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Braut“ gar große Reverenz erwies und als er
hörte — daß sie Maria Anna, seine durchlauchtige
Reichsgräfin sei! Tat dem Verliebten aber nichts;
er hatte ihr Wort und — ein Taschentuch, das
im Wagen liegen geblieben. Fuhr also nach (Blies)⸗
Kastel, ersteigerte das Galakleid Franz Karls und
wartete auf „die Mariann's. AÄber dem Warten
wurde Jockel alt und kindisch; oft legte er das
reichsgräfliche Gewand an, um seine „Versprochene“
zu empfangen. Da nannten ihn die Kinder den
„Reichsgrafen Jockel.“ 6) — Er aber saß auf
seinem Bliesinselchen, schaute in die schwarze Flut
und wartete auf Warianne, bis aus dem schwarzen,
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treuen Mann im stillen Tal begrub.
So träumt und reimt das Volk am stillen, tiefen
Wasser der Blies.7) Die Wasser rinnen und die
Tage fliehen. Epheu und Ampelopsis wächst und
schlingt sih um Ruinen; ein Jahrhundert schlug
seine Wogen um Wariannens Heldenzeit. Äppig
wuchert die Sage, sie verschönt und verdeckt. Aus
dem Gedächtnis schwindet die Nacktheit der Tat.
Zuletzt aber wird auch die Figur selbst in Ver—
gessenheit sinken und nur der Name bleiben. Diesen
aber, den seiner „große Veichsgräfin“ wird der
Westricher nicht vergessen — —
Wermuth wächst viel im Westrich, doch Rose
und Liebe auch blüht an der Blies, und blau und
treu, jed Jahr aufs neu rufen tausend. tausend
Wiesenkinder: Vergißmeinnicht!
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