Ein Weihnachtsmorgen. . .
Von Liesbet Dill.
Es hatte die ganze Nacht geſ<hneit. Es war richtiges Weihnachtswetter,
als die Kinder erwachten. In den Gärten lag Schnee, die Welt war weiß und
ſtill geworden. In der Ferne läuteten die Glocken. Der Abend war herrlich
geweſen, alle unter dem Baum ausgebreiteten Geſchenke, ſogar der Colli hatte
eine dicke Wurſt bekommen, die er pietätlos ſofort unter dem weißgedeckten
Tiſch verſchlang, es hatte Punſch gegeben, man hatte ſeine Bücher verſchlungen
und die Eiſenbahn des Kleinen Paul hatte gar nicht mehr zu ſchnurren auf-
gehört, ſogar Papa hatte ſich dafür intereſſiert und ſich als Weichenſteller auf
den Teppich geſetzt . . . . Jezt ſprangen ſie aus den Betten, um ihre Geſchenke
im Nachtkittel zu beſtaunen und etwas von den Weihnachtstellern zu naſchen,
als die Türe aufgeriſſen wurde und Bertha hereingeſtürzt kam, hinter ihr die
verſtörte Köchin in Unterrock und Nachtjake . . . „Es ſin Jnbrecher im Haus!“
„Wer, wie, was? . . . Wo ſind ſie denn?“ riefen die entſetzten Kinder.
„In der Weihnachtsſtubb“, ſtammelte das erſhrokene Madchen; „ich han
ſe minanner ſchwäße geheert . . . Gehn nur nit erunner, die Diehr han ſe
abgeſchloß. Se ſin drin -- =“ Sie Kklopfte an die Tür des elterlichen Sclaf-
zimmers.
Die Mutter, die den Lärm gehört hatte, erſchien in einem raſch über-
geworfenen roten Schlafro>k. „Das iſt ja fur<tbar. Einbrecher! Hier, im
Hauſe? I< ſage es ja immer, die Wach- und Sc<ließgeſellſc<haft hat man und
einen Hund hat man ſich angeſchafft und = =“
Nun tauchte au< Papa im Bademantel auf, verſtört, mit geſträubtem
Haar, aus ſüßem Schlummer geweckt, er hatte einen Revolver in der Hand.
Er ließ ſich noch einmal von der Köchin erklären: „Es war no< dunkel . ..
ich han mir grad "5 Haar gemacht, da ſaht die Bertha zu mir, Du, da is ſchon
jemand in der Weihnachtsſtubb. Jh denk, die Kinner ſinns, die kennes nit
erwarte . . . Awer als mir erunner komme, han mir deitlich geheert, wie ſie
minanner geſpro han . . .“
„Waren es mehrere?“ fragte der Vater, der ſhußbereit und entſchloſſen
vor der unordentlich friſierten Ködjin ſtand.
„Jo, ich glaab, zwei.“
„Nee“, ſagte die Bertha, „es war nur eener . . . Mit ſo ner breete Baß“
ſtimm . . . Sie han aach das nei Grammophon uffgedreht, ich han ganz deit-
lich Muſſik geheert . . .“
»„Duas- iſt doch toll“, die Mama hakte mit Zitternden Händen an ihrem
Schlafroch, obwohl er gar keine Haken hatte. „Ruft die Polizei! Wo iſt das
elephon?“
„Jawohl“, ſagte der geſträubte Papa, „das Telephon! Das ſteht unten in
der Weihnachtsſtube, das werden die längſt abgeſchnitten Japen, das iſt ja das
erſte, was ſie machen, wenn ſie ins Haus kommen.“ as Haus war no<
kal; die Köchin hatte nicht gewagt, in den Keller zu gehen, um Feuer anzu-
maden.
„Da muß ich jo an der Weihnachtsſtubb vorbei. For kei Geld däht ich
das.“ Und ſie drückte ſc<audernd die Schürze gegen die Augen. Sie ſah ſi
ſchon mit einem Beil niedergehauen, wie neulich die alte Dame, die dem angeb-
lichen Inſtallateur ſo freundlich ihre Tür geöffnet hatte.
„Vorgeſhtern war eener do“, erinnerte ſig die Bertha, „der hat nach
Ihnen bat
„Nach mir? So, und was haben Sie da geſagt?“ |
„I< han geſaht, Sie wäre verreiſt“, ſtammelte Bertha vor den drohenden
Hausherrnaugen.
„Das war das dümmſte, was Sie ſagen konnten. Das ſagt man doch nicht,
das braucht man doh Unbekannten nicht auf die Naſe zu binden. Da ſagt
man, der Herr kann jeden Augenblik kommen. Wofür hängt denn mein Hut
immer im Hausgang?“ Der alte Hut hing, wie der Hut des Geßler, immer