Seittafel zur Geſchichte des Saargebietes
vom 1. Juli 1929 bis 30. Juli 1930*)
Juli: Sechs betrunkene Angehörige der Neun-
kir<er Bahnſ<ußtruppe beläſtigten, zum Teil
mit gezogenem Seitengewehr, in Wiebelskir<hen
auf der Straße Männer und Frauen in der
übelſten Weiſe. Die Schuldigen konnten nidt
feſtgeſtellt werden. Die Blätter ſc<reiben über
„Shuß vor dem Bahnſ<ug“.
Juli: Die franzöſiſche Preſſe erhebt ſcharfen Pro-
teſt gegen die Behandlung der Saarfrage auf der
internationalen Regierungskonferenz. Die Saar-
frage könne niht diskutiert werden, da nie-
mand das Re<ht habe, das Ergebnis der feſt-
gelegten Dolksabſtimmung zu präjudizieren.
„Liberte“ meint ſogar, eine geſ<hi>te Propa-
ganda könne noh heute ein glückliches Reſultat
für Frankreih im Jahre 1935 erzielen. Dieſe
Probe blühenden Unſinns mag genügen.
Juli: Der ſeit dem 2. Juli vor dem Sc<wur-
gericht über den St. Ingberter Sparkaſſenſkandal
geführte Prozeß endet heute mit folgendem Ur-
teil: Pir<er 4 Jahr 6 Monate, Omlor 3 Jahre
6 Monate Gefänanis.
Juli: Einweihung der Chriſtkönigskir<e, Die
Pfarrei übernimmt Dr. S<li<. Die Kirde bietet
Plaß für 1600 Perſonen. -- Der rüdſichtsloſe
Grubenraubbau der Franzoſen läßt die Wilhelms-
höhe in Dudweiler als ein zweites Schnappach
erſ<einen. Die ſ<wer Geſchädigten wollen ge-
meinſam gegen die Bergverwaltung vorgehen.
Juli: Streſemann äußert ſic zu einem Korre-
ſpondenten des „Matin“ über die Saarfrage
u. a.: „Es kommt allein auf den guten Willen an,
an die Löſung des Saarproblems heranzugehen.
Iſt dieſer Wille da, ſo wird die Form der zu
treffenden Dereinbarung keine Sdwierigkeiten
machen.“
Juli: In Genf beim Dölkerbund läuft eine von
der Regierungskommiſſion weitergeleitete Be-
ſ<werde der gegenwärtig im Saargebiet ſich auf-
haltenden Micumſteiger ein. Die Ablehnung und
Aehtung, die dieſe unſauberen Elemente an der
Saar bei der Bevölkerung gefunden haben, taucht
hier in Zorn und Wut auf. „Uame und Art“
dieſer Geſellſ<aft und ihrer Vergiftungsverſuche
ſind zu bekannt, als daß man no< darüber
debattieren müſſe. Eine moraliſc<e Rehabilitie-
rung iſt unmögli<, ſiehe Saarkalender 1930,
Seite 235.
Juli: In einem KAufſaß in der „Revue des vi-
vants“ erklärt u. a. Profeſſor Shüdking: „Es
wird 'kefner Regierung und keiner Derwaltung
gelingen, mag ſie no<4 ſo gut ſein, Unmögliches
zu verwirklichen, nämli< aus 800 000 Deutſc<en
800 000 Franzoſen zu maden.“
Juli: Die Wohnungszwangswirtſchaft iſt jeßt in
236 - Gemeinden des Saargebiets aufgehoben, Das
ſind 80 Proz. der kleineren Gemeinden.
Juli: Weihe der Iugendherberge Merzig, 16 be-
finden ſi; damit im Saargebiet. Sie wurden
1928 beſu<t von rund 5000 jugendlichen Saar-
ländern. Rei<swanderer ſind nö< nidht er-
ſchienen.
1.4
*) In den vorhergehenden Iahrgängen des Saar-
kolenders' ſind die wichtigſten Daten aus der Ge-
ſ&ic<te des Saargebietes feſtgelegt vom Jahre 600 bis
Juli 1929.
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22.
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24.
