Full text: 10.1932 (0010)

Stekte aber der Büttel die offene Hand :an einer der drei Säulen auf, 
ſo daß der Markt mit markten und feilſchen begann, wogte und webte eine 
fröhliche Menge dahin, und des „Kirſchbaums“ daſelbſten Wirt, mit allen 
ſeiner Geſ<hwei- und Geſchnurſchaft hatte nicht Hände genug, den Umſchlag zu 
bannen. Des Bannbäckers Nickels Fladen aber gerieten an ſolchen Tagen, 
troß ſeiner enorm großen Hände merkwürdig klein und die Würſte auf den 
Fleiſch<bänken der Metzgerinſel entliehen ihre Säfte dann mehr der Pumpe 
in den Meßgerküchen, denn dem Fleiſche. 
Fremdes Kriegsvolk ſah das alte Rathaus durc<s Stadttor einziehen, 
ſengend, brennend und mordend und der geſhändeten Frauen Wehruf ſchrie 
zum Himmel! Sah des Kaiſers Karl V. erhabene Majeſtät in <riſtlicher 
Demut und Beſcheidenheit nächtigend in der Herberg der Propſtei und wußte 
ſich nicht Rats genug, als das neue Rathaus erſtand und der Markt nach dem 
Schloßvorplaß verlegt wurde. 
Und da die Mauern der Stadt fielen und ihre Türme geſtürzt wurden, da 
verſiegte auch dem alten Rathaus der Born des Lebens, es wurde ſchwach und 
und altersgrau, einer neuen beſſeren Zeit entgegenhoffend. Auf die auch 
die Menſchen warten. Die aber nicht kommt und niht kommen kann, weil 
der Men'< vergißt, daß das Beſſere von ihm ſelber kommen muß, er aber 
heute ſeines Wertes mehr und mehr verluſtig geht. Unaufhaltſam! =- 
Eingeklemmt wie ein alt Hutzelmännlein, das ſeine Zeit längſt überlebt, 
zwiſchen jüngeren Generationen, die in ihrer robuſten Kraft es gar zu erdrücken 
ſuchen, ſtehen die Reſts des alten Baues neben dem alten Wachtturm der 
Stadt, deſſen Rundung man zwar noch erkennt, deſſen gewaltige Helmhaube 
aber längſt den Weg alles Jrdiſchen gegangen iſt. 
Bilder vom Leben am Saarbrücker Fürſtenhof. 
„Morgen wieder luſtig!“ 
König Jörome. 
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Fürſt Ludwig fährt aus. Märc<en aus Tauſendundeiner Nac<ht werden 
lebendig. Vergoldete Karoſſen fahren ſechsſpännig durc<s Land, Läufer voraus 
mit buntgeſtickten Samtjacken, hinten ſtehen zwei rieſige Heiducken in ihren 
maſſiven Silberpanzern und den hohen Bärenmüßen, in weißen Atlaskiſſen 
hinter den gläſernen Fenſtern bauſchen ſich bunte Brokatkrinolinen, nicken 
weißgepuderte, mit Federn geſhmückte Köpfe. Es folgt der Hofſtaat, grün- 
livrierte Jäger, ſhmuck mit goldenen Treſſen, die ſharlachroten Uniformen der 
Kaufmannsgarde auf ihren Rappen, die blauen Dragoner auf Sdchimmeln, 
bligend von Waffen, Mohren auf den hohen Kutſchböcken thronend, kleine 
Reger in feuerroten, ſilbergeſtickten Livreen laufen neben den Galawagen her 
und in dem prächtigſten Wagen der Fürſt mit ſeinem weißgepuderten Kopf, 
dem feingeſchnittenen, langen Profil, den feſtverſchloſſenen, herriſchen Lippen, 
den blitenden, hellen Augen, daneben die Fürſtin, Prinzeſſin Wilhelmine von 
Schwarzburg-Rudolſtadt, zart, leidend und jung, mit einem müden, reſignierten 
Lächeln, in Pelzen und Spitzen, von Geſchmeide funkelnd. 
In den engen, ſchlechtgepflaſterten Gaſſen drängen ſich die Bürger, reißen 
die Kappen von den Köpfen und die Frauen verſinken knizend tief in ihre 
weitbauſchigen Röcke. Die Fürſtin ſieht man ſelten; ſeit der Geburt des Erb- 
prinzen iſt ſie leidend und wohnt auf dem Halberg vor der Stadt in ihrem 
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