Full text: 1932 (0010)

ſind unten. Sofort mit den erſten Rettungsmannſchaften ohne Sauerſtoffgerät 
bin ich eingefahren. Sc<wefeliger Qualm ſc<lägt uns entgegen. Rufen, 
Schreien hört man in den Strecken. In wilder, blinder Haſt kommen aus allen 
Richtungen halbangezogene nackte Knappen gerannt. „Abteilung 9. Furchtbare 
Exploſion. Alles in Trümmer.“ Das iſt alles, was die furchtbar erſchreckten 
Menſchen ſagen können. Langſam gehen wir vor, dem Arbeitsfeld von Abtei- 
lung 9 zu. Shwach nur leuchten die Grubenlampen. Ringsum Staub und 
Qualm. Wir finden idie erſten Toten. Und dann -- finde ich meine beiden 
Buben. Auf der Flucht hat ſie das Gas erreicht. Sie liegen zuſammen, halten 
ſich im Tod noch eng umſchlungen. Der eine hat beide Arme feſt um iden Hals 
des anderen gelegt, ſo, als wollten ſie zuſammen Schuß vor dem Ungeheuer- 
lichen ſuchen. Friedlich lächelnd liegen ſie beieinander. Die lächelnden Geſichter 
zeigen, daß einer dem anderen doch den frühen Tod leicht gemacht hat. Und 
dann habe ich meine beiden toten Buben zutage gebracht.“ 
Kein Wort weiter konnte ider Mann mehr ſprechen. Und vor dem tiefen 
namenloſen Leid, vor dem ſchaurigen Erleben des armen Vaters war es zweck- 
los, Worte des Troſtes zu ſuchen. 
Hart und ſchwer hatte es den Mann gepackt. Er war an dem einen Tag 
alt und grau geworiden. Und doch ein harter Bergmann -- ein echter Knapps. 
Kameradſchaft. 
Ein furchtbares Beben geht dur< den Berg. Staub und Qualm erfüllen 
Streken und Querihläge. Die Lampen erlöſchen. Erſchroken und dunkel 
ſtehen die Knappen. Etwas Schreckliches muß paſſiert ſein. Shweflig beißender 
Qualm ſteigt auf, zieht mit der Luft durch die unterirdiſchen Gänge, füllt die 
Lungen und macht- das Atmen ſchwer. Ekler Brandgeruch geſellt ſich hinzu. 
Jeder weiß, was das bedeutet. 
Ein Laufen hebt an. Ein Rennen und Haſten ums nackte Leben, und der 
Tod läuft mit um die Wette. Keuchend und ſtampfend rennen die Leute den 
Hauptſtrecken, dem freien Wetterſtrom zu. Keine Zeit, um den abgelegten 
Schweißkittel zu greifen, keine Zeit, um irgend etwas mitzunehmen. Halb an- 
gezogen, teilweiſe ohne Schuhe und Strümpfe, läuft alles. Jeder warnt und 
ruft, um abſeitsſchaffende Kameraden auf die drohende Gefahr aufmerkſam 
zu machen. 
Jäh wird der Lauf unterbrochen. Umgeſtürzte Kohlenwagen, ein nieder- 
gegangener Bruch verſperren iden Weg. Zurück, wieder zurück ins Verderben. 
Ein anderer Weg muß eingeſchlagen werden. Hier geht's nicht weiter. 
Plößlich ein leiſes, unterdrücktes Stöhnen. „Du, Kumpel, langſam, ein 
Kamerad liegt hier. Wir müſſen ihn mitholen, denn hier ſucht und findet ihn 
niemand. Komm, hier im Querſchlag muß es ſein.“ Verteufelt, hier ſteht auch 
noh Gas. „Halt, dort muß er liegen, ſeine Lampe brennt noch. Gott ſei Dank, 
wenigſtens eine Lampe.“ „Kumpel, Waſſer,“ iſt das erſte, was der Verleßte 
verlangt. Und troß der immer ſtärker werdenden Gefahr geht einer mit der 
Lampe auf Waſſerſuche. 
Schwer verbrannt iſt der Verletzte, an Gehen oder Tragen nicht zu denken. 
Die Strecken ſind zu niedrig. 
Gierig “<hlürft der Verletzte das ſchale Waſſer. Ein Kohlenwagen wird 
aufgeſtöbert, der Verletzte, ſo gut es eben geht, hineingebettet, und unter 
ungeheuren Anſtrengungen fahren die zwei Knappen ihren verletzten Kamera- 
den zum Förderſchacht. 
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