Schlußwort
Zur Lehr und Wehr
von A. 3.
In den Saarbrücker Landen herrschte nach dem Einrücken Blüchers in Paris
helle Freude, niemand zweifelte an der Stunde der Erlösung vom fremden Joche.
Die Hoffnung wurde allen zur Gewißheit, als der General-Gouverneur der Rhein-
provinz. Justus Gruner, in einer offiziellen Bekanntmachung erklärte: „Allle
Ddeutschen werden wieder mit Deutschland vereinigt. Und
wer anders behauptet, verdient als Unruhestifter bestraft
zu werden, wozu ichsämtliche Behörden hiermit anweise.“ Die
bewohner des Saargebiets fühlten sich daher wieder als Deutsche und Preußen. Sie
legten preußische Kokarden an. Der Unterpräfekt in Saargemünd, Jacquinot,
verbot es. Die Antwort war, daß nun auch die Frauen die verbotenen Kokarden
trugen und die Bürger preußische Fahnen flattern ließen. Zum 18. Oktober, dem
Tag der Schlacht bei CLeipzig, piante die Stadt sogar ein großes Dolksfest. Jacquinot
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bleiben mußte, aber der Tag wurde trotzdem in allen Kreisen der Bürgerschaft
festlich begangen. Für die herrschende Stimmung ist folgender Vorfall bezeichnend.
Ein alter Nationalgardist aus Metz, der an einem Rbend angetrunken und lärmend
durch die Straßen lief und vive Napoléon schrie, wurde von den Bürgern auf⸗
gegriffen, ins Gefängnis gesperrt, am nächsten Morgen rücklings auf einen Esel
gesetzt und über die Grenze transportiert.
Mann kann sich denken, welch' ein Schrecken alle Gemüter erfaßte, als der
erste Pariser Irieden jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit dem Dater-
lande zerstörte und der beste Teil des CLandes Frankreich verblieb. In einer
Schrift jener Tage des Unglücks heißt es; „Es herrschte eine solche Bestürzung
bei den bewohnern, ein solcher Unwillen, daß die Aufregung einer Empörung glich.“
Die verzweifelte Bürgerschaft sandte eine Deputation nach Mainz zum General
gouverneur Gruner. Mit dieser Abordnung d auch der bedeutendste deutsche
Journalist jener Zeit, Joseph Görres. Er schrieb darüber in seinem Blatte, aber
diese für uns so wichtige Nummer war mir bisher nicht in die hände gekommen.
Jett hatte ich Glüch durch das Entgegenkommen eines treuen Saarländers in
Barmen. Ich konnte Einsicht nehmen in die bisher auch allen meinen Cesern gewiß
unbekannte, fesselnde Nummer des „Rheinischen Merkur“ vom 17. Juni 1814.
Hier schildert Görres die Begegnung in seiner flammenden, herzgewinnenden
Art. Ein Anblich, der mein Innerstes erschüttert hat, war die Deputation aus
Saarbrücken, die hierher (Mainz) gekommen, von allen geschickt, um Deutschland
anzuflehen, sie in seinem Schoße aufzunehmen. Wie sehr die Menschen gejammert
haben, die in Rede und That sich ihrem Stamm und ihrer Vatur getreu längst
schon ausgesprochen haben, läßt sich nicht ausdrüchen. Deutschland stimmt ein;
wir alle klagen um unsere Brüder und begraben den Volkssinn in dem Augenblick
seiner Auferstehung. Weh uns, wenn unser heiligstes Gefühl nicht mehr gehört
wirdi Weh uns, wenn das, was uns errettet, nicht mehr gekannt, nicht mehr
geachtet wird!“
Wie ergreift uns gerade heute diese Klage und der wehmütige Weckruf, wie
lebhaft klingen sie in unserer Seele nach! In drohender Gefahr und bitterster
Vot, jein Heiligstes auf immer zu verlieren, entmutigte das Saarvolk nicht. Kaum
daämmerte wieder ein Lichtstrahl der Hoffnung, da wächst aus der seelischen Trauer
eine staunenswerte Willenskraft und nur ihr allein verdankte damals die „Saar“
ihre Rettung. Jene unüberwindliche Macht gegen alle äußere Gewalt strömte
unseren Dorfahren aus dem Glauben an eine überirdische Quelle, inniges, leben⸗
diges Christentum ließ einst unsere Däter ihres Notschicksals Herr werden.
Ein heimatlich geschichtliches Beispiel den Gegnern zur Lehr und für uns der
Weg zur Wehr.
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