Und daß es nur zu wahr ist: „Kein Mann gedeihet
ohne Vaterland!“ Der ganze Reichtum eines Volkes
ist eben gefaßt in seinen gottgegebenen Grenzen. In
ihnen erlebt es in Höhen und Tiefen seine Ge—
schichte, in ihren Schalen birgt es sein Dichten und
Denken, hier stehen die Wiegen seiner großen Män—
ner: der Walther von der Vogelweide und Wolfram
von Eschenbach, der Luther und Kant, der Goethe
und Schiller, der Bach und Beethoven, Erwin von
Steinbachs und Dürers, Steins und Bismarcks. In
seiner Muttersprache redet ein Volk mit seinem
Gott im Gebet und im Bekenntnis seiner Schuld.
Aber auch der lebendige Gott redet zu den Menschen
in ihrer Sprache. Haben wir es nicht in der Glau⸗—
bensgeschichte unseres Volkes immer wieder und zu—
tiefst erfahren, wie sich der Ewige uns Deutschen
so lebendig und kraftvoll bezeugte in Ulfilas Goten—
bibel, im altsächsischen „Heliand“, in Martin Luthers
neuhochdeutscher Bibel und in Kloppstocks „Mes—⸗
sias“?
Aber ist nicht auch das andere wahr: je größer
der Reichtum eines Volkes an Gaben und Erleb—
nissen ist, um so heiliger ist seine Berpflichtung
gegen andere Völker und gegen die ganze
Welt! Dürften wir die Werke unserer Besten, unserer
Meister, selbstsüchtig eingespannt behalten in unseren
engen Grenzen? Haben wir sie nicht willig abge—
treten zum freudigen Mitbesitz an alle Kulturvölker
der Erde? Klingen nicht in allen Domen der Welt
Bachs weihevolle Fugen und Choräle? In allen
Konzertsälen der Erde Beethovens himmelstürmende
Symphonien? Auf allen Bühnen die weltweisen Worte
von Goethes Faust? Wie wir ja selbst auch dankbar
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