Full text: Memorandum zur Bergarbeiterstreikbewegung im Saarrevier 1912 - 13

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VI. 
Auch in politischer Hinsicht hat eine wüste Hetze der den 
Christlichen nahestehenden Zeitungen im Wahlkreise Saarbrücken und 
Ottweiler —St. Wendel —Meisenheim die Einigkeit der Katholiken zu 
zerstören und schwierige Verhältnisse zu schaffen gesucht. 
„Bei der Reichstagswahl 1912 setzte man vernünftigerweise den 
Hewerkschaftsstreit beiseite; es wurden die Katholiken einig; die Ber— 
liner im Kreise Saarbrücken traten für den Christlichen Sauermann ein 
und die Christlichen im Kreise Ottweiler —St. Wendel —Meisenheim 
für den Berliner Koßmann. Von keinem von beiden wurde ein Ver— 
zicht auf seine gewertschaftliche Ueberzeugung verlangt. Da nun jetzt 
in der Streikbewegung Koßmann, der doch auch Arbeitersekretär des 
Berliner Verbandes ist, nach gewissenhafter Erwägung aus guten 
Gründen sich gegen einen Streik ausgesprochen hatte, wurde er auch 
nseiner Eigenschaft als Reichstagsabgeordneter rücksichtslos ange— 
zriffen. 
Insbesondere waren es die christlichen Gewerkschaftsführer Im— 
busch uUnd Effert, sowie die „Saarpost“, die in schärfster Weise gegen 
den Zentrumsabgeordneten Koßmann vorgegangen sind. 
Treffend schreibt die. Reunkircher Zeitung“ Nr. 24 (1913): 
Die Gewerkschaft über alles! 
Die „Saarpost“ hat sich mit ihrer rücksichtslosen Bekämpfung des Zen— 
rumsabgeordneten Koßinann wegen dessen Haltung in der Streilbewegung in 
eine sehr heikle Lage hineinmanoͤveriert, die ihr manche Vetlem mungen ver⸗ 
ursachen muß. Denn die Zentrumsanhänger, die in Treue zum Zentrum 
halten und die Zentrumssacheé nicht mit der Gewerkschaftsfrage verquicken, sind 
mpört über dliese rücksichtslose Bekämpfung des Abgeordneten seitens der 
Saarpost“. Diefer ist im vorigen Jahre unter nicht dagewesenem Jubel der 
Zentrumsleute in und außerhalb des Wahlkreises ee aus dem Kampfe 
mit den Liberalen hervorgegangen, und er hat seinen Platz im Reichstage zur 
dollen Zufriedenheit seiner treuen Wählerschaft,aus— 
gefüllt. Vom Zentrumsstandpunkt bestand demnach nicht der 
geringste Grund, den Mann des Vertrauens der Zentrumswähler anzugreifen; 
sm Gegenteil, man freut sich aufrichtig, den rechten Mann am rechten Platze 
zu haben. Nur der „Saarpost“, die auch ein Zentrumsblatt sein will, gefiel 
diese Harmonie nicht. Der Abgeordnete Koßmann teilt ihren Gewerk— 
schafüsstanmdpunbkt nicht, und er erlaubte sich, in der Streikbewegung 
inderer Meinung zu sein wie der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter, und 
diese Meinung zům Besten der Bergarbeiter auch öffentlich zu vertreten. Das 
var Grund genug, ihm die Freundschaft zu kündigen und zu versuchen, ihm 
das Vertrauen seiner Wähler zu entziehen. Die Kampfesart, die die „Saar— 
post“ in ihrem Feldzug einzuschlagen beliebte, ist nur zu gut bekannt, site 
unterscheidet sich wederim TonnochinderHeftigkeitvon 
den besten Leistungen der linksliberalen Presse vor und 
nach der Wahl. Keine Andeutung von der Gemeinsamkeit irgendwelcher 
Interessen, keine noch so geringfügige Anerkennung des ehrlichen und auf⸗ 
richtigen Handelns eines Mannes, der seinen Standpunkt mit gewichtigen 
Gründen slützte, trat in diesem Kampfe der „Saarpost“ zutage. Wie der größte 
und grimmigste Feind stellte sie sich ihm mit der vollen Spaltenbreite ihres 
Papiers gegenüber. 
Unter diesen Umständen ist es zu verstehen, daß die Zentrumswähler 
sich über eine solche rücksichtslose Kampfesweise empörten. Mit vieler Mühe
	        
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