Anstalt, so der Deutsch- und Chemieprofessor, darunter. Wächter schien sie zu
bemerken. Er begrüßte sie mit skurriler Höflichkeit, „Haben Sie gesehen, meine
sehr verehrten Steuerhinterzieher, auch unser hochwohllöblicher Lehrkörper
hat sich eingefunden, ollalala, August, an ihren Früchtchen werdet ihr sie er—
kennen .nicht wahr, Herr Schulamtsbewerber Halbwachs — er deutete auf
Professor Mohr, dessen Huͤnengestalt sich zuhinterst postiert hatte, „dic, cur hic?
— sprich, warum bist du hier, sagt der Lateiner . .. clammera waschandi,
hihihi, — zu Deutsch: Wäscheklammer! ... Geld ist ein guter Diener, aber ein
schlimmer Herr. . oder wie klammere ich meine Dollarscheine zusammen ...?“
Die Zuschauer lachten und blickten sich um. Das hagere Gesicht des Professors
war in flammendes Rot getaucht; man wußte stadtuͤm von seiner amerikanischen
Erbschaft, er machte wortlos kehrt und ging davon. „Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen'. .“. es liebt die Welt das Strah⸗
lende ꝛ schwärzen, wenn es nicht an Wächters patentamtlich geschützten
Wäscheklammern aufgehängt ist, — da lacht ihr Pestalozzischüler, statt heran—
zuströmen, und meine Klammern zu kaufen, um sie als Nasenformer, Krawaätten—
nadel, Geigendämpfer, Strumpfhalter, Maulvorhängeschlöfser zu benutzen, laßt
Frauen sprechen und schließt ihr den Schnabel mit Wächters Wäscheklammern,
zwanzig Stück nur zwanzig Pfennige ...“ Die Menge dröhnte vor Lachen,
Wächter griff das Lachen auf, verschluckte es und spie es wieder grimassierend
aus, wurde plötzlich ernst, verbeugte sich, „ei, wen seh ich da? Teurer Freund,
du bliebest lange fort! Sehr guten Tag, Herr Wasserstoffsuperoxyd —!“, be⸗
grüßte er den Chemie-Professor der Karl-August-Schule, „ein jeder lerne seine
Lektion, so wird es gut im Hause stohn ..“ Wäschekiammern gefällig, Herr
Oberstudienprofefsor? — nanu, er will keine, delectat variato, das steht schon
im Horatio, sagte der Herr Professor und hing seine Wäsche mit Sicherhels
nadeln auf . . .!“ — So ging es fort und fort ...
Das Geschäft blühte, die Klammern gingen wie frische Semmel, und wäh⸗
rend, Wächter alle Register seines Könnens zog, bald kullernd lachte, bald
nit blöder Miene flennte, bald diesen, bald jenen karikierte — meift waren
es augenfällige und stadtbekannte Eigenheiten — lockte er alle Passanten heran.
Der Haufen seiner Klammern schmolz zusehends herunter. Die Jugend hatte
einen Freudentag. Sie stand mit offenen Mäulern zuvorderst und bog sich
vor Lachen. Frauen hoben ihre Kinder hoch, um ihnen den dummen August
zu zeigen. Gott weiß, woher ihm alle diese Sentenzen und Stilblüten zu⸗
geflogen kamen, mit denen er feine Possenreden würzte. Die meisten Aus—⸗
drücke, die allerdings auf die Nichteingeweihten keinen Eindruck machten,
waren aus dem Wortschatze seiner früheren Lehrer. Jedenfalls fand die Ari
d ee wie er die ehrsamen Bürger verhöhnte. bei der breiten Masse
Anklang ...
Ob Wächter seine Klammern alle verkauft hat, kann ich nicht sagen. Als
man am zweiten Tage den Platz nach ihm absuchte, fand man ihn nicht. Frau
Wächter stand wohl da, Vorwitzige fragten sie, wo denn ihr Sohn, der dumme
August, heute sei? Worauf Frau Waͤchter kleinlich erwiderte?
„Wir haben alle Klammern verkauft!“
Das war nun sicherlich nicht der Fall. Wer Wächter kannte, wußte mehr.
Der wußte, daß er heute wieder jener ehrerbietige und trockene Zivilmensch
war, den die Schaulust der Menge ekelte. Seine Lage aber war seit diesem
Tage unhaltbar. Wo er ging und ftand, umringten ihn die Kinder und riefen:
„Dummer August“ und waren verwundert, wie er darüber in Zorn geraten
konnte. Und eines Tages ging das Gerücht um, er sei davongelaufen und habe
aus Frankfurt eine Karte geschrieben, daß er mit einer dort gastierenden
Zirkusgesellschaft ein Engagement abgeschlossen habe. Als was,. das wußte
der Briefbote nicht.
„Als Dummer August!“, hieß es allgemein.
Und daß er für lange Zeit in guter Erinnerung blieb, dafür sorgten die
tamtlich geschützten Wäscheklammern, mit denen er die Stadt“ übersät
atte ...
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