und die Buben und Mädchen ſprangen leichtfüßig hinunter in die Wetter-
ſc<hlucht und patſchten durc< den Wildbach.
Jahraus, jahrein zog Schäfer Kilz mit ſeiner Herde hinaus unter den Eich-
baum. Jm Winter ſaß er zu Hauſe, flo<ht Körbe, band Beſen und trocknete
Kräuter. Die hatte er draußen gebrochen, bei zu- und abnehmendem Mond,
gerade wie es richtig war; mit Blüten oder Wurzeln, ſtets wie er es angezeigt
wußte. Aus ihnen braute er Tränklein und Salben und hielt ſich und andere
damit geſund. Wer in Keltenbach krank war, ging zu Onkel Kilz; und er
half allen. Er ſelbſt ging nicht zu den Kranken; ſeine Kräutlein und Salben
aber wanderten von Haus zu Haus. Manchmal auc ließen ſich Alte beſonders
von ihm „brauchen“. Dann machten ſeine knochigen Finger Kreuze auf dem
Haupt der Kranken; dann blies er böſe Stellen an; dann murmelten ſeine
dünnen Lippen unverſtändliche Worte.
Der Pfarrer von Keltenbach hatte ihn deswegen einmal befragt und ihm
nicht verſchwiegen, daß das Gottesläſterung und mißbräuchliche Benußung des
Namens Gottes ſei. Da hatte der Alte gelacht und dazu gemeint: „Herr
Pfarrer, ih habe meinen Herrgott gefunden, damals bei Gravelotte; und ich
verkehr' mit ihm auf meine Weiſe. Gottesläſterung iſt's nicht, was ich tue.
I< helfe meinen Mitmenſchen ſo gut ich kann, und ich hoffe, daß mir Gott
auch einmal helfen wird.“ Da war der Pfarrer wieder ſtill ſeines Weges
gegangen und hatte ihn ſpäter nur noch einmal befragt.
Das war nach der ſchlimmen Nacht, als die Scheuer des Bergbauern lichter-
loh brannte. Das Vieh ſchrie in den Ställen, die Menſchen liefen halbnackt
und kopflos umher. Da war der alte Kilz erſchienen; und als er die Verwirrt-
heit ſah, da ſtraffte ſich ſeine Gardiſtengeſtalt, da gab ex Kommandos, da
ordnete er die Reihen der Waſſerträger, da räumte er Stall und Wohnhaus.
Und alle ordneten ſich willig ſeiner Führung unter.
Dann kam das, von dem die Keltenbacher noh heute mit Ehrfurc<ht und
Stolz erzählen. Die Flammen hatten das Wohnhaus erfaßt, das Dach brach
zuſammen, die Funken ſtoben in die Runde. Da erſchien an einem Fenſter
im oberen Stock das kleine Bübchen des Bergbauern, das alle ſchon in Sicher-
heit geglaubt, ſtreckte ſeine Hände flehend hinaus in die Nacht und rief Vater
und Mutter. Alles ſchrie laut auf; Kinder weinten; Mütter wurden ohn-
mächtig. Der Bergbauer ſuchte nach einer Leiter.
Da ſtürzte der alte Schäfer auf das Haus zu, lief hinein, die Treppe hinauf,
durch Flammen und Rauch hindurch, hin zu dem Kind, nahm es auf ſeinen
Arm, ging denſelben Weg wieder zurück, ſtolperte über Balken, verlor ſeinen
Hut und ſtand dann auf einmal doh wieder draußen und legte das Kind in
die Arme des Bergbauern, dieweil hinter ihm das Haus krachend zuſammen-
ſtürzte. Der Bauer drückte dem Alten wortlos die Hand. Der aber ſtrich ſich
die Silberhaare aus dem rußgeſ<hwärzten Geſicht, wiſchte mit einem Lappen
ſein angekohltes Holzbein ab und ging ſtill nac Hauſe. Dem Pfarrer aber
atten die Leute erzählt, der Alte habe ein Stück Papier ins Feuer geworfen,
das habe ihn und das Kind gerettet. Vom Pfarrer auch hierüber befragt, hatte
der Greis wiederum nur kurz gelacht und gemeint: „Herr Pfarrer, das Kind
iſt gerettet, und die Nachbarhäuſer ſind heil geblieben. Hoffentlich bleiben wir
von einem weiteren Brand verſchont.“ Mehr war aus ihm nicht heraus-
zubekommen.
Und dann kam ein ſchwarzer Tag für Keltenba<h. Heiß und ſchwül brütete
Sommerglut über dem Dorfe. Der alte Kilz hütete auf der Eichentrift ſeine
Herde. Graugelb ballten ſich im Wetterloch Wolken zu Hauf, wuchſen unheim-
lich ſchnell und fraßen am Himmelsblau. Da pfiff Kilz ſeinem Hunde; Der
ep vie Herde zuſammen, und dann gings die Trift hinunter, der Wetter-
ucht zu.
. Aber diesmal hatte der jonſt ſo Wetterkundige ſich verrechnet. Mit Windes-
eile trieben die ſHwefelgelben Wolkenmaſſen daher. Finſter ward der Himmel.
Tief flogen die Bögel und ſuchten ängſtlich ein Verſtek. Die Schafe blökten
kläglich und drängten heimwärts, Tyras hielt ſich geduckten Kopfes zu ſeinem
Herrn. Der ſchritt wacker aus, ſo ſchnell ſein Holzbein ihm das erlaubte. Im
Stillen haderte er mit ſich, daß er ſich ſo hatte überraſchen laſſen,
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