Full text: 1914 (0002)

Hüdwestdeutsehland 
Amtliche Zeitschrift 
des Siüdwestdeutschen Derkehrs- 
Derbandes Haar, Blies und Nahe 
und des Derkehrsvereins 
GSanuarbriicken⸗ 
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Saarbriicken⸗ 
mai 1514 
Erdorchideen des Saarbriicker Landes und Pflanzenschutz. 
Don fosef Ruppert, Soarbrücken ꝰ Nachdruck verboten) 
Tpiphyten ursprünglich Erd-Orchideen trockneren Standortes und 
dann Felsenbewohner waren (wie noch zum Teil); von den FSelsen 
iber sind sie auf die Bäume geklettert, weil ihnen da ähnliche, 
a noch bessere Lebensbedingungen geboten wurden. Im europäischen 
Zeutschland ist nur die Gruppe der Erd-Orchideen vertreten, die 
ben wie andere Pflanzen nach althergebrachter Sitte mit soliden 
Vurzeln, meist Rnollen, seltener Rhizomen in Mutter Erde haften 
ind keine Luftsprünge machen; sie bilden Stamm und Caubblätter. 
)as Chlorophyll der Blätter besorgt die frnährung, nur einige wenige 
eben saprophnytisch, d. h. sie assimilieren nicht mehr selbst, sondern 
iehen ihre Nahrung mit hilfe gewisser Pilze aus dem humus ihres 
chattigen Standortes. Also von diesen Erd-Orchideen soll hier 
orzugsweise die Rede sein. Soweit sie Doppelknollen tragen, ist ihr 
eutscher name, Knabenkräuter“berechtigt(vergl. Etymologie des Wortes 
yrchis); im Volke werden sie auch Uuckucksblumen genannt, weil 
ihre Blüten sich erschließen, sobald 
der Uuckuck die bessere Jahreszeit 
ausruft. Sie sind größtenteils kalk⸗ 
holde bis kalkstete Pflanzen; auch 
im Tonschiefer finden sich einige, 
ceiner Sand dagegen sagt ihnen 
meist nicht zu. Jener bindige 
Cehm, der aus dem feinen Kalk— 
stein- und Tonschieferdetritus ent— 
steht, ermöglicht es ihnen vor— 
crrefflich ihren CLebensgewohnheiten 
gerecht zu werden; er umschließt 
aämlich als feste, zähe Masse im 
hochsommer und herbst die junge, 
ruhebedürftige Orchideenknolle, 
welche das nächstjährige Indivi— 
duum in sich trägt. Wasser läßt 
er nur soviel durch, als zur Frisch⸗ 
haltung der Knolle gerade nötig 
ist, und erst im folgenden Früh— 
jahre, wenn die zunehmende Nässe 
diesen harten Erdmantel in einen 
weichen Brei wandelt, ist dem Ta— 
tendrang der knospenden, durch 
die Winterruhe gestärkten Knolle 
freie Bahn geschaffen. Aber noch 
andere Momente spielen da mit 
zinein. Unsere Orchideen haben 
oerschiedene ökologische Liebhabe— 
reien; einmal sind sie vorzugsweise 
wärmebedürftige Sonnenbrüder, 
wollen aber andererseits in allzu— 
zreller Mittagssonne einige Stünd— 
hen im Halbschatten verträumen, 
zum anderen paßt ihnen auch 
wieder nicht jegliche Exponierung. 
Einige wünschen humus und tiefsten 
Schatten, andere Sumpf mit Torf— 
moos. Schließlich ist ihnen auch die 
rchideen! Wer kennt sie nicht jene berühmte, jeden Natur— 
freund bis zur Extase begeisternde, vielbegehrte und hoch— 
verehrte Pflanzenfamilie. Jene exotische Gesellschaft, deren 
Dertreter so gar nicht in das Schema passen, das wir uns von einer 
zesitteten Normalpflanze zurechtgemacht haben. Blütenformen, so 
grotesk und niegesehen, daß sie uns, wo immer wir ihnen begegnen, 
'ei es im Treibhaus der Gärtnerei, sei es am Schaufenster der Blumen— 
äden, oder sonst auf freier Heide, direkt verblüffen und geheimnisvoll 
esthalten. Hochbegeisterte Dichter ihrer Schönheit haben jene Natur— 
gebilde schon gefunden. Nach der Berliner Orchideenausstellung 
(es ist nun schon eine Reihe von Jahren her), treffen wir auf be— 
wundernde und das Interesse zündende Beschreibungen namhafter 
Journalisten von dem dort Gebotenen an. Wir lesen da von „Blüten, 
wie aus Wachs geformt, groteske Erfindungen der tropischen Sonne, 
mit schuhartigem Hhelm (der sich wollüstig öffnet)“, weiterhin von 
gierig aufgeschossenen Bizarrerien, 
nit lechzend vorgerecktem CLabellum 
und Blättern, die wie zum Um— 
armen ausgriffen, Symbole sinnlicher 
Txtasen von schwüler Pracht. Dann 
wieder müde herabhängendeBüschel, 
boll süßer Melancholie, wie ver— 
zauberte prärafaelitische Frauen. 
Nun ein Schmetterling von ju— 
belnden Farben. Nun ein unheim— 
liches Insekt zwischen schützenden 
und drohenden Klappen. Nun ein 
erschreckhtes Märchengesicht mit 
Fledermausohren.“ Und mit dieser 
artigen Wort- und Bildmusik, die 
noch eine Zeitlang so fortgespielt 
wird, schmeichelt sich der Autor 
immer mehr in unsere begehrliche 
Phantasie ein; aber wir verzeihen 
es ihm ganz gern, denn er hat 
nicht nur warm sondern auch wahr 
empfunden. Es sind hier vorzugs⸗ 
veise gemeint die sog. Epiphyten, 
die eine, und zwar größere Gruppe 
der Orchideen, jene „oberen 10 000“ 
der tropischen Urwälder; „ober“ 
sowohl bildlich, da sie durch Blüten— 
größe und FSormenreichtum über 
hre Genossen hervorragen, als 
auch in Wirklichkeit, weil sie über 
der schwülen Dämmerung des Ur— 
valdes in den lichteren Höhen des 
8aumgeästes thronen. Auch die 
Zahl 10000 dürfte heute annähernd 
erreicht sein. Mit der anderen 
großen Gruppe, den terrestrischen 
oder Erd⸗Orchideen, sind sie übrigens 
ohnlogenetisch verknüpft, indem 
heute wohl sicher steht, daß jene
	        
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