Full text: Folge mir nach

Jesu-Zeit und als einziger Jünger eines natür— 
lichen Todes starb. 
Es hat etwas überaus Gewinnendes, das Bild dieses 
Jüngers. Mit einer rührenden Zärtlichkeit, mit fast 
frauenhafter Hingabe ist er dem Meister ergeben. 
Wenn von einem, so kann von Johannes das be— 
rühmte Wort des alten Kirchenvaters gelten: anima 
candida, anima naturaliter christiana, daß seine Seele 
von Natur eine christliche, eine weiße sei. Von den 
Stürmen, die einen Titanen wie Paulus durch— 
bebten bis in die Wurzel, den Kämpfen zwischen 
Fleisch und Geist: Wollen habe ich wohl, aber 
vollbringen das Gute finde ich nicht, weiß er nichts. 
Einem Wallenstein ist er nicht verwandt: Mich schuf 
aus gröberem Stoffe der Natur ... 
O, daß wir's doch erkennen wollen, daß sie beide 
gleichen Wertes sind in Gottes Dienst. Daß es zu 
einem vollen, wohlklingenden Akkord erst kommt, 
wenn jeder in seiner Eigenart bleibt. Sie müssen 
nebeneinander stehen, die tätige Martha und die 
feinbesinnliche Maria, Petrus mit dem frischen 
Draufgängertum und dieser feine Johannes, der 
geistvolle Sprecher Aaron und der stürmische Tat— 
mensch Moses, der eiserne Luther und der tiefgrün— 
dige Melanchthon. Den lieben jungen Männern 
unter uns soll es gesagt sein, daß es kein abge— 
stempeltes Christentum gibt. Gerade ein so starker, 
harter Mann wie Ernst Moritz Arndt brachte das 
feine Verständnis auf für Johannesnaturen, als er 
dichtete: 
„Das ist ein Mann, der beten kann 
Und Gott dem Herrn vertraut!“ 
So wollen wir uns alle verstehen und dulden in 
unserer mannigfachen Art, wenn wir nur eins sind 
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