Full text: 1914 (0002)

Nr. 9 ναιαν Gũudwestdeutschland ;σσOαν Heite ] 05 
sicherlich keine Hhungerlider waren. Sie ließen gelegentlich was 
draufgehen „unn wenn der Beddelsack an der Wand 
verzwadderte“. Das geht aus den alten Verordnungen gegen 
den zunehmenden HAufwand bei Rindtaufen und ähnlichen Festen 
deutlich hervor. Bei Rindtaufen und Kirchweihen hat sich dies bis 
in die letzten Jahrzehnte hinein erhalten und dabei waren die Chen 
im Saarbrücker Land mit Kindern reichlich gesegnet. 
In den Redensarten „ummer vunn Daarle“ usw. haben 
wir gesehen, wohin der Spott zielt. Aus der unabsehbaren Menge 
menschlicher Dummheiten und Torheiten sucht er sich mit Vorliebe 
seine Opfer aus. Das „Dumm mache“ oder „vorr dumm 
verkaafe“ ist daher algemein im Schwung. Nun ist die Dummheit 
ja eigentlich ein Naturgeschenk, eine Art Mimikri des Geistes, ein 
Sschutzmittel, das den damit gesegneten sicher durch des Lebens 
(abyrinth geleitet. Die Dummheit ist fruchtbar (manchmal auch 
furchtbar); ihre Kinder gehören zu denen, die nicht alle werden. 
vie belohnt aber auch die treue Gefolgschaft, denn der Dumme hat 
Hlück und „Singerschlang Glick iß meh wert wie aarmes— 
lang Verstand“ sagt der kundige Volksmund. Wenn die Bauern 
daher schon ohne Ausnahme dumm sind, so hat begreiflicherweise 
„der dommscht Bauer die diggschte Grumbiere“. Ist es 
nicht merkwürdig, daß trotz des sprichwörtlichen Segens, der über 
der Dummheit waltet, kein Mensch dumm sein, oder auch nur für 
dumm gelten will. Es ist wirklich zu dumm. Wie schwer fällt oft 
das Geständnis: „Ich hann ä Dommhät gemacht“ und den 
Vorwurf der Dummheit läßt keiner auf sich sitzen. Ganz so kitzlich 
wie in Studentenkreisen, in denen ein „dummer Junge“ gewöhnlich 
einen Ehrenhandel verursacht, ist man im Volk ja nicht. Verbalinjurien 
wie Dummbeidel, Dummniggel, Kalb Moses — Kalb 
bedeutet ja schon im Mittelalter dummer Mensch — Dirmel, dumm 
Schof, und wie die anzüglichen der Zoologie entlehnten Titel alle 
lauten, werden gewöhnlich mit gleicher Münze heimgezahlt, schlimmsten 
Falles macht eine gut bürgerliche Ohrfeige etwaigen Frechheiten 
rasch ein Ende. 
Ich habe noch kurz einen besonderen Typus der Dummheit oder 
desser der Einfalt zu betrachten, den die Volkslaune sich im 
Sliestal 
Sliesmengen 
„Kaarelche vunn Bischmisse“ geschaffen hat. hier feiert der 
infreiwillige Humor seine volktümlichen Triumphe. Eine einfache, 
»umme Wortverwechslung, die sich das Kaarelche leistet, wenn es 
uft: „Mudder brings hous vor's Licht,'s Kalb hat ä 
fuh gemacht“ ist hinreichend, um wahre Lachsalven zu erregen. 
der Witz scheint sehr mager, doch bitte ich zu bedenken, daß vor 
richt gar langer Zeit der Berliner Possendichter Brennglas bezw. 
hlasbrenner mit denselben Witzen sogar das gewiß verwöhnte und 
vegen seiner scharfen Zunge berühmte reichshauptstädtische Publikum 
»is zum Lachkrampf kitzelte. Die auch bei uns ganz gewöhnliche 
dedensart „eskist die höchste Cisenbahn“ für „es ist die höchste Zeit“ 
erdankt seine Entstehung diesem Glasbrennerschen Verstellungswitz. 
den Gipfelpunkt unfreiwilliger Komik aber erreicht das Kaarelche 
n seiner Rolle als schwer beleidigte Unschuld, als „gekränkte Leber— 
vurscht“. Weinend sitzt er auf der Türschwelle und wie die mitleidige 
Zas ihn fragt: „For waß heilschte dann eso mei 
diewersche?“ antwortet er mit Schlucken und Stoßen: „Ei, jetzte 
rann ich finef Dällere (5ß Teller) voll Grombieresubb 
zäß unn drei Quetschekuche unn do hann ich noch 
vollenäklänstiggelche hann unn do hat mei Modder 
jesaat, ich wär ä Freßpans, hu! hu!“ 
Dieses Karlchen, das den verschluckten „Balken“ nicht beachtet 
ind wegen des nur noch begehrten „Splitterchens“ den Nimmersatt 
ils Ehrenkränkung empfindet — ist es nicht ein treffliches Bild des 
ingebändigten, angeborenen Eigennutzes in seiner naiven Anmaßung 
ind Empfindlichkeit? Im „Kaarelche“ verlacht das Volk sich selbst, seine 
igenen Schwächen und Torheiten und wo die kalte, nüchterne Vernünf— 
igkeit nur tauben Ohren predigen würde, da gewinnt der warmherzige 
dumor immer noch eine dankbare Zuhörerschaft. Den derben und tüchtig 
irbeitenden „Saarbrücker“ aber kleidet dieser Zug besonders gut. 
Der gesunde, der berechtigte Spott ist ein kaum zu entbehrendes 
Mittel im menschlichen Verkehr, er rüttelt auf, würzt die Kritik und 
zilt mit Recht als kulturförderndes Mittel, das sogar in gewissen, 
zindlichen Wortspielen schon erziehlich wirkt. Dieser Spott verbindet 
iich gerne mit dem humor und wird so erst recht erträglich. Aber 
der Spott, der sich selbst Zweck ist, stößt ab durch die Kälte und 
Photo E. & W. 
Aufgen. m. hauffs Flavinplatte
	        
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