Full text: Deutsche Geschichte im Bliesgau

In meiner 1925 erschienenen ältesten Geschichte des Bliesgaues Teil 
habe ich die Entstehung und Weiterentwicklung dieses Gaues in den früheren 
Jahrhunderten des Mittelalters behandelt. Einem vielfach geäußerten 
Wunsche entsprechend möchte ich sie hier weiter verfolgen und zwar bis zum 
Beginn des 30jährigen Krieges, durch den die gleichmäßige innere Ent— 
wicklung dieses Teiles der Westmark jäh unterbrochen wurde. Das Bild, 
welches sich hierbei ergibt, ist zwar fesselnd und lehrreich, aber nichts weniger 
als schön und erfreulich, denn es führt den allgemeinen Zerfall des Deut— 
schen Reiches in eine Menge kleiner und kleinster Staatengebilde vor Augen, 
die von Selbstsucht und Neid gegen einander und gegen das Reichsoberhaupt 
erfüllt waren, die Macht des letzteren dauernd zu untergraben suchten und 
sich dann wunderten, wenn dieses nicht mehr imstande war, sie gegen die 
erme des Auslandes, namentlich Lothringens und Frankreichs zu 
ützen. 
Man mag über Karl den Großen denken wie man will: bei unbefangener 
Betrachtung seiner Regierung wird man zwei Tatsachen rühmend anerkennen 
müssen: einmal, daß er alle deutschen Stämme in einem Staate vereinigte, 
und dann, daß er Verwaltungseinrichtungen traf, welche die Macht des 
Herrschers unerschüttert erhalten hätten, wenn seine Nachfolger dieselben 
nicht hätten verkommen lassen. Freilich, die Einheit seines Reiches wurde 
schon von ihm untergraben, indem er dessen Bestandteile als Unterkönigreiche 
unter seine Söhne verteilte. Vollends zerfiel es unter seinen Enkeln in die 
3 Reiche Ostfranken, Westfranken und das zwischen beiden liegende Reich des 
Kaisers Lothar, das aber nach dem Aussterben von dessen Nachkommen schon 
370 unter die beiden andern verteilt wurde. Die Vereinigung aller Länder, 
welche einst das Reich Karls des Großen bildeten, unter Karl dem Dicken 
385-887 war nur eine kurze, vorübergehende Erscheinung: bald zerfielen sie 
wieder und zwar nunmehr in 5 Teilreiche, Ostfranken, Westfranken, Italien, 
Hochburgund und Niederburgund, wo sich bereits zwei hohe Adelsfamilien 
dollständig unabhängig zu machen verstanden hatten. Ein Zeichen der Macht 
des Adels, die auch in Ostfranken während der Kämpfe unter den Mitgliedern 
der Familie der Karolinger unheimlich gewachsen war! Hätten die Hoch— 
adeligen es sonst wagen können, Karl den Dicken 887 einfach abzusetzen und 
einen anderen Karolinger an seiner statt zum König zu wählen? Hätte der 
bon ihnen 911 gewählte Konrad J. einen Sohn besessen, so wäre vielleicht 
hier die gleiche Entwicklung erfolgt, wie im Westreich, wo 987 in Hugo Capet 
nicht nur ein neuer König, sondern auch eine neue Dynastie auf den Thron 
gelangte. So wurde Frankreich ein erbliches Königreich, Deutschland aber 
ein Wahlreich und aus dieser Tatsache entsprang die völlig verschiedene 
innere Entwicklung beider Länder. Dort eine immer stärker werdende Zen— 
tralisierung, die schließlich zum Einheitsstaat führte, hier eine unendliche 
Zersplitterung. 
Neben den Herzögen in den 5 alten deutschen Stammlanden Franken, 
Bayern, Schwaben, Sachsen und Lothringen kamen Markgrafen, ehemalige 
Saugrafen, Oroßgrundbesitzer, die sich mit mehr oder weniger Recht den 
Grafentitel beilegten, Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte zu politischer Wacht, 
indem sie die ihnen ursprünglich vom König übertragenen Befugnisse als 
selbständige eigene Rechte handhabten.
	        
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