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Kρα Secite 7]25
Das mundartliche Leben des Snarbrücker Landes im Opiegel der
Sprichwörter und Redensarten.
Beitrüge zur heimatkunde von Ludwig Blatter, KglSeminarlehrer— (Nachdruck verboten.)
muttersprache deutschen Klanges,
D, wie hängt mein Herz an dir!
Des Gebetes, des Gesanges
Hheil'ge Laute gobst du mir!
o sang ein elsässischer Dichter in jener Seit deutscher Schmach
* 9 und Schande, da Elsaß-Cothringen eine französische Provinz
war und welsche Sprache und welsches Wesen auch bei dem
kerndeutschen Teile der Bevölkerung, den alemannischen Elsässern
und den französischen Lothringern mehr und mehr Eingang fand
Wohl jeder Deutsche, der sich längere Zeit in fremden Landen auf—
gehalten hat, kennt jene aus verborgenen Herzenstiefen aufquellen—
den Gefühle, die unserm Dichter das ergreifende Geständnis auf die
Cippen drängten. Und macht man nicht schon innerhalb der deutschen
Sprachgrenze eine ähnliche Erfahrung, wenn nach längerer Abwesen—
heit zum ersten Male wieder die lieben altvertrauten Laute der heimat—
lichen Mundart unser Ohr treffen?
Wie natürlich und doch wie geheimnisvoll zugleich ist der Seele
stilles Walten und Weben, das die heimatliebe so innig mit der
Mundart verknüpft! Einen deutlichen Fingerzeig gibt uns Goethe,
wenn er sagt: „Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch
eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft.“
Dieser Ausspruch ist umso wertvoller und bedeutsamer, als er eben
aus dem Munde Goethes stammt, d. h. eines Mannes, der selten etwas
schrieb, was nicht irgendwie in Beziehung zu seiner Persönlichkeit
stand. Aus eigenster Erfahrung heraus zeigt er uns hier die tiefere
Bedeutung der Mundart. Seit Goethe dies aussprach, hat die Wissen—
schaft den Wert der Mundart mehr und mehr erkannt und bald be—
gonnen, die im Dialekt verborgenen Schätze zu heben. Es gibt heute
verschiedene 3weige der Wissenschaft, z. B. die deutsche Sprachwissen—
schaft und die Volkskunde, für die eine möglichst umfassende Mund—
artenkunde von grundlegender Bedeutung ist. Aber auch andere
Wissenschaften, in erster Linie die Geschichte, verdanken ihr interessante
Aufschlüsse oder wenigstens wertvolle Spuren und Anregungen, denn die
Mundarten sind Stam—
messprachen. Die Ge—
schichte der deutschen
Mundarten ist deswegen
zugleich auch ein wichtiger
Bestandteil der Geschichte
der deutschen Volks—
stämme.
Infolge dieser Be—
deutung der Mundarten
sind weitblickende, ge—
lehrte Männer immer
und immer wieder für
sie eingetreten. Beson—
ders nachdrücklich haben
sie jenes hochnäsige Ge—
schwätz dummstolzerhalb—
bildung von dem Kauder—
welsch der Mundarten,
die nur verdorbenes,
schlechtes Schriftdeutsch
seien, in seine Schranken
gewiesen. So heißt es
3. B. in der Vorrede zu
„Germaniens Völker—
stimmen“: ... So würde
uns doch der gerechte
Tadel der Nachwelt ge—
lroffen haben, wenn un—
sere Zeit, die in ihren
großen wissenschaftlichen
Bestrebungen auch das
Entfernteste erforscht, die
mundartlichen Schätze un—
serer herrlichen Sprache,
diese kostbaren, natur—
frischen, reichlich spru—
delnden Quellen, aus
deren urkräftiger Fülle sich unsere Sprache so unendlich bereichern
und so manche Goldkörner aneignen kann, in unverzeihlicher Nicht—
achtung hätte versiegen lassen. .. Ein nur Unwissenheit
bekundender Wahn ist die Meinung, als ob alle
Mmundarten des Volkes verderbtes Deutsch oder
Lauderwelsch seien, das keiner Beachtung wert sei. Nein,
insere Mundarten sind zum großen Teile die leiblichen, einst
benbürtigen Schwestern der hochdeutschen Sprache, sie sind dem
inverfälschten deutschen Sprachgenius entquollene Caute vieler
inserer Altvorderen und Väter, sie sind die lebendigen Sprachquellen,
n denen der Geist des Volkes zu schaffen nicht aufgehört hat und
'ortwährend unserer allgemeinen Sprache Nahrung zufließen läßt.“
kin anderes Seugnis. Rosegger, der verehrte und gefeierte Volks—
dichter, der mit allen Sasern seines sonnig-warmen dichterherzens
an der geliebten heimatlichen Volksart hängt, der in allen seinen
schriften immer wieder zu ihr zurückkehrt und eben darum sich eine
egeisterte Gemeinde von Lesern in jenen Kreisen geworben hat, die
die unmittelbare Verbindung mit dem volkstümlichen Leben längst
uufgegeben haben, auch er spricht nur seine innerste Uberzeugung aus,
venn er sagt: „Der Dialekt ist der natürliche Vater der hochdeutschen
zprache.“ Ist nicht dieser liebenswürdige Schriftsteller selbst in seinem
zanzen Schaffen und Wirken ein beredtes Zeugnis für Wert und
Vürde ungebrochenen Volkstums? Man kann es ruhig aussprechen:
kin Mensch, der ohne Not, nur in der Absicht „vornehm“ zu sein,
eine heimatliche Sprache und Art verleugnet, ist ein armer, armer
heselle. Er wird ebenso leichtherzig auch sein Deutschtum überhaupt
nuf dem Altare der Citelkeit opfern, wenn wieder einmal Deutschsein
ür unfein gelten sollte. Bezeichnend ist, daß derartige Wandlungen
zumeist in Zeiten völkischer Entartung und staatlichen Niederganges
erfolgen. „Die wahre Heimat ist die Sprache, sie bestimmt die Sehn—
ucht danach und die Entfremdung vom heimischen geht immer durch
die Sprache am schnellsten und wichtigsten, wenn auch am leisesten
vor sich“, meint Wilhelm
von humbold.
Die gemeinsame Mund—
art ist das Band, das
dieMenschen am innigsten
zusammenhält; sie ver—
leiht vor allen Dingen
den einzelnen Volks—
stämmen den besonderen
Charakter. Der Verächter
der Mundart aber scheidet
ohne weiteres aus diesem
natürlichen Verbande
aus. Er trägt durch
seinen Dünkel nur dazu
bei, die so ernste Ge—
fahren in sich bergende
Entfremdung der Stände
zu erweitern. Die Pflege
der Mundart hat eben
auch eine soziale Be—
deutung.
Gegen diese Pflege
der Mundart gibt es nun
allerlei Bedenken, selbst
bei ihren Freunden. Man
befürchtet, die selbst—
verständlich notwendige
Kenntnis der Gemein-,
der Schriftsprache könne
vernachlässigt werden
über dem Gebrauch der
Mundart. hierin liegt
ohne Zweifel etwas Kich—
tiges. Es ist aber auch
keineswegs unsere Ab—
sicht, den Leser zu einsei—
tiger Überschätzung der
Mersburg
Aus Baum „dDdie schöne deutsche Stadt“, Süddeutschland, 200 Abbild. R. Piper & Co. Verlag, München