Ein Pfingſtmorgen.
„Jetzt möcht' ih nur wiſſe, ob es noh eene Minſch< gäbt, der ſo wenig uff ſei Ahnzug
halt wie Du,“ ſagte Karls Mutter, als ſie ſich beim Morgenkaffee gegenüberſaßen. „Du
muſcht ſchon ſeit zwei Johr e neier Ahnzug han, un kummſc<t immer no< daher in dem
plumpe, graue Ding, in dem Du ausſiehſc<t wie Eener, der Kohlen am Hafen ſchippt.
Aber Du läſcht Dir jo nix ſahn, Du ſiehſcht ja nit in, daß mr die Minſche immer ſo im
Bedächtnis hat, wie ſie -- -- ausſiehn.“
„Ich ſiehns in, Mamme,“ ſagte Karl und ſtrich ſeinen Waſſerwek. „Ich ſiehn alles
in, ih kenn Dei Rede auswennzig un innewennzig, weil Du ſie mir jede Morje halſcht.
IH weeß, daß mr in em Hafearweiterahnzug nit die Herze der Dame erowert und hätt
mir längſ<ht e neier Ahnzug gekaaft, wann's nit ſo unbequem wär. Awer die hieſige
gefalle mir nit, ih mißt ſhon nah Mannheim fahre un mit im beſchte Lade eenen
kaafe . . 4
„Das is recht, Karel, das thu aa<h endlich, es is bald Pingſhte. Un dann thu mir
eene Gefalle, kumme mir nur nit hem mit dem alte Ahnzug . . . Schmeiß ihn aus'm
Zug! Gelt, Karel? Dene will ich nie wieder ſiehn, nit emohl im Haus. Laß Dir nit
infalle, ihn etwa in die ſchemiſc< Anſtalt zu gewe, ich han das entſetzlich graublaue Karo
jezt zwei Johr täglich vor Aue. Hier ſin 500 Franke, dofor kriſcht Du e ſcheener neuer
Ahnzug, friſc<; von der Stang . . . Das iſt mein Pingſch<tgeſhenk: der nei Ahnzug.
Und jetzt mach mir die Freid, huck Dich heit noh in die Bahn, fahr nach Mannheim und
kaaf Dir dort e neier Ahnzug.
Karl trank ſeinen Kaffee aus. Seine Stirn war umwölkt. Er hatte keine Luſt. Neue
Anzüge waren unbequem. Er haßte Zollſchikanen und konnte nicht verſtehen, weshalb
er für deutſche Waren, die man in Deutſchland kaufte, den fremden Behörden auf einmal
ſchweren Zoll bezahlen mußte.
Aber ſeine Mutter wußte auch da Rat. „Gepäck nimmſc<ht Du keens mit, Du reiſt in
dem entſeßliche Ahnzug hin und auf der Rückreiſe ſhmeißt Du dene aus dem Zug un
kleidſ<t Dich vor der Saarzollſtation fix um. Das is in finf Minute gemacht, un dann
huckſt Du mir am Pingſhtmorje im neue Ahnzug am Kaffeetiſc< gegeniwer. Hand
drüff . - +“
Daraufhin war Karl ſeufzend abgereiſt na; Mannheim. Die Frühlingsſonne ſchien
ins Abteil. Er ſah ſich in dem Spiegel in dem wirklich ſehr abgenutzten, häßlichen Anzug
ſigen und er mußte ſeiner Mutter recht geben. Es war Zeit für den neuen Anzug. Auf
der Zollſtation ſah er mißvergnügt zu, wie Zollbeamte die Koffer der Mitreiſenden
öffneten und ſie durchſuchten. Ein Landsmann wurde mit Tabak abgefaßt und mußte
ſHweren Zoll entrichten, was er fluchend tat. Ein anderer hatte ſich mit Likör verſorgt,
den er ſeinen Freunden mitbringen wollte, auch er mußte den fremden Likör teuer be-
zahlen. Eine Frau hatte ſogar Sc<hokoladentafeln in weiße Unterröcke gewickelt, auch ſie
entgingen den Zollbeamten ebenſowenig wie das neue Seidenkleid, von dem die Dame
leider vergeſſen hatte, den Preiszettel abzuſchneiden. Der Zug hielt über eine halbe Stunde
wegen dieſer Zollgeſchic<hten. Die erwiſchten Reiſenden wurden hinausgeführt. Sobald
der Zug weiterfuhr, machte alles ſeinem Herzen Luft über die Zollſchikanen.
Karl ſaß ſtolz dabei. Er hatte kein Gepäck, einen alten Anzug und ein reines Ge-
wiſſen. Er freute ſich ſchon darauf, auf dem Rückweg ſeinen abgewetzten Anzug aus dem
Zug zu feuern.
In Mannheim erſtand er ſich einen feinen, hellkarierten Sommeranzug, der ihm wie
angegoſſen ſaß, nur an der Hoſe mußte noh etwas geändert werden. Man würde ihm
den Anzug zur Bahn ſc<iken, ſagte der Verkäufer.
Um acht Uhr ſaß er in dem Abendzug nach Hauſe und wartete auf ſeinen neuen
Anzug. Im letzten Augenblick kam endlich ein Bote mit der Pappſchachtel angelaufen und
warf ſie ihm in den Zug nach und der Zug fuhr ab.
Er hatte Glück, denn ſein Abteil war leer. Hinter Ludwigshafen öffnete er raſch die
Schachtel und begann ſich eiligſt auszukleiden. Er entledigte ſich ſeiner alten Hoſe und
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