Der Schäfer von Keltenbad.
Vorn: Karl Schneider.
Jrgendwo in unſerer Heimat liegt ſtill und beſchaulih das Dörfchen
Keltenba<m. Am Dorfausgang, nahe beim Walde, klafft die Wetterſchlucht.
Ein Wildbach ziſcht durc< ihr Steingeröll, kek und jugendtoll. Hoch oben auf
kahlen Felſen ſonnen ſich kleine Bergmannshäuſer. Am Scluchtende aber
ſteht ein Holzkreuz, roh zugehauen und wettergezauſelt. Mit ſchwarzen Buch-
ſtaben iſt auf ſein Holz eine Inſchrift gemalt, die mich jedesmal im Vorüber-
gehen zwingt, auf einen Huſch zu verweilen. v9 habe die Worte gar oft ſchon
geleſen, aber immer wieder, wenn ich vor ihnen ſtehe, überkommt mich ein
andachtsvoller Ernſt.
So ſteht auf dem Holzkreuz geſchrieben: .Hier verunglückte im Wolken-
bruch Schäfer Kilz.
Beim erſten Leſen habe ich nichts Beſonderes empfunden dabei. Jh habe
damals auch nur ſchwarze Buchſtaben geſehen, ungelenk hingemalt auf riſſiges,
vertrocknetes Eichenholz. Jetzt ſehe ich hinter die Buchſtaben, und da ſchaue
ich ein Holzbein und einen blauen Leinenkittel; zwei himmelblaue Augen
blicken mich an, und ich höre ein herzfrohes Lachen; irgendwo bellt ein Hund,
blökt ein Lämmchen. Und dann ſehe ich nur noch ſnvarze Wolken und höre
ein Sauſen und Brauſen und Ziſchen und Krachen, bis ſchließlich allein wieder
die ſteifen Buchſtaben mich anſchauen und mir nüchtern und ohne Beiwerk
ſagen, daß hier, am Ende der Wetterſchlu<ht, der Schäfer von Keltenbach
ſeinen Tod fand.
Ich gehe dann meiſt durch die Schlucht, am Wildbach vorbei, auf demſelben
ſchmalen Pfade, den damals auch Schäfer Kilz mit ſeiner Herde 3og, als der
Tod ihm im Nacken ſaß. Dann wandere ich bergauf bis hin zu der alten Eiche,
die noch viel älter iſt als der tote Schäfer war, der hier ſein Ruheplätzhen
hatte, wenn er mit der Herde draußen weilte. Hier auc war es, wo mir der
farrer von Keltenbach die Augen öffnete für das Geheimnis der ſchwarzen
Buchſtaben auf dem Holzkreuz an der Wetterſchluht.
Als ſtämmiger Bauernburſch war Johann Peter Kilz Soldat geworden.
Mit der Garde ſtürmte er im Auguſt des Jahres Siebzig Gravelotte. War ein
heißer Tag damals, und die Kugeln pfiffen. Aber der Gardiſt Kilz war die
Sommerhitze gewöhnt, und das Gewehr in ſeiner Hand war ihm wie eine
Heugabel ſo leicht. Mit ſeinem Hauptmann hielt er gleichen Schritt; er ſprang
mit ihm auf und ließ ſich mit ihm niederfallen. Er ſchoß und lud und ſtürmte
weiter und ſah nur ſeinen Hauptmann neben und die roten Käppis vor ſich.
Die aber wichen nicht; die lagen; und unter ihnen hervor krachte es. Und
neben Kilz keuchten die Kameraden und ſtöhnten die Getroffenen.
Zum letztenmal ſprangen ſie auf, Kilz und der Hauptmann; und ſie liefen
mitten in die Hölle hinein. Da lag vor ihnen immer noch ein rotes Käppi, und
ein Chaſſepot krachte und wurde wieder geladen und wurde wieder angelegt.
Und unter dem roten Käppi ſuchten zwei Savoyardenaugen ein lohnendes
Ziel, fanden den Hauptmann, der mit dem Degen in der Hand daher geſtürmt
kam, lenkten den Chaſſepot auf die Bruſt mit der Silberſchärpe und THickten
ſich gerade an, dem Zeigefinger das Kommando zu geben, da Krachte der
Kolben des Landwehrmanns Kilz auf den Savoyardenſchädel, daß das rote
Käppi noch roter wurde und trauernd ins Gras ſank, und die tapferen Augen
für immer ſich jhtoſſen. Der Zeigefinger aber führte das Kommando aus, und
während die zwei Hände erſchreckt am Chaſſepot riſſen und die Silberſchärpe
ſreigaben, drückte der Wächter am Hahn durch und jagte die lezte Kugel durchs
ohr, mitten hinein in das linke Bein des Gen Gardiſten, der immer
Ro ſein Gewehr in der Hand hielt wie zu Hauſe den Dreſchflegel auf der
enne.
Da ſchlug der Wehrmann Kilz längelang hin ins Gras, und die Pickelhaube
hatte nun Muße, mit dem roten Käppi ſi< zu unterhalten über die Torheit
enſchen.
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