Der Krieg von 1866 entschädigte die preussische Eisenindustrie insofern für die Herabsetzung ihrer
Zölle, indem er ihren Markt auf ganz Süddeutschland erweiterte. Dass Hannover, Kurhessen und
Nassau in Preussen aufgingen, veränderte die Lage allerdings nicht, wohl aber die Tatsache, dass.
die übrigen Staaten nördlich der Mainlinie in den norddeutschen Bund aufgenommen wurden und
dieser mit den süddeutschen Staaten in eine Zollgemeinschaft trat, welche die Vorstufe für das neue
deutsche Reich wurde.
Der technische Hintergrund für dieses rasche Aufsteigen war die ausserordentlich rasche
Ausbreitung des sauren Bessemerverfahrens seit dem Anfang der sechziger Jahre in grossen Teilen
der preussischen Eisenindustrie, zu denen freilich die Saarindustrie infolge der Eigenart ihrer Erze
niemals gehören konnte. Henry Bessemer hatte gerade in den fünfziger Jahren, als die Burbacher-
jütte sich zur Massenerzeugung von Schweisseisen im wesentlichen‘ zur Schienenerzeugung rüstete,
die Entdeckung des Windfrischens des Roheisens gemacht. Er hatte gefunden, dass siliziumreiches.
aber phosphorarmes und schwefelarmes Roheisen durch blosses Einblasen von Luft völlig entkohlt
werden kann und dass dabei soviel Wärme erzeugt wird, dass Stahl und Stabeisen so flüssig bleiben,
dass sie in Formen gegossen werden können. Das bedeutete eine solche Verbilligung der Stahl-
darstellung, dass der Stahl offenkundig sehr rasch viele Plätze erobern musste, welche bis dahin
las Schmiedeeisen besetzt gehalten hatte. An erster Stelle kam dabei die schmiedeeiserne Bahn-
schiene und der „eiserne Balken“, der nachmalige Träger, inbetracht. 1870 war die Entwicklung
30 weit gediehen, dass die Bessemerstahlschiene die schmiedeeiserne Schiene deutlich zu verdrängen
jegann, wenn auch erst 1875 etwa feststand, dass die Stahlschiene gesiegt hatte. 1861 baute Krupp
das erste Bessemerwerk in Preussen, und 1862 zeigte die Londoner Weltausstellung der Welt die
ausgezeichneten Erzeugnisse des sauren Verfahrens. In Preussen war besonders Dr. H. Wedding
ür die Ausbildung desselben tätig, in Belgien nahm Seraing das Verfahren an,. lange das einzige
Werk, das es ausübte. Seit 1864 wurde in Preussen Bessemerstahl in grossen Mengen erzeugt,
Von 1860 bis 1869 verfünffachte sich infolgedessen die Stahlerzeugung des Zollvereins. Der Zoll-
verein übertraf die Vereinigten Staaten an Menge des erzeugten Stahles und wurde so das zweite
Stahlland der Erde. 1867 hatte Preussen sechs Bessemerwerke mit 22 Konvertern und einer
Erzeugungsfähigkeit von 73000 t, die aber erst später voll ausgenutzt wurde: denn 1866 wurden
ın Preussen erst 25000 t Bessemerstahl erzeugt.
Während der deutsche Zollmarkt durch den Krieg von 1866 eine wesentliche Erweiterung
arfuhr und das Bessemerverfahren die Stahlerzeugung vieler Gegenden Preussens auf eine neue
Grundlage stellte, blieb das Saargebiet von diesen Fortschritten ausgeschlossen. Die Minette, auf
deren Verhüttung es von Jahr zu Jahr in höherem Grade angewiesen war, enthielt 0,05 bis 0,6 v. H.
Phosphor. Das gab dem Roheisen einen Phosphorgehalt von 0,15 bis 1,8 v. H., welcher die An-
wendung des Bessemerverfahrens vollständig ausschloss. Die Saareisenindustrie blieb infolgedessen
noch für zwei Jahrzehnte dazu verdammt, am Schweisseisen zu kleben, während der Schweisseisen-
markt der Welt immer kleiner wurde. Die Burbacherhütte hatte unter diesen Umständen keinen
‚eichten Stand. Alles drängte auf eine Vermehrung der hergestellten Warenmengen, und doch hatte
man nicht die Möglichkeit, sich die neuen technischen Errungenschaften zunutze zu machen. So
zalt es, alle Kraft daran zu setzen, um nicht zurückzubleiben. .
Schon im Jahre 1862/3 trat es deutlich hervor, dass eine neue geschäftliche Tatkraft in die
Aütte gekommen war. Die Kokserzeugung von 1861/2 war 24501 t gewesen. Diejenige von
‚862/3 war 35410 t. Sie stieg bis 1865/6 auf 43302 t, um dann bis 1869/70 wieder auf 37 778 t
zu fallen. Das Kriegsjahr 1870 brachte eine gewaltige Störung. 11913 t Koks war alles, was in
ihm erzeugt wurde. Ganz ähnlich war es bei der Roheisenerzeugung. 1861/2 war dieselbe 18 673 t