F. Die Abtei Wadgassen
unter dem Einflusse dentscher Kleinstanken und des ,Rriches.
So lange man die Herrschaft Wadgassen nur an sich betrachtet und ihre
Ent vickelung und Besitztumsverhältnisse, die Verwaltung und Gerichtsbar—
keit in derselben lediglich mit heutigen Zuständen vergleicht, mag man
manches Absonderliche, Ungewohntes und Fremdartiges an ihr finden.
Diese Vorstellung ändert sich aber und verallgemeinert sich dann, sobald
man die Abtei mit ihrem Gebiete in einen größeren Staatenkreis eintreten
läßt und als Teil eines Gesamtbildes betrachtet, das sich uns in dem
vormaligen Kleinstaatenbilde der Saargegend und der angrenzenden Gebiete
darstellt. Eine solche Zusammeustellung wird den Vorteil haben, daß wir
daraus die Mächte und Faktoren kennen lernen, welche die Geschicke und
Geschichte der Abtei, sowohl in günstiger als ungünstiger Weise, so wesent—
lich beeinflußt haben. Die Stellung der Abtei Wadgassen zu seinen
Schirmherrn und zum Reiche kann erst richtig erkannt werden aus der
Neben- und Unterordnung dieser Kleinstaaten unter sich und in ihrer Be—
ziehung zur Reichsgewalt, welche durch die eigentümliche Reichsverfassung
sehr beschränkt war und zwar zugunsten mächtiger Reichsfürsten, aber auch
zum größten Nachteil kleinerer Herrschaften, welche von bedeutenderen
Machthabern oft schwere Drangsale erdulden mußten, ohne vom Reiche
ausreichende Hilfe erwarten zu können.
Weun hier auch nur kurze Erläuterungen über die territoriale Ent—
wickelung der benachbarten Kleinstaaten und kleinen Herrschaften gegeben
werden können, so werden dieselben doch genügen, uns zu überzeugen, daß
das Wesen und die Existenz dieser Kleinstaaten in den Rechtsverhältnissen
des Mittelalters tief begründet waren nud daß auch die Herrschaft Wad—
gassen, gleich vielen anderen, oft kleineren Herrschaften, zur Reichsfreiheit
hätte gelaugen müssen, wenn nicht die große Zersplitterung seines Gebietes
iind das Widerstreben des vermeintlichen Schirmherrn die Erreichung dieses
Zieles unmöglich gemacht hätten. Duxch ein kurzes Eingehen auf die Ver—
fassung des alten Reiches wird sich das Verstäudnis zur Beurteilung dieser
Verhältnisse noch besser erschließen.
Zur geschichtlichen Begründung dieser Darlegungen muß bis auf
die fränkische Zeit zurückgegangen werden, wodurch sich dieser Abschnitt
in allgemeiner Hinsicht an den Abschnitt A (Vorgeschichte) anschließt.