Full text: 1934 (0012)

Schlußwort 
Zur Lehr und Wehr 
von A. 3. 
In den Saarbrücker Landen herrschte nach dem Einrücken Blüchers in Paris 
helle Freude, niemand zweifelte an der Stunde der Erlösung vom fremden Joche. 
Die Hoffnung wurde allen zur Gewißheit, als der General-Gouverneur der Rhein- 
provinz. Justus Gruner, in einer offiziellen Bekanntmachung erklärte: „Allle 
Ddeutschen werden wieder mit Deutschland vereinigt. Und 
wer anders behauptet, verdient als Unruhestifter bestraft 
zu werden, wozu ichsämtliche Behörden hiermit anweise.“ Die 
bewohner des Saargebiets fühlten sich daher wieder als Deutsche und Preußen. Sie 
legten preußische Kokarden an. Der Unterpräfekt in Saargemünd, Jacquinot, 
verbot es. Die Antwort war, daß nun auch die Frauen die verbotenen Kokarden 
trugen und die Bürger preußische Fahnen flattern ließen. Zum 18. Oktober, dem 
Tag der Schlacht bei CLeipzig, piante die Stadt sogar ein großes Dolksfest. Jacquinot 
—X 
bleiben mußte, aber der Tag wurde trotzdem in allen Kreisen der Bürgerschaft 
festlich begangen. Für die herrschende Stimmung ist folgender Vorfall bezeichnend. 
Ein alter Nationalgardist aus Metz, der an einem Rbend angetrunken und lärmend 
durch die Straßen lief und vive Napoléon schrie, wurde von den Bürgern auf⸗ 
gegriffen, ins Gefängnis gesperrt, am nächsten Morgen rücklings auf einen Esel 
gesetzt und über die Grenze transportiert. 
Mann kann sich denken, welch' ein Schrecken alle Gemüter erfaßte, als der 
erste Pariser Irieden jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit dem Dater- 
lande zerstörte und der beste Teil des CLandes Frankreich verblieb. In einer 
Schrift jener Tage des Unglücks heißt es; „Es herrschte eine solche Bestürzung 
bei den bewohnern, ein solcher Unwillen, daß die Aufregung einer Empörung glich.“ 
Die verzweifelte Bürgerschaft sandte eine Deputation nach Mainz zum General 
gouverneur Gruner. Mit dieser Abordnung d auch der bedeutendste deutsche 
Journalist jener Zeit, Joseph Görres. Er schrieb darüber in seinem Blatte, aber 
diese für uns so wichtige Nummer war mir bisher nicht in die hände gekommen. 
Jett hatte ich Glüch durch das Entgegenkommen eines treuen Saarländers in 
Barmen. Ich konnte Einsicht nehmen in die bisher auch allen meinen Cesern gewiß 
unbekannte, fesselnde Nummer des „Rheinischen Merkur“ vom 17. Juni 1814. 
Hier schildert Görres die Begegnung in seiner flammenden, herzgewinnenden 
Art. Ein Anblich, der mein Innerstes erschüttert hat, war die Deputation aus 
Saarbrücken, die hierher (Mainz) gekommen, von allen geschickt, um Deutschland 
anzuflehen, sie in seinem Schoße aufzunehmen. Wie sehr die Menschen gejammert 
haben, die in Rede und That sich ihrem Stamm und ihrer Vatur getreu längst 
schon ausgesprochen haben, läßt sich nicht ausdrüchen. Deutschland stimmt ein; 
wir alle klagen um unsere Brüder und begraben den Volkssinn in dem Augenblick 
seiner Auferstehung. Weh uns, wenn unser heiligstes Gefühl nicht mehr gehört 
wirdi Weh uns, wenn das, was uns errettet, nicht mehr gekannt, nicht mehr 
geachtet wird!“ 
Wie ergreift uns gerade heute diese Klage und der wehmütige Weckruf, wie 
lebhaft klingen sie in unserer Seele nach! In drohender Gefahr und bitterster 
Vot, jein Heiligstes auf immer zu verlieren, entmutigte das Saarvolk nicht. Kaum 
daämmerte wieder ein Lichtstrahl der Hoffnung, da wächst aus der seelischen Trauer 
eine staunenswerte Willenskraft und nur ihr allein verdankte damals die „Saar“ 
ihre Rettung. Jene unüberwindliche Macht gegen alle äußere Gewalt strömte 
unseren Dorfahren aus dem Glauben an eine überirdische Quelle, inniges, leben⸗ 
diges Christentum ließ einst unsere Däter ihres Notschicksals Herr werden. 
Ein heimatlich geschichtliches Beispiel den Gegnern zur Lehr und für uns der 
Weg zur Wehr. 
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