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Fern von dem psychisch nivellierenden Milieu des städti-
schen Proletariats wohnen die Saarbergleute überwiegend weit
zerstreut in den Landdörfern in der engsten Beziehung zu der
ackerbautreibenden Bevölkerung. Im Jahre 1905 war die Ge-
samtbelegschaft verteilt auf 654 Wohnorte. Nur in einigen
stadtähnlichen Industriedörfern sind die Bergleute in größerer
Häufung vorhanden (Belegschaftszählung vom 1. Dez. 1905)').
Die Tabelle S. 21 zeigt aber, daß selbst da noch Besitz an
Haus, Vieh und Feld relativ stark vertreten ist, solange nicht
der betreffende Wohnsitz alles Ländliche abgestreift hat.
Zwei Hauptzüge kann man beobachten: Bäuerlich-zäher Er-
werbssinn und bürgerlich-stolzes Geltungsstreben. Wo ersterer
vorherrscht, da ist ein ausgesprochenes Verlangen, einer zu
werden, „der etwas hat“, und selbst da, wo das bäuerliche
Element im Blut und in der Umgebung bedeutend verdünnt ist,
da bleibt und wächst das Streben, ja nicht gerechnet zu werden
„zu den Hintersten im Dorf“. Der Saarbergmann selbst nennt
sich zwar von jeher gern „ein armer Bergmann“ — aber an-
gesehen werden will er nicht als „Proletarier“, selbst das Wort
„Arbeiter“ will man nicht sehr gern auf sich anwenden —
sondern „Bergmann und hiesiger Bürger“ ?).
Die Besetzung des Gemeinderates und im pfälzischen Teil
auch der Bürgermeisterstelle in den überwiegenden Bergmann-
dörfern überläßt man längst nicht mehr den sogenannten
„besseren Leuten“. „Kinder, die etwas werden“, sind in den
Bergmannsfamilien keine Seltenheit mehr.
Und selbst wo das Trachten nach eigenem Haus und Feld
und Vieh weniger stark hervortritt, da ist das Bemühen lebendig,
sich sonst irgendwie in bürgerlich-gesellschaftlicher Geltung im
Vordergrund zu halten, in dem man etwas auf sich hält in
der Wohnungseinrichtung und Kleidung und vor allem durch
Anteilnahme an einem unsagbar mannigfaltigen Ver-
einsleben, das gerade seit den Siebzigerjahren sich überreich
1) Die früheren Zählungen, welche mir nicht zur Hand waren, müssen
die in Frage stehende Erscheinung noch deutlicher zeigen.
?) Der Sinn für wirtschaftliche Machtorganisationen ist wohl in den
letzten Jahren wieder neu erwacht, nachdem seit der Unterdrückung des
alten Rechtsschutzvereins etwa 10 Jahre vergangen waren,