Die Saarbrücker Eisenhüttengesellschaft
1856 —1862,
A Is am 22. Juni 1856 die erste Sitzung des Verwaltungsrates der belgischen Kommandit-
gesellschaft Saarbrücker Eisenhüttengesellschaft — Societe en participation des Forges
de Sarrebruck — stattfand, war der Grunderwerb des Hüttengeländes bereits erfolgt und waren die
Bauarbeiten im Gange. Die Leitung der Gesellschaft lag in den Händen eines Verwaltungsrates,
und diesem war ein Aufsichtsrat beigegeben. Beide bestellten gemeinschaftlich den Geschäftsführer,
Gerant-directeur, zur Ausführung ihrer Beschlüsse. Zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates wurde
am 16. September 1856 der frühere belgische Justizminister Victor Tesch gewählt. 1812 geboren,
war er damals 44 Jahre alt. Als altes Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer und ehemaliger
Staatsminister hatte er sich bereits die grössten Verdienste um die Hebung der belgischen Industrie
erworben. Er war ein ebenso hervorragender Finanzmann wie Politiker und eine bedeutende Per-
sönlichkeit. Begabt mit einer lebendigen Fassungskraft und einem gesunden Menschenverstande,
ein unermüdlicher Arbeiter, eine Herrennatur mit unbeugsamem Willen, widmete er Öffentlichen
Fragen ein hohes Mass von Tatkraft. Mit vollendeter Klugheit verband er einen unbeugsamen
Rechtssinn, an den sich niemals der geringste Verdacht heranwagte. Ohne den Neuerungen abge-
neigt zu sein, welche das Eisenhüttenwesen seiner Zeit umzuwälzen drohten, stand er ihnen doch mit
äusserster kritischer Schärfe gegenüber und duldete die Einführung keiner Neuerung, welche nicht schon
praktisch erprobt worden war. Im Erwerbsleben vertrat er die grundsätzliche Ueberzeugung, dass eine
Gesellschaft, welche ihr Fortkommen sicher stellen wolle, sich nur allmählich entwickeln dürfe, dass sie
ein allzuhastiges Draufgehen vermeiden müsse und Jahr für Jahr von ihren Teilhabern unweigerlich Opfer
fordern könne zu dem Zwecke, ihre Produktionsmittel zu vermehren. Dank dieser Art zu wirtschaften
und immer der Unterstützung durch seine Hauptmitteilhaber, welche seine Anschauungen teilten, und
der Zustimmung der Generalversammlung sicher, hatte er die Möglichkeit, die Saarbrücker Eisen-
hüttengesellschaft mit starker Hand durch die schweren Gründungszeiten hindurch zu steuern und sie trotz
widerlicher äusserer wirtschaftlicher Verhältnisse und trotz der beharrlichen Umwälzungen, durch
welche die Eisenindustrie jener Jahrzehnte ging, schliesslich durch äusserste jahrzehntelange Be-
schränkung der Dividendenzahlung einer seltenen finanziellen Blüte zuzuführen. Seine Freunde
erzählen noch, wie er einst in der Generalversammlung einen habgierigen Aktionär, welcher .die
Ausschüttung einer höheren Dividende beantragte, solange durchdringend mit stechendem Blick ansah,
bis dieser betroffen den Saal verliess. Von Beruf Rechtsanwalt, und 1850 belgischer Justizminister
geworden, hatte er Belgiens neuzeitliche Gesetzgebung begründen helfen. In zwei Jahren war
unter ihm die veraltete Hypothekengesetzgebung umgestaltet, ein neues Enteignungsrecht geschaffen,
die Konsulargerichtsbarkeit neu geregelt und ein neues Lotteriegesetz erlassen worden. Als er
1852 mit seiner Partei von der Regierung zurücktrat, da war es eine ausgemachte Sache,
dass er wieder auf denselben Posten berufen werden würde, sobald sie wieder zur
Herrschaft kommen würde. Das war 1857. Zum zweitenmale übernahm er das Amt und zum
zweitenmale entfaltete er eine umfassende Tätigkeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung des Handels
und des Gewerbelebens. Diesmal für einen Zeitraum von acht Jahren. 1865 vom Ministerposten