Das Bluturteil iſt uns erhalten. Es lautet: „Nachdem Jakob Lohmüller und Nikel
Huppert in ihrer Verteidigung angehört worden ſind und der militäriſche accusateur
jeinen Schluß folgen und Requiſition vorgebracht hatte, ſo erkiärte die militäriſche
Kommiſſion. revolutionsmäßig richtend, Jakob Lohmüller yon Güdingen und Nikol
Suppert von Bübingen als überwieſen, daß ſelbige den Freunden der franzöſiſchen Frei-
heit alle Kränkungen, welche in ihrer Macht ſtunden, zugefügt haben und hiermit des
Todes ſchuldig ſeien; befiehlt, daß gegenwärtiges Urteil auch zugleih dem Valentin
Müller von Bübingen, der entwichen iſt und gleichen Verbrechens überwieſen worden,
zufolge der Criminalgeſeze und des Schluſſes des Revolutioniſten Ehrmann, Repräſen-
tanten des Volks bei der Rhein- und Moſelarmee, treffe; erklärt zugleich die ſämtlichen
Güter des Jakob Lohmüller, des Nikel Hupperts und Valentin Müllers zum Nuten
der Republik confisziert, dasjenige ausgenommen, das zur Unterhaltung ihrer ſämtlichen
Familien, falls welche vorhanden ſeien, nötig iſt; befiehlt dem militäriſchen accusateur
binnen 24 Stunden dieſes Urteil auf das pünktlichſte vollziehen zu laſſen;
Geſchehen und gerichtet zu St. Johann-Saarbrück den 20. Frimaire, im 2. Jahr
der ein- und unzerteilbaren Frankenrepublik, durch Laforet, Hauptmann vom 89. Jnft.-
Reg. als Präſident, Longuerue, Hauptmann der Gensdarmerie nationale, Verier, Haupt-
mann, Peter, Lieutenant; Fidler, Sergant-Major; Raye, Korporal und Fauvinkel, Füße-
lirer, ſämtlich vom 89. Inft.-Regt. und Humbert, Secretär Greffier, unterſchrieben.“
Lohmüller und Huppert wurden darauf, gefeſſelt, in das Gefängnis in der Talſtraße
zurückgebracht.
Am anderen Morgen kam nochmals die Gattin des Meiers mit ihren Kindern und
Verwandten zum Repräſentanten, warf ſich vor ihm auf die Knie und flehte um Gnade
für den Gatten und Vater; zyniſch lächelnd erwiderte Ehrmann, daß die Männer bald
frei wären; gleichzeitig aber ließ er dem Stadtrat den Befehl zuſtellen, den beiden
Verhafteten bekanntzugeben, daß ihre lezte Stunde gekommen ſei und daß ſie noh
am ſelben Morgen -- hingerichtet würden! Außerdem wurden die Bewohner beider
Städte durch öffentlichen Ausruf zur Exekution eingeladen . ...
Verſchwunden iſt an dieſem Morgen, dem 11. Dezember 1793, das ſonſt ſo emſige
Treiben in den Städten. Verſtummt iſt das luſtige Gehämmer in den Werkſtätten, leer
ſind plößlich die Kramläden, ſtill die Gaſtſtuben geworden. --
Verbiſſen -=- die geballten Fäuſte unter dem Scurzfell verkrampft, lehnt der alte
Hufſ<mied von Saarbrücken an der Werkbank und ſtarrt drohenden Blicks in der
Richtung zum Sc<loßplat, wo die franzöſiſchen Blutherren der Revolution ihr Quartier
haben; die Meiſterin aber ſit mit rotgeweinten Augen am Küchenherd und merkt
nicht, daß die Mittagsſuppe über dem erlöſhenden Feuer aufgehört hat zu brodeln . . .
Unfaßbar ſchien es: Sollte der verhaßte Stadtdiktator, der Sanscoulottenhäuptling
Ehrmann, wirklich die Vermeſſenheit beſigen und das Blut der beiden unſchuldigen.
allgemein als rechtſchaffen bekannten Güdinger Landleute fordern? =- Aber war man
es in dieſen wilden Zeiten niht gewohnt, daß die öffentlichen Plätze in den Städten
ſic) röteten vom Blute edler Menſchen, daß die „Freiheit und Gleichheit“ den Volks-
genoſſen eben mit Schwert und Fallbeil eingehämmert werden ſollte? =- =-- -- Wußte
man überhaupt, wie lange und wie feſt der eigene Kopf noh zwiſchen den Scultern
ſaß? --
Hohl poltert es nun durch die alten Gaſſen. An der Spiße reitet der Repräſentant,
deſſen knochiges, unſchönes Geſicht heute no< häßlicher erſcheint. Unruhig blicken die
Raubtieraugen durch die menſchenleeren Straßenzüge und gleiten dann funkelnd über
die geſchloſſenen Fenſterläden.
- „Elendes Domeſtikengeſindel -- verlangt es Euch nicht, das köſtlihe Schauſpiel
zu ſehen?“ denkt er und gibt dem Gaul einen Schlag, der ihn ſich hoh aufbäumen läßt.
-=- Hinter ihm ſchreiten gravitätiſ< die Revolutionsrichter. Grell leuchten die roten
Aufſchläge der engen, ſchwarzen Anzüge; über den Schultern flattert ein blutfarbener
Talar, während als Kopfbedeckung ein ſchwarzer Randhut mit wehendem, feuerrotem
Federbuſch die Kleidung der wahrhaft ſataniſch aufgeputzten Geſtalten vervollſtändigt.
Dann folgen die Trommler, hinter denen das von einigen Gäulen gezogene Blut-
gerüſt, die Guillotine =- deren Balken wie drohende - Arme emporragen -- über das
alte Steinpflaſter poltert. Den Schluß des traurigen Zuges aber bilden =- umringt von
etwa 40 verkommenen Sanscoulotten -- die armen Opfer, der vollſtändig zuſammen-
at