Frankfurt, Dresden, durch Schlesien, und betraten am 5. August bei Wierazow
die russisch-polnische Grenze. Hier wurden ihre mitgebrachten Sachen auf-
gezeichnet, ihr Vermögen berechnet und ihnen ein Schein zur Fortsetzung ihrer
Reise nah Warschau ertheilt. Am 16. August trafen sie in Warschau ein und
wurden von der Stadt-Polizei-Behörde an die kaisl. Kammer gewiesen. Nach-
dem sie hier zu Protokoll vernommen worden, erhielten sie ein Schreiben an
den Beamten eines vier Meilen diesseits Warschau gelegenen Dorfes Pasek
oder Palzye, nach dessen Jnhalt ihnen von diesen in einem morastigen Walde
Rottland zum Anbau angewiesen wurde. Auf ihre Bitten, um die, nach den
ihnen in der Heimath bekannt gewordenen Gerüchten, erwarteten Unterstüßung
an Vieh, Ackergeräthe, Saatkorn, und um Wohnungen, sagte ihnen der Beamte,
daß er weiter keinen Befehl habe, ihnen irgend etwas anzuweisen, als das
Rottland, welches er ihnen habe zeigen lassen.
Es war ihnen unmöglich, dieses wüste, morastige Land aus eigenen Mitteln
auszurotten und anzubauen. Sie giengen daher wieder nach Warschau, und
wandten sich mit ihrer Bitte an den die kais. Kammer; aber auch hier erhielten
sie denselben Bescheid, den ihnen der Beamte in Pasek gegeben, und es wurde
ihnen freigestellt, nac Petersburg zu gehen, wenn sie dort größere Begünsti-
gungen zu erhalten hofften. Sie entschlossen sich kurz, und baten um Pässe zur
Rückwanderung in ihre Heimath, welche ihnen auch, jedoh ohne Ertheilung
neuer, auf ihre mitgebrachten Pässe freigestellt wurde. Sie gelangten wieder
bei Wierazow an die Grenze, aber hier wollten sie die Grenzbeamte nicht weiter
passieren lassen, weil es nicht erlaubt sei, ohne Pässe von der kaisl. Kammer
das Land zu verlassen. Ein theilnehmender Jude gab ihnen den Rath, bei einer
einzeln gelegenen Mühle, wo nur ein Unter-Grenzbeamter sei, ihren Ausgang
zu versuchen, welcher ihnen denn auch dort gegen Erlegung eines preußischen
Thalers, gestattet wurde. -- Sie küßten mit Freudenthränen den teutschen
Boden als sie ihn wieder betraten, und dankten Gott fußfällig für ihre Ret-
tung, obgleich sie ihre Reise beinahe alle zu Bettlern gemacht hatte.
Johann Hardy und Nikolaus Eiffler mußten mit ihren Familien
kleine Tagereisen machen, weil sie in Schlesien, Sachsen und in allen Ländern
bis in die Heimath, ihre Kinder ausschicken mußten, um bei den gutmüthigen
Einwohnern um Brod zu betteln. Peter Die wo hatte noch einige Kronen-
thaler behalten und konnte rascher marschiren. Er machte einen Theil seiner
Reise mit dem Mathias Rothgerber aus Otßzenhausen, im Kreise Birkenfeld,
welcher ebenfalls nach russisch Polen ausgewandert, und, na<h gleichen Er-
fahrungen, wieder zurückgekehrt war. Sie begegneten auf ihrer Wanderung
mehr als hundert Familien, welche im größten Elende zurückkehrten und ihre
thörichte Leichtgläubigkeit verwünschten.
Jetzt sind Peter Die wo, Johann Hardy und Nikolaus Eiffler mit
ihren Familien wieder in Besseringen angelangt und betrachten es als die
größte Wohlthat, daß sie wieder im Vaterlande aufgenommen worden sind, das
sie wohlhabend und voll erträumter Hoffnungen verlassen, und verarmt und
dürftig wieder betreten haben.
Trier, den 24. Oktober 1816.
Die Königl. Preuß. Regierung zu Trier.
„Die Sehnsucht muß man in seiner Brust tragen, sie muß ein Teil unseres „I<“
werden, damit wir die Menschen und das Dolk in seiner Gesamtheit verstehen lernen.
Damit das tief in uns wurzelnde nationale Heimatgefühl seinen Ausdruck finden kann.
Denn wir alle sind erdgebunden, sind heimatgebunden. Wir werden der Heimat im fernsten
Winkel der Erde gedenken und die Sehnsu<t haben, die wir Heimweh nennen, Und es
ist darum glei, wo wir schaffen und was wir s<affen, denn in unserer Arbeit wird
stets das heimatgebundene Gefühl in den Dordergrund treten und der Arbeit den
nationalen, will heißen heimatlichen Charakter geben. Denn Heimat und Religion sind
dem Mensc<en gegeben, damit er in ihnen die Stüßen und die Kraft zum Leben finde.
Das Sittliche ist Wesen und Inhalt aller unserer Träume und Phantasien.“
AusspruG Gerhard Hauptmanns.
76