Das Atelierfeſt.
Von Liesbet Dill.
„Alſo, das do geht mir nit in“, ſagte Tante Malchen, „daß mr die junge
Mädc<her alleen in eine fremd Stadt jones laßt, daß jemand e Atelier hat un
kei Maler is oder umgekehrt, daß mr Zettel, die man ime fremde Haus vom
Teppich uffhebt, nit vorher umdreht un läſt, daß mr .... alſo kurz, die ganz
Geſchiht wird Tante Malchen ewig unbegreiflich bleiben und daß ſie dieſe
Sc<hande überlebt hat ....
Alſo, ſo war das . . . Tante Malche lebt in einem ſtillen, feinen, großen
Haus im feinſchte Viertel von Sangehann am Staade im erſchte Stok, denn
das Haus gehört ihr. Unten wohnt ein alter Poſtrat, der einen Neffen hat, der
in München Jura ſtudiert und zuweilen kometenartig hier auftaucht. Wie er
in der kurzen Zeit ſeiner geräuſchvollen Anweſenheit Zeit gefunden hatte, ſich
ihrer Nichte u nähern, die bei Tante Malchen in Penſion gegeben war, um
die Saarbrücker Küche zu lernen, war ein Rätſel.
Weihnachten war dieſer unſelige Student wieder dageweſen, hatte unten
das Grammophon trällern laſſen bis in die ſpäte Nacht und viel Lärm gemacht
und ſie dankte Gott, als ihr die Nichte erzählte, der Reiſe des Poſtrates ſei
abgereiſt . . . Zwei Monate ſpäter, im Februar, hatte ihre Nichte ein Tele-
gramm aus Mannheim bekommen von Onkel Anton, eine Einladung zu einer
Tbendgeſellſchaft. Sie war abgereiſt, Tante Malche hatte ihre Nichte ſelbſt zur
Bahn gebracht und nichts mehr von ihr gehört, als ihr eines Mittags um drei
Uhr, ſie hatte no< kaum ausgeſchlafen, die Köchin den Poſtrat meldete, mit
dem ſie wegen eines ſchlecht ziehenden Füllofens auf geſpanntem Verkehrs-
fuß ſtand . . . Er ſtand im Zylinder und Gehrock in ihrem kühlen Salon, mit
Einen großen gelben Brief in der Hand und einem Kopf wie ein gekochter
rebs.
„I< komme in einer ſehr ernſten Angelegenheit,“ begrüßte er ſie. Seine
Stimme klang hohl und unheilverkündend.
„Bitte, nemme Se Plaß,“ ſagte Tante Malche. Aber der Poſtrat blieb
ſtehen, als habe er einen StoK verſchluckt. „Gnädige Frau,“ ſagte er gemeſſen,
„kennen Sie dieſe Handſchrift?“ Und er hielt ihr eine Anſichtskarte hin.
Tante Malche ſuchte ihren Kneifer. „Die is von meiner Nichte,“ ſagte ſie,
„die grad in Mannheim is.“
„In München wollen Sie wohl ſagen,“ unterbrach ſie der Rat finſter.
"3 Münche, Gott bewahr, die beſucht ihre Onkel in Mannheim.“
„Leider beſucht ſie- nicht dieſen Onkel, ſondern =- =- meinen Neffen.“
„Wie? +. Aber = ſie is Doch nach Maunhein gefahr, ich ſelbſt hab ſie
auf die Bahn gebracht, ich hab ihr ſelbſt die Fahrkarte genomm . “
„Nun, es gibt ja Schaffner, die jede gewäünichte Karte weiterbeſorgen.
Und von Mannheim na< München iſt direkte Verbindung.“
Die alte Dame ſette ſich in einen tiefen Seſſel . . . Ihr wurde ganz
ſchwindlig. „Meine Nichte? Aber die zwei -- Jhr Neffe . . . Sie meine doch
den Student? -- die kenne ſich doh gar nit?“
„Woher wiſſen Sie das, gnädige Frau?“ fragte der Poſtrat ironiſch. „Die
[einen ſich ſehr gut zu kennen. Wenn man das Atelier eines jungen Mannes
eiucht =“
Ii (aiei9 Atelier? Ihr Neffe is do< Student. E Juriſt braucht doh kei
elier?2“
„Das haben wir uns auch geſagt. Aber er hat eins und in dieſem Atelier
hat ein Maskenfeſt ſtattgefunden, das drei Tage gedauert zu haben ſcheint
und ſehr vergnügt geweſen zu ſein ſcheint, denn dieſe Karte, die ich da habe,
beweiſt es. Wenn Sie ſie nur leſen wollen, gnädige Frau.“
- „Allmächtiger Gott.“ Der Kneifer war ihr in das Kleid gerutſcht, nun
hing er feſt an einem Knopf. Jhre Finger entwirrten ihn haſtig, das Herz
lopfte ihr. Der Poſtrat ſtand da vor ihr wie das leibhaftige Femgericht. Und
er war doch, wenn das Unglaublihe Wahrheit war, an allem ſchuld, denn
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