Full text: Aus der Vergangenheit des Infanterie-Regiments Graf Werder (4. Rhein.) Nr. 30

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Erinnerungen des Herrn Major a. D. Kluge 
1870/71 Premier-Lieutenant im Inf.«Regt. Nr. 30. 
5. und 9. Kompagnie. 
Unbeschreiblicher Jubel herrschte in Mainz bei Ankunft unseres 
Königs am 2. August. Unser Regiment war als Besatzungstruppe 
noch daselbst geblieben. Erst nach den glücklichen Schlachten bei 
Spichern und Wörth erhielt das Regiment den Befehl zum 
Ausrücken. Am 11. August wurde es per Schiff bis Mannheim 
befördert. Am 14. betraten wir den französischen Boden unter drei⸗ 
maligem Hurra. Am 18. kam die 5. Kompagnie unter Hauptmann 
Hencke nach Schiltigheim vor Straßburg und löste die Ba— 
denser ab. Am Morgen hatten die Franzosen einen Ausfall aus 
der Festung gemacht, und als ich mit meinem Zuge die eine Brauerei 
beseßte, lagen noch drei tote Franzosen vor dem Hause. Bei einem 
Patrouillengange wurde der Musketier Ritz der 5. Kompagnie 
verwundet. Er war der erste Verwundete des Regiments. Zwölf 
Shrapnellkugeln hatten ihn getroffen; ein Bein wurde ihm abge— 
nommen. — 1876 begrüßte er mich beim Einrücken des Regiments 
in Saarlouis. Er hatte in Roden eine Gastwirtschaft. 
Am 29. wurde die erste Parallele ausgehoben vom 34. Re— 
giment, das mit uns eine Brigade bildete, das 30. Regiment 100 
Schritt davor zur Deckung. Damit der Feind von der Arbeit nichts 
merken sollte, durfte niemand ein lautes Wort sprechen. Jeder mußte 
sich hinlegen, damit nicht, wenn aus der Festung Leuchtkugeln ge— 
worfen würden, das Vorhandensein von Truppen wahrgenommen 
werden konnte. An diesem Abende schossen sämtliche preußischen 
und badischen Geschütze auf die Festung. Die Franzosen erwiderten 
das Feuer nicht; keine feindliche Patrouille hatte sich ins Vorterrain 
gewagt. Trotz der bangen Zeit war sie nicht lange geworden. Fort⸗ 
während flogen unsere Granaten und Bomben aus den gezogenen 
Riesenmörsern über uns hinweg. Man freute sich, wenn man hörte 
„sit“, da war die Granate schon über uns hinweg und einigen Sekunden 
später schlug sie in ein Dach, man hörte den Krach, das Zerreißen 
der Dächer, das Herabfallen der Ziegel; bald sah man einen roten 
Schein, hörte das französische Feuüerwehrsignal, Kommandostimmen, 
das Rasseln der Spritzen. Gegen 1 Uhr morgens gingen wir in 
den ausgehobenen Graben und kaum waren wir dort, als die Fink⸗ 
mattkaserne hinter dem Walle in Flammen aufging. Man konnte 
den französischen Doppelposten auf dem Walle hin⸗ und her⸗ 
gehen sehen.
	        
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