Full text: 1914 (0002)

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ιι Sũudwestdeutschland οα 
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ist bekanntlich das nußknackerähnlich sich bewegende Werkzeug, mit 
dem der in der Brechkoul geröstete Hanf gebrecht d. h. gebrochen 
vurde. Ein sehr behäbiger herr muß der Schichtmeister sein. 
Wenigstens vertritt er bei uns den Typus der Wohlbeleibtheit 
ebenso, wie anderwärts der Bierbrauer, der Amtmann, der Dom— 
herr usw. Von einem Wohlgenährten heißt es daher: „Er hat 
i Bouch wie änSchichtmeischter!“ Der Schichtmeister ist tat— 
ächlich seit alters eine „gewichtige“ Persönlichkeit im Bergmanns— 
leben, er zahlt ja den Lohn für die geleisteten Arbeitsschichten aus. 
Wenn die obere Grubenbehörde, das Bergamt, die Grube besichtigte, 
dann hieß es: Es wird Bergamt abgehalten! Darum sagt man 
roch heute, wenn Männer gesprächsweise auf der Straße beisammen— 
tehen, scherzweise: Die halle Bergamt ab! 
Eine merkwürdige Redewendung ist die vom „Paff vunn 
Noolscht“ (Malstatt). Es liegt in ihr etwas von Trotz, von 
Behauptung des Eigenwillens gegenüber der Autorität. Man sagt 
z. B.: „Ich duns nit unn wann der Paff vunn Moolscht 
zummt!“ Wenn ferner ein Unbekannter durch Offenbarung seiner 
Amtseigenschaft seiner Forderung Nachdruck verschaffen will, kann 
er unter Umständen die Antwort bekommen: „Mir ganz egal, 
unn wann de Paff vunn Moolscht bischt!“ Der „Pfaffe 
von Malstadt“ ist also eine Respektsperson. Der üble Nebensinn 
übrigens, der heute mit dem Wort „Pfaffe“ verbunden wird — in 
der Mundart nicht immer — bestand bekanntlich früher nicht. Jeder 
heistliche wurde mit „Pfaffe“ bezeichnet. Wer ist dieser „Pfaffe 
»on Malstadt“? Ich habe schon vor Jahren die Vermutung 
iusgesprochen, daß ursprünglich damit niemand anders gemeint war, 
ils Friedrich Köllner, der ehrwürdige Begründer der Saar— 
zrücker Geschichtsschreibung. Diese Ansicht hat mir dann herr 
ohmeyer, der sich bekanntlich viel mit der Kultur- und Runst— 
jeschichte unserer engeren Heimat befaßte, aus Überlieferungen einer 
ilt⸗Saarbrücker Samilie bestätigt. Er war selbst ursprünglich anderer 
Neinung gewesen. Köllner war in der ersten Hälfte des vorigen 
Fahrhunderts Pfarrer in Malstadt. Während der französischen 
zremdherrschaft übte er als Dolmetscher zwischen den fremden Beamten 
ind der einheimischen Bürgerschaft einen bedeutenden Einfluß aus 
ind bekleidete auch verschiedene wichtige Amter. So war er zuerst 
„Commissaire du directoire éxécutif du canton 
l'Arnual“, dann „expert du domaine“, „percepteur 
zentral und schließlich mnotoire public au Départéement 
le la Sarre“. Als die Fremdherrschaft eine Ende nahm, wurde 
» Bürgermeister der beiden Saarstädte, welches Amt er bis 1823 
»ekleidete. Köllner war also ein Mann, der eine „große hand“, 
‚ä große Tabbe in der Stadt“ hatte und im öffentlichen Leben eine 
zolle spielte, wie sie nur selten einem Geistlichen zuteil wird. Eben 
eswegen gab er Anlaß zu obiger Redensart. Aus dieser Redensart 
pricht übrigens auch der Widerstand der Saarbrücker gegen die 
mordnungen der französischen Herrschaft. 
Anmutige Sünger der heimatlichen Winterfluren. 
SIkizze aus dem winterlichen Vogelleben. 
chneeverweht und einsam still liegen Dorf und Slur. Zauberische 
Märchenpracht und barocke Phantastik weben um hecken und 
Gesträuch, die das schneeige Weiß dick vermummt. herbe 
duft fegt über das Gelände und läßt die weißglitzernden, spitzigen 
kristalle von Baum und Geäst niederrieseln. In den hecken draußen 
im Wegrande vor Dorf sitzen verdrießlich schilpsende Spatzen. Ein 
Dompfaff kauert verfroren auf einer krüpplichen Hagebuche und läßt 
zuweilen seinen melancholischen Flötenruf hören. hungrige Raben 
tieben scheu von den Chausseebäumen auf, von denen dann eine 
Wolke feinen Schneestaubes niederwirbelt. 
Da — mitten hinein in die kalte, herbe Schönheit und das große 
zchweigen fröhlicher, kecker Vogelsang, ein fast übermütiges Trillern, 
das gar eigen anmutet. Vor uns auf einer schwanken Ranke des 
hagedornstrauches sitzt eine kleine, koboldhafte Gestalt, äugt uns 
reuherzig an, stelzt das kurze Schwänzchen senkrecht in die Höhe, 
wippt possierlich auf und nieder und huscht dann, eher einer Maus 
als einem Vogel ähnlich, dicht über die Straße hin zum KReiserhaufen, 
der dort liegt, von dorten es wie in unversiegbar heiterer Laune erneut 
und kräftig wieder hinaussingt, unbekümmert um Lälte und Winternot. 
