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den Berlinern die Kastanien aus dem Feuer holen. Unser Verbandsorgan
lassen wir nicht im Stich.“
Die Herren scheinen den Brief nicht gelesen zu haben, sonst müßten
sie wissen, daß es der Wunsch des Bischofs war, seinen Willen allen Berg—
leuten in „geeigneter Weise!“ mitzuteilen. Ist vielleicht ein katholisches Blatt
kein geeigneter Weg? Herr Becker bewies, daß die katholische Presse, die
exklusiv den gewerkschaftlichen Standpunkt vertritt, noch viel schärfere Töne
angeschlagen habe als die „Saarbr. Volksztg.“. Es half alles nichts. Da zog
Herr Becker die Resolution zurück. Der einzige nieeerbe Protestant erhob
sogar noch Protest gegen die ruhigen Ausführungen Beckers. Es käme ihm
vor, meinte er, als sei er in einer katholischen „Arbeitervereinsversamm⸗
lung“.
Laut „Neunk. Ztg.“ (Nr. 30 vom 6. Februar 1913) fand in Urex—
weiler eine Versammlung des katholischen Arbeitervereins statt. Nach
Erledigung des geschäftlichen Teils hielt Arbeitersekretär Hams einen
Vortrag uͤber die jüngsten Vorgänge im Bergbaugebiet der Saar.
Einige christliche Gewerkschaftler suchten durch fortwährende Unter—
brechungen Stimmung gegen den Redner zu machen, hatten dabei aber
entschieden Pech; denn sie gaben damit dem Redner günstige Gelegen—
heit, manche von den Gewerkschaftlern kolportierten Unrichtigkeiten in
das rechte Licht zu stellen. In der Diskussion, die sich an die Aus—
führungen des Arbeitersekretärs anschloß, versuchte der Knappschafts—
älteste Rohner die Haltung des Gewerkvereins zu rechtfertigen, vor
allem in der Knappschaftssache, mußte aber selbst zugeben, daß die
meisten der von ihm genannten Anträge in dieser Sache zuerst von
der katholischen Arbeiterorganisation gestellt worden waren und die
Gewerkschaft sie erst später abgeschrieben hat. In eingehender Weise
suchte der Knappschaftsälteste die Angriffe des „Bergknappen“ auf
den Bischof von Trier zu rechtfertigen, und erklärte, daß er wie
auch die Zahlstelle der Christlichen voll und ganz
auf dem Standpuntt des Bergknappen“ stehen. Der
Protest der Anwesenden hat ihm denn auch gezeigt, was diese von
einer solchen Haltung denken.
Welche Gefahren interkonfessionelle Gewerk—
schaften auch für die kirchlichen Grundsätze)) haben,
zeigt folgendes Beispiel aus Sulzbach b. Saarbrücken laut „Saarbr.
Volksztg.“ (vom 21. Januar 1913, Nr. 17):
Sulzbach, 20. Januar. Die gestrige Generalversammlung des Kathol—
Knappenvereins gestaltete sich recht interessant. Zuerst erfolgten Vereins—
bericht, Rechnungsablage und Neuaufnahme. Auch die Neuwahl des Vor—
standes vollzog sich schnell und glatt, indem der bisherige Vorstand wieder—
gewählt wurde. Lebhaft wurde die Debatte, als es sich um Berufung gegen
eine Ausschließung durch Vorstandsbeschluß handelte. Es handelte sich um
ein Mitglied, das sich von seiner katholischen Ehefrau gerichtlich scheiden
gelassen und bei Lebzeiten derselben eine sogenannte zweite „Ehe“ mit einer
andersgläubigen Person geschlossen hatte. Die überwältigende Mehrheit der
Versammlung stellte sich bei der Abstimmung auf den Standpunkt der durch
19 Jahrhunderte als überaus segensreich für Familie und Gesellschaft bewähr—
ten katholischen Ehegesetzgebung, wodurch die Unauflöslichkeit der christlichen
Ehe bekundet und geschuͤtzt wird. Sehr merkwürdig bei dieser Debatte und
1) In Namborn erklärte am 29. Dezember 1912 C. Koster, ein christ—
licher Agitator, als er auf die päpstliche Enzyklika Singulari quadam hinge—
wiesen wurde: „Das sind so Ansichten (1) des Papstes.“ — Und solche Leute
wollen dann Anführer und Lehrer katholischer Arbeiter sein.