Juli: Dom heutigen Tage ab iſt au< die Luft-
verkehrsſtreke Saarbrüdcken--Karlsruhe--Stutt-
gart--Münden freigegeben. -=- Die Preſſe teilt
mit, daß 1928 aus dem Saargebiet 2,6 Vlill. Tonnen
Waren im Werte von 221 Mill. RM. na<H dem
Roichsgebiet verſandt wurden, während aus dem
Reiche nur 1,1 Mill. Tonnen Waren im Werte von
115 Mill. RM. nah der Saar liefen. Den Ge-
winn von dem Defizit hat Frankreich unter dem
Sqhuße der ungeſunden Zollgrenze.
Juli: Die Preſſe veröffentliht Uac<hrihten aus
Birkenfeld, wona< dort der lebhafte Wunſc< be-
ſteht, ſic von Oldenburg zu trennen, ſi< Preußen
anzuſ<ließen und in der Rheinprovinz aufzu-
gehen.
Juli: Die Saarferngasgeſellſ<haft hat ſich mit
der Ruhr-A.-G. über die Aufteilung des ſüd-
deutſ<en Derbrauhsgebietes verſtändigt. FJFeſt-
gelegt iſt die Demarkationslinie zwiſchen dem
Abſaßgebiet der Ruhr und der Saar.
Juli: Gegen einige preußiſhe Bergbeamte, die
ſi< am „Saarbund“ und „„Saarzentralverband“"
beteiligt haben, wurde bei ihrem Rücktritt in
preußiſchen Dienſt das Diſziplinarverfahren ein-
geleitet. Sie wurden vom Oberbergamt und dem
Diſziplinarhof wegen Treubru< am Daterland
entlaſſen.
Juli: Der Gewerkverein driſtliher Bergarbeiter
Bezirk Saarbrücken feiert mit glänzendem Teſt-
zug und Derſammlungen ſein 25jähriges Be-
ſtehen. 83 Deteranen als Mitbegründer konnten
no<4 an der JFeier teilnehmen. Friß Kuhnen ge-
denkt in ſeiner Feſtrede auc der erſten „„Helden-
taten“ der Franzoſen und ſagt u. a.: „In dem
weſtlichen Unternehmer habe man ſich
nicht getäuſ<t. Ua<dem der Gewerkverein die
Forderung der Bergleute aufgeſtellt hatte, habe
man zunächſt ni<t darauf geachtet. Bald ſeien
Streiks ausgebrohen. Mit Bajonetten „ſeien die
Arbeiter zur Grube gebra<t worden, und wer
nic<t anfuhr, den habe man über den Rhein ab-
geſ<oben. Diele Mitglieder des Gewerkvereins
ſ<machteten zu jener Zeit im Gefängnis. Dieſe
Dinge habe man heute vergeſſen. Es ſei aber
notwendig, ſie wieder aufzufriſchen. Es ſpielten
ſiH heute jo mange als Uationale auf, von
denen man damals nichts gehört habe,“
Juli: Die Bergkapelle St. Ingbert kann heute
auf ein neunzigjähriges Beſtehen zurückblicken.
Bei der Gründung im Jahre 1839 zählte die Ka-
pelle 25 Mann, ihre Kapellmeiſter waren Pfort,
Sonntag, Engel und Setting. Ua< dem Welt-
krieg neu aufgebaut, zählt dieſe Bergmuſik heute
35 Mann.
Juli: Shnappa< wird zum größten Teile nicht
mehr mit Gas beliefert wegen der zahlreichen
Rohrbrüche und Grubenſenkungen, die die aus-
ſtrömenden Gaſe dur< ihre Riſſe verbreiten.
Juli: 45. Kreisfeuerwehrverbändstag des Kreiſes
Saarlouis. Er verfügt insgeſamt über 69 Wehren,
92 Cöſ<hzüge und 2982 Mitglieder.
Juli: Der Sdußverein für Hausbeſih im Amts-
gerichtsbezirk Saarbrücken veranlaßt den Zu-
ſammenſ<luß aller dur< Grubenbau geſchädigten
Hausbeſißer, um ihre Rechte gegen die franzöſiſche
Bergverwaltung geſchloſſen geltend zu maden.
Cebhafte Aufnahme des Dorgehens überall beſon-
ders in Altenwald, Sulzba<, Hühnerfeld und
Triedric<sthal.