Das ist Zaunkönigart. Und dem, der sie sieht und hört, „dem 
im Winter beim Liede des Zaunkönigs das herz nicht aufgeht in der 
Brust, der ist ein freudloser, trauriger Mensch“. GBrehm.) In der 
Tat, von dem drolligen kleinen Kerl könnte mancher Kopfhänger 
heilsam lernen. 
In auffallendem Gegensatz stehen beim Saunkönig seine winzige 
Bestalt und die überraschende Kraft seiner Stimme. Er ist nahezu 
der kleinste unserer heimischen Sänger, nur um ein geringes größer 
als das weit mehr im Verborgenen lebende Goldhähnchen. Und doch 
zeigt die Figur des Zaunkönigs eine gewisse Kraft und Stämmigkeit 
bei einem höchst reizwollen und anziehenden Wesen. Die Brust gesenkt, 
das kurz gestutzte Schwänzchen in die Höhe gerichtet, so zeigt er sich 
don Zeit zu Zeit auf einem freien Ast der hecke, einem Baumstrunk 
oder einem Schilfstengel im bruchigen Kied. In dieser Stellung bietet 
er ein Bild burschikoser und doch wieder anmutiger Keckheit, gepaart 
nit ängstlicher Vorsicht. Wie ein Schatten huscht er dann weiter, 
dringt mit größter Leichtigkeit in das Gewirr von Wurzeln, Dornen 
uind Ranken, zwängt sich mühelos durch Löcher, Kitzen und Spalten, 
und taucht dann mit fröhlichem Schnarren an einer Stelle wieder auf, 
wo wir sein hervorkommen gar nicht vermuteten. Gleichsam als 
wolle er zur Verfolgung auffordern, schnurrt er in gerader Linie 
äber den Boden hin, sorglich aber am schützenden Gebüsch sich haltend. 
Deutlich merkt man, wie ihm beim Überfliegen weiter Strecken bald 
die Kraft der kleinen Schwingen versagen müßte. Nimmt man seine 
herfolqung ernstlich auf, so verschwindet er furchtsam in ein Versteck. 
vozu ihm nicht selten ein Mausloch dient. Sein rotbraunes, dunkel 
zewelltes Federkleid paßt sich aufs engste dem Gekräut und ver— 
rockneten CLaube an. 
Die Fertigkeit des Zaunkönigs im Entschlüpfen kann man so recht 
n seinen Lieblingsrevieren zur Winterzeit beobachten. Diese sind 
dann an Teichen und sumpfigen Ufern zu suchen, wo die Schilf- und 
zinsenbüchel im Perein mit dem Geflecht des Wurzelwerkes von 
Veiden und Erlen ihm vortrefflich schützende Schlupfwinkel gewähren. 
jin unsern Knabenjahren war es uns ein besonders reizvolles Ver— 
znügen, am eingefrorenen Dorfteich auf den kleinen Schlüpfer Jagd 
u machen. So oft und sicher wir jedoch glaubten, ihn irgendwo 
estzuhaben — immer sahen wir uns in dieser hoffnung getäuscht. 
Vährend wir noch gespannt die schnell umzingelte Einschlupfstelle 
imstanden, jeden Augenblick zum Zugreifen bereit, war Freund Zaun— 
zönig schon weit davon. Mit einem höhnenden „Serr zerr!“ und 
ꝛinigen Knicksen empfahl er sich, und die Umsicht und Wachsamkeit 
»es behenden Vögleins ließen uns bald die S3wecklosiqkeit unseres 
Beginnens einsehen. 
Cieb, wie kaum eine andere Vogelgestalt der Heimat, ist mir der 
zleine Bursche gerade in den KRnabenjahren geworden. Jedesmal, 
venn ich seine Stimme höre, wird mir die Erinnerung daran wach, 
vie wir in der Frühe des Wintermorgens den dunklen, hals- 
recherischen Kirchenpfad uns hinuntertasteten — öfters auch auf 
»em Hosenboden den steil abschüssigen Steig hinabrutschten, wenn 
ach der Wärme des noch nicht lange und nur so schwer verlassenen 
zettes die eisige Kälte uns um so empfindlicher in Wangen und 
hhren schnitt und eilige hast uns trieb, rechtzeitig zum Läuten den 
hlockenturm zu erreichen. Den einen höhenrand des tiefen Hohl—⸗ 
oeges, durch den der Pfad hinabführte, säumte eine uralte lebende 
secke von verkrüppelten Hainbuchen; die Abhänge der andern Seite 
daren von Brombeergerank und Schwarzdorngestrüpp überkleidet. 
»as war das königliche Revier einer Reihe „derer vom Saune“. 
ind mit unbedingter Sicherheit begrüßte uns jeden Morgen in 
hunkelheit und Kälte das kecke Schnarren des kleinen Pögleins, das 
ins so heimlich und vertraut immer anmutete, wie der frohe Gruß 
ines lieben Menschen, dem wir Tag für Tag an der gleichen Stelle 
egegnen und den wir vermissen, wenn wir ihn einmal nicht an der 
ewohnten Stelle finden. 
Im Winter ist der Zaunkönig nicht selten in der nächsten Nähe 
nenschlicher Wohnungen und selbst in den Gebäuden anzutreffen, wo 
ꝛx dann ein ganz zutrauliches Wesen zeigt. Vom nahen Garten 
ind Gehöst schlüpft er zum Keiserhaufen im Hof, zum holzstoß in 
zchuppen und Scheune, von dort in Gelasse und Ställe, wo er auch 
ächtigt. So konnte ich in einem Winter regelmäßig in der Abend⸗ 
ämmerung beobachten, wie er gewohnheitsgemäß das hühnerloch
	        
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