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voææcx*x Seite 73
In grauer Porzeit war's.
Don Rarl Leibrock, Einöd, Pfalz.
m Eichenschatten am Weiherufer, wo träumerisch die Wellen
spielten und buhlten, saß einsam und starrte stumm zum himmel
empor Berthold, der Burgherr von Kirkel. In grauer Vorzeit
war's, von der selbst die Sage nichts zu melden weiß.
Im Weiher spiegelten sich die alten Waldriesen, die trotzig bis
zum Uferrande vorgeschritten waren, als wollten sie dem Wasser
wehren, weiter zu wühlen am Fuße des Berges, dessen Gipfel Burg
Kirkel trägt. über den Wald herüber trotzte die starke Feste und
hob sich mit ihren weißgrauen Mauern scharf vom dunklen hinter—
grund, dem kiefernbestandenen hirschberg ab. Am himmel standen
unbeweglich weiße, wollige Wolken. In des Hochsommers Mittags-
schwüle war ringsum alles Leben zu dumpfer Ruhe gebannt, schien
erloschen. Ruhelos allein war Berthold, ruhelos wanderten seine
Bedanken.
Alles, alles hatte er von Jugend auf seinen Untertanen zuliebe
getan, deren Wohl ihm Leitstern und Kichtschnur immer gewesen
war. Zu starken und selbstbewußten, zu tatkräftigen und arbeits—
frohen Menschen hatte er die Jugend seines Landes erziehen wollen.
Aber was war erreicht?
Traurig neigte Berthold sein weißes haupt; Selbstspott umzuckte
den Mund; denn nur demütige, rückgratlose Untertanen, von denen
keiner eine eigene Meinung zu vertreten wagte, Schmarotzer und
Augendiener, Schönredner und Schmeichler umgaben den herrn.
O, wie tief verachtete der dies alles! Aber er wußte auch, wo des
übels Wurzel saß: Ihm war als Burgherrn durch herkommen und
durch Erbe Gewalt in die Hand gegeben, allein zu entscheiden und
zu verordnen, wie und was er für gut fand. Niemand war stark
genug, ihm diese Macht zu schmälern; denn er besaß von seinen
Ahnen einen Edelstein, der den jeweiligen Besitzer allen seinesgleichen
überlegen machte, der des Besitzers Kräfte vertausendfachte. Wäre
dieser Stein in eines Kaufmanns hand gekommen, alles wäre dessen
Hause zugeströmt. Wenn ihn ein Landmann sein eigen hätte nennen
dürfen, so hätten seine Felder schwerste Frucht getragen.
Das Schicksal aber wollte, daß der Stein in Kirkels Schatzkammer
geriet. Daraus hatte ihn Bertholds Ahne entnommen und ihn in einen
eisernen Reif fassen lassen, der sich eng an eine bronzene Sturmhaube
schmiegte. Diese Sturmhaube mit dem Wunderstein vererbte sich mit
dem Geheimnis von des Steines Kraft vom Vater immer auf den
ältesten Sohn.
Es war ein Glück für das Land gewesen, daß unter diesen Herren
bisher keiner war, der seine Kechte und seine Übermacht rücksichtslos
ausgeübt oder gar mißbraucht hätte. Alle hatten ihr Volk in ihrer
Art geliebt, aber
keiner so selbstlos,
keiner so tief als
Berthold. Der sorgte
sich des halb auch sehr,
daß, weil er selbst
keinen Sohn besaß,
zu seinem Nachfolger
sein Neffe, ein herrsch—
süchtiger, herzloser
Sjtreber bestimmt war.
Schon oft wollte
Berthold dem Stein
entsagen und ihn ins
Meer schleudern oder
tief in die Erde ver—
graben lassen. Doch
wer gab ihm Gewiß—⸗
heit, daß der Stein Burgruine Kirkel
nie gefunden wird,
und daß er in keine Hhand kommt. die Unheil und namenloses Elend
stiften könnte?
Da versuchte er auf andere Weise, des Steines Übermacht aus—
zugleichen und teilweise aufzuheben. Freiwillig entsagte er vielen
Vorrechten und berief aus jedem Ort die einflußreichsten und fähigsten
Köpfe, mit ihm zu raten und zu taten. Aber des Wundersteines
Eigenschaft hob auch den guten Willen auf. Wohl kamen die Be—
rufenen, doch widerspruchslos stimmten sie allen Ratschlägen und
jedem Anfraqg des Buraherern zu. Da war nicht einer, der es qewagt
hätte, zu sagen: Verzeihe Herr, Du meinst es gut, doch Du bist
im Unrecht.
