4
Reallohnes !). Jedoch mindestens ebenso wichtig ist für die
Zahl und die Spannkraft der Bedürfnisse die Tendenz zur Ver-
größerung der bürgerlich-gesellschaftliche Geltung und die streb-
same Lebensauffassung nach der wirtschaftlichen Seite hin.
Hier will ich nur im Hinblick auf die Frage, ob es wahr-
scheinlich ist, daß rasch steigende Löhne bei den Saarberg-
leuten die Spannkraft lockerten und gefährdeten, nachdrücklich
die Hauptfaktoren kennzeichnen, welche hier über das
bloße Verlangen nach Sattessen und Satttrinken hinausreichend
die psychische Spannkraft im Gelderwerb straff halten,
‘) Ohne Widerlegung fürchten zu müssen, darf ich einer späteren
Erörterung vorgreifend hier ein Urteil abgeben, und zwar 1. auf Grund
persönlicher Vertrautheit mit den Bergmannsfamilien und einzelnen Berg-
leuten meiner Heimat von Jugend auf; 2. auf Grund meiner eigenen Be-
obachtungen und die meiner Verwandten in der Lebensmittelbranche
(Metzgerei mit überwiegender Bergmannskundschaft); 3. auf Grund der
bisherigen Einblicke in verschiedene Haushaltungsbücher. Ich gebe vor-
erst einmal mit Vorbehalt folgendes zu auf Grund der von Müller vor-
gelegten Preistabellen für Lebensmittel: Die Lebensmittelpreise ent-
wickelten sich in dem fraglichen Zeitraum nicht so stark, daß die Kauf-
kraft des Lohnes sehr stark alteriert worden wäre; zudem wurde das
Konsumvereinswesen gut entwickelt. Auch die Anzahl jener Bergleute,
die etwas Land besitzen und auch etwas Vieh, ist bemerkenswert.
Hauseigentümer , . . 39,20 % der Gesamtbelegschaft (inkl. Jugend-
licher 46 489 im Jahre 1905)
Feld, Wiesen u. dgl. , 22,31 „
Rindvieh . 10298 Stück
Ziegen . . 11 836
Schweine 8 534
Gleichwohl sind im Laufe dieser fraglichen Jahre besonders für die
immerhin zahlreichen Familien ohne Ar und Halm und Vieh auf dem
Gebiet der Ernährung ganz fraglos berechtigte Bedürfnisse, z. B. nach
Fleischnahrung, Milch, Butter und Eiern, durchaus nicht außer Spannung
gesetzt worden, weder für den hart arbeitenden Bergmann selbst noch
auch für die heranwachsende Jugend und die Mütter. Die durchgearbei-
teten Budgets dürften Ueberraschungen bringen. Ein starkes Beispiel
kann bereits angeführt werden: das peinlich, lückenlos geführte Haus-
haltungsbuch (pro 1907/08) einer anerkannt soliden Bergmannsfamilie mit
9 Kindern unter 14 Jahren zeigt folgendes Schlußergebnis: der Mann
verdiente als Häuer 1421 Mk. Zur vollständigen Bedarfsdeckung mußte
er durch Nebenarbeit noch 1220 Mk. mühsam hinzuverdienen.