Full text: 1914 (0002)

Heite 164 
ινν Siudwestdeutschland ααασ 
vααν Nr. 9 
Das mundartliche Leben des Saarbrücker Landes im Hpiegel der 
Sprichwörter und Redensarten. 
(Nachdruck verboten) Beitrüge zur Heimatkunde von Lud wig Blatter, Kal Seminarlehrer. Fortsetzung) 
okaler Natur sind alle jene Redensarten, die sich an eine 
P Grtlichkeit knüpfen, wobei natürlich nicht ausgeschlossen 
ist, daß anderwärts ähnliche Kedensarten bestehen. Bemerkens—- 
wert ist folgendes: Cin „tJwwergescheider“ ist ein Mensch, der 
alles besser wissen will, der die Flöhe husten hört und das Gras 
wachsen sieht. Von ihm wird gesagt: „Der sidd ah d'r Kuh 
am hinnere aan, was d'r Budder in Määnz gillt!“ UKann 
man die „Dreimolneingescheide“ drastiger ad absurdum 
führen? Eine interessante Tätigkeit zeigt uns die Redensart: 
„Schneggenohmetzdreiwe!“. Das ist sowas für den Saulenzer 
für den „Ploomacher unn Schichtestubber“; aber auch der 
unnütze, aufdringliche Frager, der sich nach unserem Tun und Treiben 
erkundigt, kann damit abgewiesen werden, wobei dann gewöhnlich 
der „Wink mit'm Scheierdor“ nicht fehlt in Form des Zusatzes 
„unn Dummniggele serick!“ (Unser Dummnickel — dummer 
Nickel ist gebildet wie Dummerian — dummer Jan.) 
Die Untugend, alles besser wissen zu wollen, wird im rhein— 
fränkischen Gebiet mit Vorliebe dem Vorderpfälzer, dem „Pälzer 
Krischer“ nachgesagt. Sein Lob läuft gewöhnlich in eine Anpreisung 
der eignen Vortrefflichkeit hinaus. Er sagt daher: Jo, jo, er hatts 
joganz guud gemacht, awwerich hätts doch noch besser 
gemacht, määnschte nit?“ Wie sagte doch jener Pfälzer zum 
stolzen Altbayer, der meinte, einer seiner Landsleute wiege zwei 
pfälzer auf? „Oh joo“, sagte der Pälzer hubbser „bei uns 
driwwe isch ääner geschaider wie hiwwe zwä Ort— 
schafte!“ Einen ähnlichen Charakterzug kann man auch bei uns 
feststellen. Man betrachte nur einmal die Redensarten „Pummer 
vunn Daarle, Dummer vunn der Rußhitt, Dummer 
ounn Dääschtersch, Dummer vunn der hanggard“ usw. 
Mit dem heute geläufigen Begriff „dumm“ verbindet sich in diesen 
Beispielen allerdings noch die ältere Nebenbedeutung „arm“: Der 
Arme, der leer ausgeht, ist natürlich zugleich der Dumme. In diesen 
Redensarten kommt ferner der alte Gegensatz zwischen Stadt und 
Cand, zwischen dem bildungsstolzen Bürgertum und dem naiven 
Bauerntum zum Ausdruck. Haben nicht gerade die Stadt-Saar— 
brücker von jeher gerne den Daarler Bauern am Zeug geflickt! 
Man kann ia noch heute das alte Spottverslein hören: 
„Daarler, Daarler Wigge-Wagge 
Mit de bräde — hinnerbagge!“ 
Es lebt in allerlei Lesarten im Kindermunde fort. Für St. Johann- 
Saarbrücken sagt man auf dem LCande kurzweg „die Stadt“. 
Die „dummen Dorfteufel“ hatten damit die Vereinigung der Saar— 
städte längst — antizipiert. Der kurze Ausdruck „die Stadt“ hat 
für den Cokalunkundigen allerlei Mißverständnisse im Gefolge, wie 
die zuweilen recht lebhaften Auseinandersetzungen über dieses Thema 
an den Schaltern der Bahnhöfe zeigen. Daß übrigens die „dummen 
Bauern“ dem „hellen Städter“ die Antwort nicht schuldig bleiben, 
ist klar. Sie sprechen von Städter Fribbche, Windbeidel, 
Schwindeler (worunter in erster Linie ein Mensch zu verstehen ist, 
der mehr an sein Außeres hängt, als sein Geldbeutel verträgt) und 
haben noch derbere Ausdrücke für die Pflastertreter, in denen der 
französische „Po wei“ sich erhalten hat wie sein Candsmann Frippon 
in Fribbche. Neuerdings bildet sich auch mehr und mehr ein 
Unterschied zwischen dem eigentlichen Industriegebiet und den 
angrenzenden, mehr ländlichen Gegenden aus. Davon wissen besonders 
die Köllertaler Bauern und ihre nördlichen Nachbaren aus dem 
„Bohnental“, die „Böhnerde“ ein Lied zu singen. Die alte 
ornkammer der Grafschaft, das Colredalio, noch zur Zeit des 
30⸗jährigen Krieges berühmt durch seinen hafer, heißt heute 
scherzweise das Kälwerdal oder auch das Hartfießerdal. Seine 
fleißigen Bewohner, die gewöhnlich Bergleute und zugleich Bauern 
sind, heißen deswegen auch Hartfießer. Diese Bezeichnung ist an 
sich recht harmlos, aber bezeichnend. Der Köllertaler Bergmann 
hatte früher gewöhnlich einen sehr weiten Weg zur Grube und 
deswegen derbe Schuhe nötig, die seinen Tritt schwer und wuchtig 
machten. Er trat hart auf, er hatte mit einem Wort, harte Füße. 
