aufgehalten und da hätte ihn ein anderer Arbeitsloser aufgefordert, mit zum
Werbebüro der Rheinischen Republik zu gehen. Hier hätten sie ein Handgeld
und Zigaretten exhalten, seien also Soldat geworden. In einem Gasthaͤuse
wären sie dann einem Trupp zugeführt worden und paar Tage später hätten
sie unter den Augen französischer Soldaten ihre Waffen erhalten. Ein fran—
zösischer Soldat, der deutsch sprach, habe ihm bei dieser Gelegenheit gesagt,
daß das Geld und die Zigaretten von den Franzosen gestiftet werde Acht
Tage seien sie jetzt unterwegs. Müde und hungrig wären sie gegen Abend aus
Königstein hier eingetroffen, das Papiergeld hätten sie unterwegs requiriert.
Es sei sehr schwer, rheinischer Republiksoldat zu sein, da die Bevolkerung sich
feindlich zeige. Der Führer hätte sich in die Stadt (Hotel?) begeben und würde
umeb Uhr anwesend sein. Es sei angeordnet worden, daß sie im Wartesaal
bleiben, andere Trupps würden am andern Morgen anlangen.
Während des Gesprächs bemerkte ich, daß französische Soldaten durch den
Saal schlenderten, ohne sich mit einem Tramp einzulafsen. Ich dachte, daß es
unauffällige Wachtposten seien. Auf meine Frage, wie sich das französische
Militär ihnen gegenüber verhalte, sagte der Bürsche: „Die gucken uns nicht an,
nur der Führer redet mit den Franzosen, die Fränzosen uünterhalten aber die
ganze Geschichte, wie wäre ich froh, wenn ich wieder überm Rhein wäre, die
Sache kommt mir ganz brenzlich vor.“
Um 5 Uhr fuhr mein Zug nach Höchst, so daß ich die Ankunft des „Generals“
nicht abwarten konnte. Aber ich hatte doch noch Gelegenheit, die Urmee zu
sehen. Am Nachmittage fuhr ich zurück und benutzte einen Zug, der mich um
1BUhr nach Kaiserslautern brachte. In Neustadt wurden drei Wagen mit Teilen
der Armee angehängt, und ich wohnte der Besetzung von Kaiserslautern bei.
Die Besatzunaatmee, ca. 200 Mann, nahm vor dem Bahnhofe Aufstellung.
„Achtung, stillgestanden! (Worte in Grenzdeutsch, Metzergegend!) und aus der
Mitte französischer Offiziere (nüssen die sich geschämt haben, angesichts der
Lumpaci) trat der Mann, von dem der Ruf ausgegangen war, ein Kerl von
ra. 50 Jahren mit aufgedunsenem Weingesicht. Er richtete, auf der obersten
Treppenstufe stehend, eine kurze Ansprache an die in zwei Gliedern vor ihm
stehende Schar, von der ich noch in Erinnerung habe, daß die Ausrufung der
Rheinischen Republik nunmehr auch in Kaiserslautern erfolgen würde und
daß zunächst das Rathaus zu besetzen sei. In Vierer-Gruppen schlich (so kann
man es nennen) bald darauf unter den höhnisch und verächtlich blickenden
Augen der französischen Soldateska, aber auch unter den Augen einer das
Lachen zurüchkdrängenden Bevölkerung der Zug in die Stadt. Auf den Bürger—
teigen stand und in den Fenstern lag die Bevölkerung jedes Standes und
Alters und sah diesem Einmarsch zu. Den zerlumpten Buͤrschen in den grünen
Mützen mag es nicht wohl zumute gewesen sein. Ahnte ihnen die erlösende Tat
in Pirmasens? In dieser pfälzischen Stadt der Schuhmacher, in die sie einzogen
unter den Klängen einer requirierten Musikkapelle (diese spielte beim Einzuge
„Alle Vögel sind schon da“), erwartete sie die Bevölkerung, das Feuer des
Rathauses beleuchtete das Ende des ganzen Separatistenspuks. H.
Kirchenwahlen vor 77 Jahren
Von A. 3.
Am Sonntag, den 283. Juli 1933, sollten wie im Reiche so auch im Saar—
gebiet für die kirchlichen Gemeindekörperschaften der evangel. Landeskirche
Neuwahlen abgehalten werden, um mit dem Vaterlande im Kontakt zu bleiben
dei seiner völligen Umgestaltung des kirchlichen Lebens. Die Wahlen wurden
usgeschrieben durch das Reichsgesetz über die Verfassung der deutschen evangel.
Kirche vom 14. Juli 1933. Es setzle nicht allein in Säarbrücken, sondern im
ganzen Saargebiet eine starke, erfreuliche Bewegung ein, die von dem erneut
wachgerufenen Brudersinn eine Abkehr von vielfach leichtfertiger Lebensauf—
* 9
4