Dr. Puſtkuchen, der treue Deutſche.
Von A. Z.
Im „Saarkalender“ 1926 erſchien zur Geſchichte des Saargebiets von
A. Müller als dankenswerter Beitrag: „Ein Zeitgenoſſe und Gegner Goethes
in unſerer Heimat.“ Der Verfaſſer hat damit den Wiebelskirhner Pfarrer
Dr. Friedrich Wilhelm Puſtkuchen (1793-1834) der Vergeſſenheit entriſſen,
einen Mann von hoher Bildung, denn er war gleich tüchtig als Theologe,
Pädagoge, Mediziner und Literat. Als ſtrenggläubiger Proteſtant war er
ein Gegner Goethes und iſt auch wohl aus dieſem Grunde dem Halbgott von
Weimar offen und ſcharf in mehreren Schriften gegenübergetreten. Sie er-
regten durch ihren inneren Gehalt und ihre Formenſchöne Aufſehen und be-
ſchäftigten längere Zeit leidenſchaftlich die Kierariſch gebildete Welt Deutſch-
lands. In den Jahren 1821-1823 erſchien aus ſeiner Feder der Roman
„Wilhelm Meiſters Wanderjahre“. Der erſte Teil dieſes Romans erſchien
noh vor idem Goetheſchen, in dem er ſich mit dem gleichnamigen Roman
Goethes und dem vergötterten Liebling ider Nation in heftiger Form aus-
einanderſeßte, ihn angriff und bekämpfte. Der Olympier hielt es nicht unter
ſeiner Würde, dem kühnen Pfarrer ſatiriſch zu entgegnen.
Mit der geiſtreichen und ſelbſt vom preußiichen Königshauſe beachteten
Perſönlichkeit beſchäftigte ſich eingehend und mit ernſter Wiſſenſchaft Hell-
muth Bleymehl, Lehrer in Wiebelskirhen. Seinem glücklichen und
eifrigen Forſchen iſt es zu danken, daß wir uns heute über iden Bildungsgang,
das Privatleben und idie vielſeitigen Arbeiten Puſtkuchens leicht orientieren
önnen.
Diesmal müſſen wir es uns verſagen, näher auf die feſſelnden Reſultate
der Arbeit Hellmuth Bleymehls einzugehen, es ſei aber einer Epiſode aus
dem bewegten Leben des Gelehrten gedacht, die heute noh alle Saarländer
intereſſieren dürfte.
Wir wiſſen, 'daß die Franzoſen die Hoffnung auf den Gewinn (des Saar-
kohlengebiets niemals aufgegeben haben. Sie erſtrebten das Heil ſtets auf
krummen Wegen. Wie heute ſuchten ſie auch nach den Freiheitskriegen mit
ihrer Propaganda für Frankreich Stimmung zu machen und zu werben. Wie
ſie heute das moraliſche Lumpengeſindel, das ſich überall für ein Linſengericht
zu jedem Verrat bereit findet, als Vorſpann für ihr Ziel benußen, ſo ſuchte
man damals hervorragende Männer zu gewinnen. Bleymehls Studien Über
Dr. Puſtkuchen bringen hierfür ein bezeichnendes Beiſpiel. Es heißt da:
„Wegen der damals nur fpärlichen Einnahmen lebte Puſtkuchen mit ſeiner
zahlreichen Familie nicht gerade in roſigen Verhältniſſen. Außerdem war er
ſelbſt oft krank. In dieſe Zeit fällt eine Begebenheit, 'die uns Saarländer,
weil ſie in übertragenem Sinne faſt zeitgemäß anmutet, beſonders intereſſieren
dürfte.
Hochgeſtellte Franzoſen ſchickten ihm ein handſchriftliches Werk zu, in
welchem der damalige König Friedrich Wilhelm 11. und ſein Haus ſtark ver-
unglimpft wurde.
In einem Ddabeiliegenden Briefe wurde Puſtkuchen aufgefordert, ſich gegen
Preußen zu empören und idas Buch unter ſeinem Namen Hherauszugeben.
Sodann ſollte er ſofort über die Grenze fliehen, wofür er dann als Judaslohn
für alles eine Villa in Lyon nebſt einer großen Summe Geldes, von welcher
er und ſeine Familie ſorgenfrei Hätte leben können, erhalten ſollte. Ein ver-
lokendes Anerbieten! Aber Puſtkuchen ſchickte das Buch mit dem Begleitbrief
nach Berlin an iden König. Dieſer dankte eigenhändig in einem Schreiben
für die bewieſene Treue, die „weder er noc< ſein Haus vergeſſen werde“.
Er möge ſich weiterhin in allen eigenen und ſeiner Kinder Angelegenheiten
vertrauensvoll an das Königl. Haus wenden. Das Schreiben ichloß mit den
Worten: „was Frankreich verſprechen kann, kann halten Ihr
dankbarer. König Friedrich Wilhelm“.