Als Kilz wieder zu ſich kam, lag er in einem Feldbett, und ſein Haupts-
mann ſtand davor und drückte ihm in wortloſer Dankbarkeit die Hände und
legte um beim Abſchied das Eiſerne Kreuz auf die Bettdecke, daß es nun in
dem ſc<arfkantigen Bauerngeſicht wühlte und malmte, und die Bruſt ſich hob,
und die Hände ſich um die des Hauptmanns ſchloſſen, gerade ſo, wie der Bauer
Kilz daheim ſeinen Birnbaum gepackt und ſich mit ihm gemeſſen hatte beim
Gehren um ſeinen Früchteſegen. "
Ein großes Erſchrecken war dann freilich noch einmal über das Kreuz ge-
huſcht und hatte einen dämmerigen Schleier über die himmelblauen Augen in
dem markigen Geſicht gebreitet, als Kilz erfuhr, daß man ihm das linke Bein
hatte abnehmen müſſen. Dann aber war auch das verwunden, und im Spät-
herbſt kehrte der Landwehrmann Kilz. mit Eiſernem Kreuz und ſchwarzem
Holzbein in ſein Heimatdorf Keltenbach zurück.
Bauer konnte er jezt nicht mehr bleiben; ein Bauer muß ganze Glieder
haben, die vom frühen Hahnenſchrei bis ſpät in die Nacht hinein ſich rühren
und regen können.
Da hatte ſi<ß Johann Peter Kilz als Schäfer angetragen; und gern hatte
man ihm die Herde anvertraut. Keltenbach war ſtolz auf ſeinen Schäfer.
Wenn der Kriegerverein an Kaiſers Geburtstag und am Sedansfeſt auf
der Dorfſtraße zum Gottesdienſt antrat, dann ſtand auf dem rechten Fluge
der Gardiſt Kilz mit dem Eiſernen Kreuz. Kerzengerade ſtapfte er mit ſeinem
Holzbein an der Spitze der langen Kette zur Kirche, und die Jugend von
Keltenbach ſchaute mit leuchtenden Augen auf den Rieſen, und die Buben
zogen den Hut vor ihm. Aber auch nur vor Onkel Kilz.
So nannte ihn im Laufe der Jahre das ganze Dorf.
Die Monde wechſelten, und der Keltenbacher Schäfer wurde in Wind und
Wetter alt und gebeugt. Seine Haare, die ihm unter dem breiten, ſchwarzen
Hut lang auf die Schulter fielen, bleichten wie Silberlicht ſo weiß; ſeine Augen
aber blieben wie der Himmel, der über ihm ſich wölbte bis hin zu Gottes
Thron. Den hatte Schäfer Kilz zwar noch nicht geſehen; aber wenn die kleinen
Buben und Mädchen ſich in der Mittagsſonne auf Fußſpien der alten Eiche
näherten, unter der der Schäfer mit ſeligen Augen in den Gotteshimmel hinein
träumte, dann wußten die kleinen Keltenbacher, daß Onkel Kilz nun die Engel
muſizieren hörte. Dann wagten ſie keinen Schritt mehr weiter und warteten
mit verhaltenem Atem, bis der Alte ſeine Blauſterne wieder aus Himmels-
räumen hereinholte und ihnen freundlich nickte, zu ihm zu kommen.
Dann feierte der alte Eichbaum ſein Feſt. Weit legte er ſeinen Schatten
hin über die ruhende Herde und den wachſamen Tyras, über den Alten im
einenkittel und die kleinen Menſchlein mit den Goldſträhnen. Kein Zweig
mochte mehr ſich regen, kein Blatt mehr im Winde ſich wenden, wenn ihr alter
Freuend aus dem Reich der Menſchen nun zu erzählen anhub: Von den Kelten,
die dem Ort ſeinen Namen gegeben. Von den Rieſen, die auf dem Nachbar-
iN el ihre Hünengräber gefunden. Von den Römern, die drüben auf dem
ue ergkegel zue Schauburg errichtet. Von den Rittern, die mit ſchweren
Krankheiten vom Kreuzzug heimgekehrt und im nahen Siechenhaus Geneſung
geſucht. Von der AT und ihrem unterirdiſchen Gang. Von den
<IHweden und Kroaten, die auf die meiſten Häuſer von Keltenbach den roten
Hahn geſetzt. Von dem imwarzen Huſaren, der mit ſeinem Pferd in den
Huſarenbrunnen geſtürzt. Von dem Fürſten von Saarbrücken, dem die Kelten-
bacher den Zehnten in die Scheuer liefern mußten. Von Napoleon, der die
breite Straße über den Berg geführt, und dem Marſchall Vorwärts, der im
kalten Januar Vierzehn aur dem Dur<hmarſc< nach Frankreich in Keltenbach
Quartier genommen. Von Siebzig und Gravelotte.
- Dod das Letzte machte er ſtets kurz. Dann zitterte das Holzbein; und
die lederharten Hände des Alten ballten ſich; ein Schauer lief dur< den Eich-
baum; und die Kleinen kuſchelten ſich eng aneinander; Tyras hörte mit klugen
Augen zu; und die Schafe vergaßen ihr Kauen. Bis der Alte plötzlich zu dem
Weidenbüſchel griff, das neben ihm lag, und den angefangenen Korb zu Ende
flo<t. Dann rauſchte der Eichbaum wieder, und Tyras umkreiſte die Herde,
ZH