Es ist nur eine Folge der obenangedeuteten Unterscheidung und 
Absonderung des Industriegebietes vom „platten Lande“, wenn man 
neuerdings auch anfänat von „Palzer hartfießer“ zu reden, zu 
denen auch die „ßautabbese“, die wackeren Bewohner des 
chönen „Gaues“ gehören. 
Nun, das ist alles nicht so bös gemeint, zudem bleiben die von 
iesen Sticheleien Betroffenen die Antwort nicht schuldig. Auch die 
»inzelnen Dörfer foppen sich gegenseitig. Der soldatenfreudige 
aarbrücker nennt jeden, der nicht „gedient“ hat, einen „Pittlinger“ 
»der sagt, der hat „bei de Pittlinger husare“ gedient. 
Rttlingen hatte früher auch die Ehre, zu den „drei heegschte 
dame“ zu gehören. Die hießen nämlich: „humes, hirscht unn 
)Rittlinge“. Ein lustiges Stücklein wurde früher von habach erzählt. 
)anach soll ein Bettler, der mit gefülltem Schappsack in das Dorf 
ind leer wieder heraus kam, den philosophischen Ausspruch getan 
saben: „habach, an dir hann ich Brot zugesetzt! Der 
leser lasse sih aber hierdurch nicht zu einem Vorurteil verleiten. 
kr greife vielnehr an einem schönen Frühlingstage, wenn die Obst— 
»äume blühen, zum Wanderstabe und lenke seine Schritte ins saaten— 
zrüne, wellige Köllertal. Er wird seine Freude haben an den 
chmucken Dörfchen, wo noch mancher alte, stattliche Bauernhof 
wischen den moderner gehaltenen, sauberen häusern der Bergleute 
nder Würde des Alters lagert. Unvergeßlich wird dem Wanderer 
iber der Blick von der Riegelsberger höhe das Tal hinauf sein. 
Venn er dann das Tal durchwandert und in den Illgau kommt, in 
ie ehemalige Herrschaft der Hherren von Kerpen, deren Burg noch 
eute im freundlichen Illingen steht, dann hüte er sich vor der 
heinbar so harmlosen Bemerkung: „'s wär jetzt noch Zeit!“ 
3. B. um einen bestimmten Sug zu erreichen). Dieses Wort hat 
zauberkraft und setzt Hebel und Fäuste in Bewegung. In Illingen 
elbst kann er vielleicht von einem gesprächigen Alten erfahren, 
velche Bewandtnis es mit diesem Worte hat und dann die lustige 
Näre von einer Cichertsjagd (Eichert — Eichhörnchen) hören, die 
nan anno Tobak in dortiger Gegend abgehalten hat. Es ist ein 
chtes Schildbürgerstücklein. An Schildas unvergänglichen RKuhm 
zrinnert uns auch folgendes. Auf dem Elmerschberg (Elversberg) 
»roben, wo man die schöne Aussicht ins „Pälzer Ländel“ hat, sollen 
ie die große Kunst verstehen, den Schnee zu dörren; wenigstens 
vird erzählt, daß man dort früher einmal den Bau einer „Schnee— 
rockel“ (Dorrichtung zum Schneetrocknen) beschlossen habe, um den 
m Winter sehr überflüssigen Schnee für die heißen Sommertage 
rufbewahren zu können. Das Unternehmen ist aber wohl — zu 
Wasser geworden. 
Von Elversberg ist's nicht weit nach Spiesen und „in Spiese 
ß nit vill se genieße“ sagen böse Menschen. Wir wollen uns 
iber durch diese Verleumdungen nicht abhalten lassen und „grad ze 
ääds“ in Spiesen einkehren. Geht uns dabei das Geld aus — 
ꝛi, was schad's — wir gehn dann einfach „bei die Baß Lehn“ 
»der noch besser „Fbei de Ratzehannes vunn Neinkirje“ 
Neunkirchen), der soll ja „Geld wie Bach, wie Caab hann, 
»er hats uff Heife hugge, daß iß ä Geldmännje, der 
vat Stubbes un Mummes und Geld se fresse.“ 
Was sich liebt, das neckt sich, sagt das Sprichwort. Das gilt 
auch für die freundnachbarlichen Dörfer, die sich gegenseitig foppen 
uind auch mal verkeilen zur Abwechssung. Die Cokalredensarten 
ind daher vorwiegend Lokalsatiren und das ist kein Wunder, denn 
der Saarbrücker uzt und stichelt gern, meint es aber nicht böse. 
Venn er nach des Tages Arbeit seinen Schoppen trinkt, dann muß 
iuch ein bischen gehänselt und gestibbelt werden, wenn nicht 
zerade ein Spielchen zusammen geht, d. h. „die Kaart geklobbt 
vird. Natürlich gilt dabei das schöne Wort ausgleichender 
hberechtigkeit: Wurst wider Wurst, wie Du mir, so ich Dir, wer 
rusdäält, der muß ah instecke und wer mit kächelt 
kegelt) muß ah mit uffsetze. Wem das nicht gefällt (und es 
zibt auch solche Käuze, die nur austeilen wollen), der „laß die 
hdandvunn der Kaart“ und mische sich nicht ins Spiel. Diesem 
pottfreudigen Charakterzug werden wir noch öfters begegnen. 
Was man aus KRedensarten alles herauslesen kann, das zeigt 
uins auch die obige: „Wer mit kächelt, der muß ah mit 
uffsetze“. HRuf die heutigen Verhältnisse paßt es nicht mehr. Den 
»Pielern fällt es gar nicht mehr ein, die Kegeln selbst aufzusetzen, 
das besorgt der Kegelbube, der die „Fähncher und Kränzjer“ 
iusschreit. Die Alten waren auch hierin genügsamer, obagleich sie
	        
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