Und nach solchem Widerspruch lechzte Berthold. Es ist nicht der
Mühe wert und reizt keinen helden, über Memmen zu herrschen.
Das alles durchdachte der Burgherr aufs neue, wie er einsam
um Kirkeler Weiher saß. Die Sturmhaube hatte er in die hand
zenommen und starrte auf den geheimnisvollen Stein. War das
Band nicht leicht zu lochern und wegzunehmen?
Er wendete die Haube um und um. Plötzlich entglitt sie seinen
Jänden, fiel klirrend auf die Steinbank, sprang darüber hinweg und
zollerte hurtig dem Weiher zu. Rasch stürzte Berthold nach und
rhaschte sie knapp am Uferrand, wo schon die Wellen gierig
arnach leckten.
Eine Weile stand er unentschlossen vor dem Wasser, dann wandte
er sich, raffte Wehr und Waffen auf und schritt rasch durch den
Wald, an dessen Ausgang seine Gefolgschaft harrte.
Wie er aus des Waldes Düster zu den Seinen trat, sah er in
der Ferne einen Reiter in raschem Ritt entschwinden. Uurz erkannte
er noch in dem Enteilenden seinen Burgvogt. Unmutig herrschte er
die Zurückgebliebenen an: „Weshalb verläßt der Burgvogt ohne
neinen Willen diesen Platz?“
Da trat einer der Kitter ihm entgegen, schaute ihm voll Ehrfurcht
„war, doch frei ins Auge: „Ich kann mir des Vogts Slucht nicht
rklären. Vorhin richtete er sich plötzlich auf und rief uns zu: Mir
st, als seien Ketten von mir weggenommen. Solgt mir, ich führe
Zuch zu Macht und Ehre! — Wir standen überrascht und wußten
ins sein Benehmen nicht zu deuten. Dann schwang er sich aufs
Koß und eilte fort. — — Wir selbst, herr, fühlen uns verändert;
doch unerklärlich, wunderbar ist alles.“
Erstaunt blickte Berthold den Ritter an. Die freie Sprache hatte
er nie gehört; sie tat ihm wohl.
Sollte der Bann gebrochen sein, der auf allen geruht hatte?
Sollten die Kräfte, die bisher untätig im Volke schlummerten, endlich
zelöst sein und dem Volke selbst zu gute kommen?
Doch wer hatte das Wunder getan?
Cine Ahnung faßte den König; hastig nahm er die Sturmhaube
ab. O Ahnung! O Unglück! Der Wunderstein fehlte.
Berthold hieß die Seinen abermals warten und eilte zum Weiher
zurück. Doch umsonst; nirgends fand er den Stein. Auch seine
Mannen, die er zu hilfe holte, hatten kein Glück. Der Stein blieb
»erloren. Mit ihm war des Königs großes Übergewicht verschwunden.
Feindliche Mächte, innere und äußere. wagten sich hervor, durch den
Burgꝗvogt aufge⸗
stachelt und geführt
und durch Bertholds
Neffen, geheim an⸗
fangs, dann offen
unterstützt.
Mühselig behaup⸗
tete Berthold fseine
Macht. Wäre ihm
nicht die Liebe seines
Volkes zur Seite ge⸗
tanden, ihn hätte der
z5turmwind fortge—
fegt. Diese Liebe und
die vom Volke frei⸗
willig dargebrachte
dilfe trösteten ihn
auch über die Falsch—
heit seines Neffen.
Als dieser durch die
hand eigner Anhänger gefallen war, bestimmte Berthold mit er—
betener Zustimmung des Volkes einen andern seines hauses zum
Nachfolger, einen würdigen, vielversprechenden Jüngling.
Besonders freute ihn, daß in seiner Umgebung sich immer mehr
elbstbewußte, tatfrohe Männer hervortaten, daß im Volke sich edle
früchte der Freiheit zeigten.
Aber im Geheimen schreckte ihn dennoch immer wieder die Furcht,
der Wunderstein könne in eines Unberufenen Hhand kommen. Drum
ieß er lange nach ihm forschen. Offentlich ward ausgerufen. daß