10. Tagung des Bundes der Saarvereine in Trier
5. und 6. Juli 1930.
Von A. Z.
Es war ein glücklicher Gedanke, die 10. Tagung des Bundes der Saarvereine in
T-jer abzuhalten, denn wir leben mit der alten Römerſtadt im Randgebiet des Reiches,
ſeiner vielgeprüften Schickſalszone. Jahrhunderte hindurg wanderten wir zuſammen
einen Paſſionsweg, deſſen zahlreiche Leidensſtationen aus der unſeligen Zerſplitterung
und Zerriſſenheit der deutſchen Stämme emporwuchſen. Mit der politiſg<en Not ging
naturgemäß wirtſchaftliche Bedrängnis, bis dex Kanonendonner der Heerhaufen Blüchers,
das befreiende Gewitter, uns aus der Geiſt und Seele bedrückenden Atmoſphäre hinaus-
führte zum freien und fröhlichen Wirken im Vaterland. Jedes Landſchaftsbild unſerer
Weſtgrenze, Burgen, Kirchen und die lebensfrohen Orte mit der deutſchen Seele ihrer
Bewohner, alles erzählt von der Größe und zugleich von der Tragik dieſes herrlichen
Flekhens Erde. Aus dem tiefſten Glauben an Deutſchlands Berufung, an ſein Wieder-
exwachen zu Macht und Kraft ſchöpfte hier auch jetzt ein Volk gegen Haß und Barbarei den
Mut zum Widerſtand, bis die Glocken vom 30. Juni jubelnd in den Himmel läuteten und
auch für Trier einen Tag von tiefem hiſtoriſchen Sinn heraufführten.
Ein unzerſtörbares Gefühl der Verbundenheit drängte den Bund der Saarvereine,
den Herold unſeres Stammes im Reiche, zur Biſchofsſtadt, um mit der noh bedrängten und
bedrückten. Heimat an der unvergeßlichen Freudenſtunde teilzunehmen, die die Moſel-
reſidenz dem Reiche wiedergegeben hat. Zugleich hieß es aber auch, von dort aus wieder
an 5as Gewiſſen der Welt zu appellieren und den Willen des Saarvolkes kundzutun,
nicht zu raſten noh zu ruhen, bis die Glocken an der Saar den Tag der Erlöſung hinaus-
klingen laſſen in das aufatmende Land. Unſer Gebiet hat man von der Mutter los-
geriſſen, aber die Herzen haben ſich nicht losreißen laſſen. Sie waren im Geiſte alle
ohne Ausnahme in Trier anweſend mit jener Aufrichtigkeit und Aufrechtheit, die dem
deutſchen Weſen tiefinnerſt entſpricht. Und was wir alle in der glänzenden Tagung ſahen
und fühlten, fand den ſtahlharten Ausdruck unſerer Geſinnung: Jede Forderung ider
Franzoſen, politiſ<e Anſprüche und wirtſchaftlihe Vorrechte auch über das Jahr 1935
hinaus zu verankern, werden wir niemals als eine Baſis der Verhandlungen anerkennen.“
„Wir wollen frei ſein wie die Väter waren!“ In unſerem heiligen Freiheitskampf gibt
es nur ein Ziel, die unbelaſtete Rückkehr zum Reich! Daher hat auch das Sdeitern
der Pariſer Saarkonferenz bei uns keine Enttäuſchung ausgelöſt, wir rüſten im Glauben
an unſer Recht zum letzten, wenn auch noh ſo ſchweren Entſc<heidungskampf. Dies
Bokenntnis bleibt der Schwerpunkt der Trierer Tagung, die wie ein Leuchtfeuer unſerm
ſturmerprobten S<iff den Weg zum Hafen zeigt.
Wie flammte das politiſ<e Glaubensbekenntnis unſerer Heimat am Abend des
30. Juni empor, als es galt, in einer Treuekundgebung unſern Schwur niederzulegen
und geiſtig Hand in Hand zu ſtehen mit den erlöſten rheiniſchen und pfälziſchen Brüdern.
Es war für alle Zeiten ein Erlebnis. 30 000 Menſchen drängten ſich Kopf an Kopf auf
vem Rathausplatz, ſtauten ſich eng zuſammengepreßt weit über den Plaß hinaus, dur<-
fluteten und durhwogten in mächtigem Strom die benachbarten Straßenzüge, ſodaß
das Zentrum der Stadt ein rieſiges Menſ<henmeer bildete. Welch ein einzigartiges,
überwältigendes Bild! Das war ein Weiheakt, wie ihn der Rathausplaß noh niemals
erlebte und wie er ihn ſobald nicht wieder erleben wird. Die Silhouette der Johannis-
kirche erhebt ſich geiſterhaft aus dem wogenden Meer und über allem der dunkle Bal-
dahin des Junihimmels. Shmetternde Märſche, allbekannte feierlihe Weiſen klingen
hell über den weiten Plat. Es folgen Maſſenc<höre der Saarbrücker Geſangvereine, ſie
ballen über die feierlihe Menge in die Nacht hinaus. Dann ergreift Landesratsabgeord-
neter Kiefer das Wort, um der in den Herzen lebenden Empfindung einen Ausdruck zu ver-
leihen, der alle mit ſich reißt. Wir wollen heim, ſo ruft er zum Schluſſe aus, zum ange-
ſtammten Volk und Vaterland, ungetrennt und ungeſchmälert! Das iſt der Ruf, der ſeit
der JInkraftſezung des Verſailler Vertrages im Saargebiet erhoben wurde von allen
Parteien, Ständen und Konfeſſionen. Als. man uns nicht erhörte, da war es unſer
ſehnlicher Wunſch, mit dem rheiniſchen und pfälziſchen Volke auch unſere völlige Be-
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