„alle Gemeinden der Grafschaft Petitionen an den Konvent
sandten, um ihn zu bitten, über ihr Schicksal zu bestimmen“ usw.
Wir haben es hier mit einem Schulbeispiel jener französischen Ge—
schichtsklitterung zu tun, die sich in den Dienst der französischen
Saar- und Rheinpolitik gestellt hat “).
kKapitel V.
Die französische Verwaltung und das
Verhalten der Saarländer
in den Jahren 1795 bis 1801.
Den in der ersten idealen Begeisterung der Revolution von der
französischen Nation aufgestellten Grundsatz, keine Eroberungen
machen zu wollen, ließ man so schnell fallen, wie man ihn auf—
gestellt hatte. In der zwar nicht durchgeführten Derfassung von
1793 ist er nicht mehr zu finden. Die Außenpolitik, die während
der Schreckensherrschaft Robespierres stark in den Hintergrund
getreten war, konnte nach dessen Sturz wieder in bestimmter und
klarer Form in die Bahnen der alten Tradition gelenkt werden.
Die im Sommer 1794 errungenen Siege gewährten dem neu—
gebildeten Wohlfahrtsausschuß, dem „Comité des Jahres II“, die
Möglichkeit, dem Ziele, die „natürlichen Grenzen“ des Rheines
zu erringen, intensiver zuzustreben “*). Obwohl die innerpolitische
Cage auf einen baldigen Frieden drängte und die „Partei der alten
Grenzen“, die keine Gebietserweiterungen wünschte, eine rührige
Tätigkeit entfaltete, dem maßlosen Eroberungsplane entgegen—
zutreten, gehörten die Sympathien des Dolkes den Radikalen. Es
schien, als könnten deren machtpolitische Tendenzen am ehesten
Frankreich wieder zur führenden Macht auf dem Kontinent er—
heben.
Es ist nicht ohne Bedeutung, daß der Wohlfahrtsausschuß Mer—
lin von Diedenhofen, der zu den eifrigsten Anhängern der „Partei
der natürlichen Grenzen“ gehörte, in das besetzte Gebiet ent—
sandte, um die gröbsten Mißstände zu beseitigen und eine straffere
273) Dieses Verhalten der Bewohner der Grafschaft gegen die französischen
Annexionsbestrebungen bildet keine Ausnahme, sondern ähnliche Vorgänge
lassen sich für das Rheinland in größerer Zahl nachweisen (vgl. Springer,
a. a. O., Remling, a. a. O, und Kleinschmidt, a. a. O.).
872) Sorol, a. a. O. Bd. IV S. 167 ff.
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