Szene geſetzte Vorprobe zu dem großen militäriſchen Schauſpiel vor dem
Monarchen mißlingen ließ. Das VI. Armeekorps ſollte am 2. September vor
dem Monarchen paradieren und glanzvoll abſchneiden. Mit welcher Sorgfalt
und Mühe ſolche Schau von Offizieren und Mannſ<haften vorbereitet wurde,
iſt jedem alten Soldaten noch ſicher in etwas peinlicher Erinnerung. Es gab
am 1. September, damit auch alles vor S. M. ſicher klappte, eine Vorprobe.
Das VI. Armeekorps hatte acht Regimenter, wir Siebziger waren das letzte
der vor dem Korpskommandeur defilierenden Truppe. Nach uns kamen nur
noh zwei Kompanien der Jülicher Unteroſfizierſchule. Sie hatten kein Muſik-
korps zur Verfügung, daher erſchien für uns ein Regimentsbefehl, daß Spiel-
leute und Regimentsmuſik der Siebziger die Jülicher „vorbeiblaſen“ ſollten.
Aber, wenn der Deubel ſein Spiel hat, es kam anders. Unſere Bataillone
marſchierten ſtramm und in vorzüglicher Haltung an den ſcharfen, kritiſchen
Augen Sr. Exzellenz vorüber. Wir waren glücklich und ſtolz zugleich über die
prächtige Haltung, da nahte ganz unvermutet ſchon das Unglück. Kaum war
die leßte Kompanie an unſerer Kapelle vorüber, da nahm unſer Muſikdirigent
ſeinen Taktſtock in die Höhe und gab damit das Zeichen zum Nachſchwenken.
Alles Winken vom Regimentstambour Tromsdorf und alles Rufen des auf
dem rechten Flügel haltenden Regimentsadjutanten Oberleutnant Back ver-
mochten nicht, Ströbe von ſeinem Jrrtum abzuhalten. Wohl oder übel mußten
nanmehr, um nicht volle Verwirrung eintreten zu laſſen, Spielleute und
Adjutant die Shwenkung mitmachen und ſtießen hierbei ſhon auf die 1. Kom»
panie der Schule. Vom Kommandierenden-, vom Diviſions- und Brigade-
general wurde ſofort bei Beginn der falſchen Aktion energiſch mit der Hand
zurükgewinkt. In der Aufregung aber wurden von Ströbe alle Winke glatt
üverſehen. Ein Adjutant ſprengte vor unſere Front, und im Laufſchritt mußten
wir eiligſt mit Trommeln, Pauke .und Trompeten zur Stelle unſeres unglück-
ſeligen Abmarſches zurück. Schnell ſtanden wir dort in Reih und Glied, wieder
„anſchlagen“ und mit knapper Not kam dann nod die 2. Kompanie der Untexr-
offizierſ<ule mit Muſik vorbei. Ob das Tempo 114 in der Minute in all
dieſer Aufregung no<h zutreffend war, wage ich nicht zu behaupten. „Das gibt
ein Donnerwetter“, flüſterten wir einander zu, denn ſchon praſſelten etliche
Liebenswürdigkeiten des Regimentsadjutanten auf unſeren Leiter nieder, der
mit hochrotem Kopf ganz geſchlagen vor uns ſtand. Er ſelbſt dachte wohl wie
wir, daß nach dieſem Unfall fein letztes Dienſtſtündlein geſchlagen habe. Wir
ſ<wenkten ab, auf uns zu reitet unſer Brigadegeneral, der liebenswürdige
Württemberger v. Bilfinger. Sein Ausſehen läßt uns Hoffnung ſchöpfen, daß
das Unwetter ohne vernichtenden Blitz vorüberziehen werde. Jn ſeiner ſchwä-
biſc<en Art, gutmütig verzeihend, ſagt er: „Nun, mein lieber Muſikdirigent,
Sie waren wohl von der Heiligkeit des Momentes ſo ergriffen, daß Sie die
Unteroffizierſchule gar nicht geſehen haben. Gut nur, daß Jhnen dies heute
paſſiert iſt. Wenn das morgen vorgekommen wäre (hier drohte er etwas mit
dem Finger), ich hätte Sie nicht mehr retten können.“
Die am nächſten Tage, 2. September 1893, bei Trier abgehaltene Kaiſer-
parade, an der auch eine größere Anzahl von Fürſtlichkeiten teilnahm, trug
den Siebzigern ein glänzendes Zeugnis ein.
Eine heitere Stunde.
Am 24. und 25. April 1892 war Kaiſer Wilhelm Il. Gaſt des Freiherrn von
Stumm auf Sc<hloß Halberg. Das 45 Mann ſtarke Muſikkorps der Siebziger
ſollte die Tafelmuſik ausführen und wurde an Ort und Stelle geführt. Die
telegraphiſ<e Meldung von dem Tode der Großherzogin von Meclenburg-
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