hätten nur aus feiger Rachſucht gehandelt. Es wurde dann gebeten, dem Verhafteten
eine Verantwortung und Verteidigung zu geſtatten und ſchließlih erwähnt, daß die
ganze Gemeinde die Unwahrheit der Anklage und die Unſchuld des Meiers durch Unter-
ſchrift eidli<h dokumentieren wolle.
Dieſe Eingabe wurde nun von allen Gemeindsleuten unterſchrieben und durch die
Familie des Meiers perſönlich dem Repräſentanten überreicht.
Ungnädig empfing der von Volksgnaden zu ſeinem Poſten erhobene Deſpot die
Bittſteller, um dann plötzlich, einem unberechenbaren Einfall folgend, die Bittſchrift unge-
leſen den verſchüchterten Leuten vor die Füße zu ſchleudern und ohne ſie irgendwie
anzuhören, vor die Türe jagte.
Auf das flehentliche Bitten des in höchſter Verzweiflung befindlichen und in den
wenigen Tagen ſeiner Inhaftierung ſeeliſQ und körperlich zerrütteten Dorfmeiers über-
nahm der als äußerſt hilfsbereiter und vornehmer Charakter bekannte Saarbrücker Arzt,
Hofrat Wilkens, das heikle Amt eines perſönlichen Fürſprehers bei dem berüch-
tigten Repräſentanten Ehrmann.
Beim Vortragen ſeiner Bitten wurde der Hofrat jedoch unangenehm davon berührt,
daß der Repräſentant ſich. „weder eines Befehls zur Verhaftung, noh des Verhafteten,
noh ſeines Verbrechens erinnerte und erſt nah einigem Nachſinnen darüber ſeinen
Sekretär befragte. „Dieſer antwortete mit Mienen und Ausdrücken, welche anzeigten,
daß er die Sache für höchſt unbedeutend und die Denunzianten für Nichtswürdige
hielt . . .“ Die Angelegenheit ſollte nun baldmöglichſt unterſucht und dann ein Urteil
gefällt werden. -- Jn der freudigen Annahme, 'daß ſeine Fürbitte von Erfolg gekrönt
ſei, wandte ſi< der Hofrat no<mals an den Repräſentanten, ſchilderte den ehrlichen
Charakter des Dorfmeiers und ſuchte ihn ſc<ließlih von der Unſchuld desſelben zu
überzeugen. No< während er ſpraß, wurde dem Machthaber ein Schreiben über-
geben. ;
- Nachdenklich hatte dieſer die Nachricht geleſen, ſchritt dann einige Mal wie geiſtes-
abweſend dur< das Zimmer und ſchien den Hofrat vollſtändig vergeſſen zu haben. Plötzlich
aber blieb er vor dem Bittſteller ſtehen, ſah ihn ſtarr an und ſchrie dann mit entſtellter,
ſich mehrmals überſch<hlagender Stimme:
„Doktor! es iſt nicht nötig, daß Sie dem Arreſtanten Medizin verſchreiben, morgen
um 10 Uhr laſſe i< ihn evſchießen, dann braucht er keine Medizin und auch kein
anderes Logis mehr! Citoyen Secretaire, geben Sie fogleicßh Ordre an Levaſſeur, daß
er ihn auf der Stelle r&volutionairement jagiren' ſolle *).“
Wie Peitſchenhiebe hatten dieſe Worte den alten Hofrat getroffen; das Zimmer
ſchien ſi< im Kreiſe zu drehen und unklar war es für ihn, wie er überhaupt wieder
auf die Straße und in ſeine Wohnung gekommen. -=-
No<g am ſelben Abend wurde der Dovfmeier ſowie der freiwillig mit dieſem in
Haft gegangene Nik. Huppert, der bisher in keiner Klageſchrift auc< nur irgendwie
erwähnt wurde, dem Revolutionsgericht vorgeführt.
Dieſes würdige Kollegium beſtand aus dem Citoyen Levaſſeur, einem Buben von
18 Jahren, der, um ſich anſehnlicher zu machen, einen roten Schnurrbart von armſeligem
Flaum trug und der vermutlich aus Rückſicht auf ſeinen Vater, einen ehemaligen Advo-
katen in Saarburg und Mitglied der Nationalkonvention, dieſe Stelle erhalten hat,
jodann aus einigen Offiziers, Unteroffiziers und Gemeinen von dem ehemaligen Regiment
royal Suedois als Beiſigern. Levaſſeur war“ accusateur public und Richter in - einer
Perſon. Er verſtand kein Wort deutſch, der größte Teil der Offiziere auch nicht und
die Arreſtanten kein Wort franzöſiſch. Dieſen wurde etwas in franzöſiſc<er Sprache
vorgeleſen, das ſie nicht verſtanden. Der Creffier der Commiſſion, Humbert, fragte in
gebrochenem Deutſch, ob ſie ſchuldig ſeien. Der Meyer beteuerte ſeine Unſchuld bei Gott
und berief ſich auf das Zeugnis aller rechtſchaffenen Menſchen. Nickel Huppert, welcher
ſich bloß als Statiſt anſah und gar nicht wußte, daß er eine Rolle in dieſer Lebenstragödie
mitſpielte, hielt alle Antwort für überflüſſig, ſ<hwieg gegen die Richter und beteuerte
nur der Wache 'die Unſchuld des Meiers. Dieſe Gerichtsfarce war die ganze Prozedur,
*) Wörtliche Wiedergabe nach dem Bericht eines Augenzeugen. (Vergl. Horſtmann, „Die
Franzoſen in Saarbrücken und den deutſchen Reichslanden uſw.“ Mitteilungen des Hiſtori-
ſchen Vereins für die Saargepend, Heft V.)
ZC