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Mundart zu verleiten. Im Gegenteil, wir sind fest überzeugt, der
richtige Gebrauch und das rechte Verständnis der Gemeinsprache könne
nur gewinnen, wenn z. B. die Schule im deutschen Unterricht — und
das ist genau genommen jeglicher Unterricht — einmal ebenso an das
Zekannte, d. h. an die Mundart anknüpfen wird, wie sie es längst mit
bielem Erfolg im naturkundlichen, geographischen und geschichtlichen
Unterricht tut. Der Einführung in den Vorstellungs- und Gefühlsinhalt
o vieler hochdeutscher Wörter und Redensarten, die dem Schüler oft er—⸗
hzebliche Schwierigkeiten bereiten, könnte die Mundart mit großem Vor—
teil nutzbar gemacht werden. Diese Forderung setzt allerdings auf Seiten
des Lehrers eine zur Zeit meist nicht vorhande Vertiefung der Kenntnis
der Mundart voraus (immerhin kann ich heute mit Befriedigung
eststellen, daß die Lehrerschaft an unseren Volksschulen begonnen hat,
diesen Vorteil nicht nur ge—
egentlich sondern auch metho—
disch auszubeuten, wie 3. B.
die Veröffentlichungen des
Heunkircher Lehrervereins be—
veisen).
Daß diese Bewertung und
Pflege der Mundart keine Zu—⸗
rücksetzung des Schriftdeutschen
bedeuten soll und kann, das
st auch die Meinung des gewiß
zuständigen niederdeutschen
Dialektdichtess und Sprach—
gelehrten Klaus Groth. In
einer Schrift: „über Mund—
arten und mundartliche Dich—
rungen“ sagt er:
„Wollen wir die Stellung
der hochdeutschen Schrift—
prache in dem ganzen deut—
schen Sprachgebiet angeben,
o können wir sagen: Die
schriftsprache ist nicht etwa
der Stamm der deutschen
5prache, woran die Mund—
arten die mehr oder weniger
aftvollen Sweige sind; sie hat
eine eminente Stellung natür—
ich — als Trägerin der edelsten
Früchte der Wissenschaft und
Poesie — mag man sie als
das Edelreis betrachten; aber
ꝛin Sweig ist sie unter SZweigen,
dom wissenschaftlichen Stand—
dunkte ist sie nur eine Mundart.
Dadurch wird das Hochdeutsch
nicht herabgesetzt, kann es
nicht einmal, es bleibt immer
die Sprache der Gebildeten,
der Kirche, der Bibel, vor der
man selbst Respekt hat durch
eigne Kunde und Einsicht, die
das Maß ihres Wertes in sich
elbst trägt und keines Ver—
gleiches bedarf, um gehoben
zu werden. Wir betonen diese
Stellung der Schriftsprache zu
den anderen Mundarten nur,
um ein Vorurteil abzuwehren.
Der Stamm ist eher da als die Sweige. So ist nicht die Schrift—
prache vor den Mundarten dagewesen. Diese sind nicht aus ihr
durch Entartung und Verderbnis wie Wasserreiser und Auswüchse
entstanden. Die Mundarten sind vielmehr die Wurzeln, wenn man
die Schriftsprache als den Stamm ansehen will und diese wird ver—
dorren, wenn man die Mundarten abschneidet, die ihr den Lebens—
aft zuführen.“
joviel einstweilen über Wert und Würde der Mundart.
Wir besitzen heute bereits für verschiedene große Dialektgebiete
nehr oder weniger umfangreiche und vollständige Wörterbücher,
d. h. wissenschaftlich bearbeitete Sammlungen der mundartlichen
Ausdrücke. Auch das rheinische Land soll endlich sein Idiotikon
hekommen. Seit einigen Jahren wird bekanntlich unter der LCeitung
on Geheimrat Prof. Dr. Franck in Bonn zu dem „Wörter—
uch der rheinischen Mundarten“ der gewaltige Stoff ge—
ammelt und gesichtet. Auch unsere engere Heimat soll in dieser
zammlung nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Es war dringend
lötig, daß auch bei uns die mundartlichen Ausdrücke endlich ge—
ammelt wurden, da der moderne Verkehr und Industriebetrieb mit
einer stellenweise sehr beweglichen Bevölkerung, ferner die Schule
ind das Militär den eigentümlichen Charakter der Mundart mehr
ind mehr verwischen. Der „historische Verein für die
sqargegend“ nahm darum diese Aufgabe in sein Programm auf,
rließ wiederholt einen „Aufruf zur Sammlung mundartlicher Aus—
rücke“ und ließ dann das eingegangene Material durch die „Dialekt—
zommission“ sichten und veröffentlichen. Diese Arbeit kommt nun
auch dem rheinischen Wörter—
buch zu gute, aber es ist
deabsichtigt, ein besonderes
„Wörterbuch der Saarbrücker
Mundart“ herauszugeben.
Wie bekannt, ist Hherr Friedr.
Ssschön, (Saarbrücken 3, Bis⸗
marckschule) damit beauftragt
und sollte von allen Kennern
Saarbrücker Art nach Kräften
interstützt werden.
Gegen diese und ähnliche
private Sammlungen wurden
nun allerlei Bedenken ge—
äußert, die im Wesentlichen
in dem Einwand gipfeln, daß
bei uns im Saarrevier
überhaupt nicht von
einem bodenständigen
Dialekt die Rede sein
könne, weil die heutige
Bevölkerung zum großen Teile
aus „Hergelaufenen“ oder
zöchstens „Hiesigen“, aber ver—
zältnismäßig wenigen „Allda—
hiesigen“ bestände. Auch
hätten sich früher schon nach
den furchtbaren Verwüstungen
des 30jährigen Krieges und
päter beim Beginn der in—
dustriellen Entwicklung zu
oiele fremde Volksteile bei
uns ansässig gemacht. Dem
gegenüber ist zunächst festzu—
stellen, daß doch heute
noch tatsächlich eine
wirkliche Mundart im
Hebrauch ist, die sich den
benachbarten Mundarten in
der Pfalz und im Mosel—
fränkischen ungezwungen
anfügt. Vergleicht man zudem
die heutige Mundart mit der
sprache der ältesten deutschen
Urkunden, 3. B. den Weis—
hümern und dem „Frei—
heitsbrief der Städte
St. Johann und Saar—
brücken aus dem Jahre
1321“, die sicher ziemlich getreu die damals lebendige Mund—
art wiedergeben, da ja eine deutsche Gemeinsprache zu jener Seit
ioch nicht bestand, so erkennt man ohne weiteres das verwandt—
chaftlich nahe Verhältnis. Sicherlich haben auch die „herge—
aufenen“, die ihre Herkunft vielfach durch ihren Namen verraten,
die Saarbrüker Mundart irgendwie beeinflußt, aber dieser Einfluß
at keine besondere Bedeutung.
Die hHergelaufenen kamen ja meist aus den benachbarten, sprachlich
ing verwandten Gebieten; auch die alemannischen Elsässer, Schweizer
ind Vorarlberger, die nach dem 30 jährigen Kriege kamen und denen
päter einige schwäbische Familien (Neunkirchen) folgten, haben den
aus alter Seit stammenden alemannischen Bestandteilen des Dialekts
zaum viel Neues hinzugefügt. Das Saarbrücker Idiom gehört dem
Rotenburg
us Baum „Die schöne deutsche Stadt“, Süddeutschland, 200 Abbild.
R. Piper & Co. Dersag, München