Walzen der Radscheiben ebenfalls auf dem neuen Gelände erbaut. Am 30. Dezember 1872 kam
ajn Vertrag mit der Gesellschaft Providence über die Herstellung von glatten Radscheiben zustande,
aber angesichts der Ermässigung der deutschen Ejsenzölle am 1. Oktober 1873 wurde vorgezogen,
jie am 18. September 1871 beschlossene Darstellung der Radscheiben für den Waggonbau noch
aufzuschieben.
Auch den übrigen Zweigen des Walzwerkes wurde alle Aufmerksamkeit gewidmet. Der
Nachfolger Kamps, der neue Walzwerksdirektor Blau, war.schon im Mai 1872 nach England gesandt
worden, um das Puddeln nach dem System Danks zu studieren, und hatte wertvolle Erfahrungen
1eimgebracht. Anfang 1876 wurde er nach Marchienne gesandt, um dort die Trägerherstellung zu
studieren hinsichtlich der Verwendung von kleineren Profilen. Aber man zögerte seit 1875 damit,
Geld ins Werk zu stecken, wo man des Erfolges nicht sicher war. Kaum dass man im Jahre
‘879 zwei Schweissöfen als Ersatz kaufte.
Der Geschäftsaufschwung, welcher in Deutschland nach dem deutsch -französischen Kriege
eingetreten war und welcher durch den Zufluss der Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Francs
aäjne wesentliche Nahrung erhalten hatte, hatte sich anfangs, wie geschildert, auch auf die Eisen-
industrie in ihrem ganzen Umfang erstreckt. Allenthalben hatte es Vergrösserungen und Neu-
zründungen gegeben, die freilich bei den hohen Geldpreisen, den hohen Löhnen und den hohen
Materialpreisen sehr teuer zu stehen gekommen waren. Aktiengesellschaft auf Aktiengesellschaft
war gegründet worden. Zum ersten Male hatten sich alle Volksschichten, welche Ersparnisse
aufzuweisen hatten, an dem industriellen Erwerbsleben des Volkes beteiligt. Es war eine recht
aigentliche Gründerzeit gewesen. Eine Zeitlang war es auch der Eisenindustrie über Erwarten gut
gegangen. Als aber am 1. Januar 1873 der Uebergangszustand ein Ende genommen hatte, nach
welchem die Lothringer Eisenwerke ihr Eisen noch zum halben Zolle nach Frankreich ausführen
Jurften, war ihre Gesamterzeugung mit einem Schlage auf dem deutschen Markte aufgetreten. Rings
sperrten ihr hohe Zölle die Grenzen, und in England, wo das nicht der Fall war, waren die
Zrzeugungskosten so niedrig, dass dorthin eine Ausfuhr unmöglich war. Am 1. Oktober 1873 fiel
der gesamte Roheisenzoll weg. Auch für die Zukunft waren die Aussichten trübe, denn der Reichs-
ag hatte noch 1873 die Aufhebung sämtlicher Eisenzölle für den 1. Januar 1877 beschlossen.
Unmittelbar nach diesem verhängnisvollen Beschlusse traten die ersten Zeichen eines wirtschaft-
.ichen Niederganges ein. In den Vereinigten Staaten, dem Lande der wirtschaftlichen Ueber-
:reibungen, hatte eine gewagte Ueberspekulation schon 1872 zu einem Niedergang geführt. In Europa
irat derselbe am stärksten und fühesten in Oesterreich auf, wo die Wiener Weltausstellung zu
iberaus umfangreichen und unsicheren Unternehmungen den Anlass gegeben hatte. Der „Wiener
Krach“ wirkte auch auf Deutschland entscheidend, indem er das allgemeine Zeichen für das
Sinken aller Werte wurde. 1874 war die schlechte Lage allgemein. Immer noch gingen die
Dreise nieder. Ueber das ganze Erwerbsleben war es wie ein lähmender Bann gefallen. Erst jetzt
zeigten sich die Folgen der Herabsetzung des Roheisenzolles auf 0,50 M 1870 und seiner Aufhebung
am 1. Oktober 1873. Ringsum Zollschranken, welche eine deutsche Eisenausfuhr fast unmöglich
machten, und dabei die eigenen Grenzen ohne einen Pfennig Roheisenzoll der fremden Einfuhr
schutzlos preisgegeben! Am 1. Januar 1877 der Wegfall der Zölle auf Schmiedeeisen in Aussicht!
Das Ausland, in dem die Erzeugungsverhältnisse ganz ähnlich lagen, warf grosse Roheisen-
mengen über die deutschen Grenzen. Um nur Absatz zu finden, verkaufte man zu jedem Preise,
auch unter den Selbstkosten. Bald war für deutsches Eisen nur noch teilweise Absatz da. In
Westfalen musste ein Hochofen nach dem anderen ausgeblasen werden. Nach Tausenden wurden
die Handarbeiter brotlos. Das Stocken der Eisenindustrie wirkte rückwärts auf den Kohlenbergbau