Full text: 1931 (0009)

bei. Sie durften ihre heimatliche Sprache und Gebräuche pflegen und erhielten zu ihren 
Gottesdienſten“ franzöſiſche Geiſtliche.“ Da ſich dieſe aber meiſt als ungeeignet erwieſen, 
verlangten die Gemeinden deutſche, der franzöſiſchen Sprache mächtige Geiſtliche. =- Die 
franzöſiſchen Abkömmlinge tragen noh heute ihre franzöſiſchen Namen: Lavalle, Duchene, 
Renolette, Aubertin, Desgranges, Guillaum, Grande, und dieſelben Namen findet man 
auch heute no4g in Kurzel, Namen aus dem Innern Frankreichs. Als die Franzoſen 
vor 12 Jahren bei ihrem Erſcheinen im Saargebiet durc<h die Ludweiler Gegend kamen 
und die franzöſiſchen Namensſchilder laſen, kannte ihre Freude keine Grenzen. Vive 1a 
France! riefen ſie der ſich zurückhaltenden Bevölkerung zu, reichten den Kindern Schoko- 
lade und verteilten ganz gegen ihre Art Weißbrot und Butter. Alt und Jung bereiteten 
aber durch ihr ablehnendes Auftreten den Fremden eine arge Enttäuſchung, ſie zogen 
deprimiert von dannen. 
Valentin Kable verließ das ihm liebgewordene Ludweiler 1835 und kam nach ſeiner 
Stellung im Hochwald 1857 in die Saarheimat nach Dudweiler zurück. Seine Wohnung 
befand ſich in dem einfachen Schulhaus gegenüber der alten Kirche, die im Schatten der 
ſchönen, breiten Platanenallee von längſt vergangenen Zeiten träumte. In dieſer ruhigen 
Umgebung lebte er ſeinen Pflichten in der Schule und in der Kirche und dem alten Turm 
mit ſeiner Pflegebefohlenen, der altersſc<hwachen Uhr. 
Der alte, 69 Meter hohe, im 9. Jahrhundert erbaute Turm, war anfangs als Kapelle 
eingerichtet. Später aber, in Kriegszeiten, beſonders des 30jährigen Krieges, diente er 
den Bewohnern als Zufluchtsort. Seine Fenſter wurden deshalb ſtark vergittert und die 
ſchwere Türe mit ſtarken Balken verſehen. Als die durchziehenden ſchwediſchen und 
franzöſiſchen Kriegshorden, beſonders des ſpaniſchen Heerführers Gallas, brennend und 
plündernd das Land durchzogen, flüchteten die bedrängten Bewohner in den ſchüßenden 
Turm. Auch 1684 während der Raubzüge Ludwigs XIV, in unſere Saarheimat und die 
Pfalz, und 1793, dem franzöſiſchen Revolutionsjahr, als die Franzoſen verwüſtend das 
Land durchzogen und die Kirchen niederbrannten, diente der vom Brand der Kirche ver- 
ſchont gebliebene Turm den armen bedrängten Menſchen wieder als Zufluchtsort und 
treuer Beſchüßer. 
Der Turm mußte verſchiedentlich ausgebeſſert werden, ſo im 14., 15. und 17. Jahr» 
hundert. Ueber die hiſtoriſche Bedeutung ides Turmes ſchreibt im Jahre 1911 der Pro- 
vinzialkonſervator Prof. Renard in ſeinem Bericht unter anderm: „Der aus großen, 
roten Sandſteinquadern erbaute, mit einem Satteldach verſehene Turm iſt der lezte 
Ausläufer jener großen Gruppe von romaniſchen Oſtturmanlagen im Regierungsbezirk 
Trier. = In ſpätgotiſcher Zeit kommt wohl dieſe Turmart noch vor, jedoch nie mit dem 
<Harakteriſtiſc<en Satteldach, das bei dem Dudweiler Bau ſich noch findet.“ Der Turm 
wurde 1908 bei dem Abbruch der alten Kirche erhalten, venoviert und .als uraltes Wahr- 
zeichen unter Denkmalſchutz geſtellt. 
Als ich achtjährig 1869 zu Herrn Kable in die Schule kam, war ich ſofort begeiſtert 
von dieſem gütigſten aller Lehrer. Er regierte weniger mit pädagogiſcher Strenge als mit 
weiſem, gütigem Großvatergeſchik. Für die achtjährigen „Kindchen“ bedurfte es noh 
Reiner körperlichen Beſtrafung, dafür genügte noch ſein rotgewürfeltes großes Foulard- 
taſchentuch, das er den Kleinen auf die ſtramm geflochtenen Zöpfhen ſchlug. Dabei entlud 
ſim denn immer eine Wolke Schnupftabak über den Köpfen. Schnupftabak in den Haaren 
war den Kindern nicht etwas Verwunderliches, denn die ältere Generation damaliger Zeit 
huldigte dem, wie ſie dachte, heilſamen Schnupftabak, und das umfangreiche Schnupftuch 
ſpielte, in der Luft wedelnd, eine Shnupftabak-Spender-Rolle. -- Liebenswürdig bot man 
ſich gegenſeitig die zierlichen, mehr oder weniger koſtbaren Schnupftabakbüchsc<hen unter 
dem launigen ſaarländiſchen Sprüclein an: „Wer will ſchnuppe, der muß tuppe in die 
Büchs, ſonſcht krieht er nix!“ 
Herr Kable blieb denn auch -der altvertrauten Tradition treu und konnte ſich auch 
in der Schule von ſeinem Tabaksdös<hen nicht trennen, Niemand verübelte ihm das. Der 
Ausdruck ſeines Tadels gipfelte in den Worten: „Hopſa Lieschen, wart' noh ein bißchen“, 
und das Taſchentuch wedelte Tabak hinterdrein. Hatte er aber wirklich einmal nötig zu 
ſtrafen, ſo machte er einen Knoten in das Taſchentuch und ſchlug es mit den ſcherzhaften 
Worten: „Knüppelchen aus dem 'Sack“ den kleinen Delinquenten auf den Rücken. Für 
die neunjährigen auf der großen Seite genügte allerdings das „Knüppelchen aus dem 
Sack“ nicht mehr, da mußten denn manchmal die damals üblichen „Batſchhändc<hen“ in 
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