Einiges aus der alten Reichsperfassung und frühere Reichszustände. 509
Die Erklärung eines Reichskrieges konnte nur durch übereinstimmenden
Beschluß der Kurfürsten, Fürsten und Städte mit Genehmigung des Kaisers
stattfinden; daneben war seit dem Westfälischen Frieden (1648) jeder
Reichsstand zu selbständiger Kriegführung berechtigt. Die Reichsmatrikel
bomn Jahre 1681 bestimmte das Simplum (Eiufache) der Reichsarmee
auf 410000 Mann (12000 Reiter und 28000 Mann Fußvolk) und ver—
teilte dasselbe auf die 10 Reichskreise, denen die weitere Verteilung auf
die einzelnen Stände überlassen blieb. Nach Maßgabe des Bedarfs wurde
das Duptun, Triplum usw. des Kontiugents durch Reichsschluß bewilligt.
Hhleine Reichsstände gaben oft Geld statt der Mannschaft. Die traurige
Zersplitterung des deutschen Reiches ergab hierbei wunderliche Zahlen.
So hatte die Reichsstadt Buchau 11,3. Infanteristen, die Abtissin von
(GGutenzell 31243 Mann Infanterie unde!z3 Mann Kavallerie zu stellen;
zu einem schwäbischen Reginente trugen 61 Reichsstände bei.
Die Truppen jedes Kreises standen unter dem Kreisobersten, meist
einem im Kreise angesessenen Fürften, seit dem Westfälischen Frieden unter
den vom Reichstage bestellten Generalfeldmarschällen und Generalen.
Zu den Heereszügen der deutschen Könige nach Italien, um in Rom
bom Papste die Kaiserkrönung zu erhalten und von den italienischen Fürften
sich huldigen zu lassen, war jeder Vasall zur Heeresfolge verpflichtet.
Nachdem noch Marximilian J. und Karl V. auf Grund dieser allgemeinen
anerkannten Verpflichtung Bewilligungen von den Ständen erlangt hatten,
diente der 1521 angenommene Maßstab später für andere Stenern, zu
Neichskriegen und andern außerordentlichen Ausgaben. Römermonate nannte
man diese Steuer, weil ihr die Summe zu Grunde gelegt wurde, die jeder
Reichsstand nach der Matrikel von 1521 monatlich als Sold für die Kriegs—
leute zahlen sollte, die er zum Römerzuge zu stellen gehabt hätte. Juletzt
wurde Friedrich IV. 1452 in Rom gekrönt; Maximiliau J. nahm zuerst,
ohne vom Papst gekrönt zu fein, den Titel als römischer Kaiser an;
Karl V. ist der leßte Kaiser, der vom Papste gekrönt ward (1530—), aber
nicht in Rom, sondern in Bologna.
7. Das Fehdewesen: Eine Art Sicherheitsventil gegen etwaige
Mängel der Rechtspflege bildete das Fehdewesen. KGonnte ein Beschädigter
oder Beleidigter sein Recht nicht finden, so stand es ihm frei, seinem
Widersacher Fehde anzusagen; dabei war er aber an gewisse äußere Formen
und Gesetze gebunden, welche z. B. für manche Tage die Austragung von
Fehden verböten oder gewisse Personen (Geistliche, Pilger, Ackersleute)
ind Orte (Kirchen und Kirchhöfe) schützten. Wer sich gegen diese Be—
stimmungen verging oder Fehde ansagte, ohne vorher das Gericht ange—
rufen zu haben, galt als Landfriedensbrecher; seine Strafe war gewöhnlich
der Strang. Die Anzahl der Fehden nahm in dem Maße zu, in welchem
die Kraft und Stärke der Reichsregierung abnahm. Zu den rechtlich
erlaubten Fehden kamen zahllose unbegründete, bloß durch Beutegier ver—
anlaßte Raubzüge, welche das allgemeine Wohl und den Besitz des Volkes
arg schädigten.“ Eine große Rechtsunsicherheit trat ferner dadurch ein,
daß das oberste Reichsgericht, die höchste Instanz für alle Klagen, keinen
beftimmten Sitz hatte, sondern an den Hof des Kaisers gebunden war.
Kriege und Empoͤrungen verhinderten oft eine Konstituierung dieses Ge—