschafts
»emegung nicht mehr das Maß von Vertrauen und
Titoritet haben has unbehinat nofmöondig ite d
Der letzte Kongreß dieses internationalen Berg—
arbeiterverbandes fand im August 1920 in Genf stalt
An demselben beteiligte sich auch wieder unser Gewerk«
verein christlicher Bergarbeiter. Der diesiährigen
Tagung blieb jedoch der Gewerlkverein aus wohl—
erwogenen Gründen fern. Wie schon ausgeführt,
gehört der Allgemeine internationale Bergarbeiterver⸗
band als solcher der sogzialistischen Amsterdamer Ge—
werkschaftsinternationale an. Aus dieser sind wegen
ihres politisch-sozialistischen Charakters
seinerzeit die amerikanischen Gewerkschaften
ausgetreben. Es ist natürlich, daß der Gewerkverein
Garantien verlangen nmußte, daß die an den Kon—
gressen des Allgemeinen internationalen Verbandes
leilnehmenden nichtsozialdemokratischen selbständigen
Bergarbeiterorganisationen, sich nicht sozialistischen
Prinzipien zu unterwerfen und der sozialistischen
Amsterdamer Internationale qanzuschließen brauchen.
Sodann war neben dem Gewerkverein auch die Zu⸗
ziehung der christlichen Bergarbeiterverbände der übri—
gen Länder zu den Kongressen notwendig. Derchrist⸗-
liche internationale Bergarbeiterkongreß in Juns—
bruck nahm eine diesbezügliche Entschließung an. Die—
selbe betont die Unvereinbarkeit der Grundprinzipien
der christlichen und der heutigen sozialistischen Gewerk—
Iatlen Getreu ihrer christlichen Weltauffassung
nnten die christlichen Bergarbeiter sich den sogiali—
stischen Prinzipien nicht unterwerfen, weshalb fie eni—
schlossen wären, die Interessen ihrer Mitglieder und
der Bergaweiter in einer christlichen Bergarbeiter—
Internationale zu vertreten. Sie wuͤnschten anderseits
jedoch eine Zusammenarbeit mit allen Bergarbeilern
dar Malt ijherals da wo es sich üm beftimmte e—